erreichten. Ein Stehplatz für die Nacht war auch schnell gefunden, in Nachbarschaft von drei anderen Wohnmobilen direkt auf der breiten Mole mit Blick auf die Hafenausfahrt und die sich gegenüber steil erhebenden schroffen Kalkfelsen, auf deren graugrüner Kuppe einige kleine Häuschen thronten. In einem nahen gemütlichen Fischrestaurant hatten wir zum ersten Mal die Möglichkeit, die so viel gepriesene französische Küche zu testen; bis auf die frischen Austern auf dem Vorspeisenteller, die bei mir während des Schlürfens trotz des Spritzers frischer Zitrone einen leichten Brechreiz verursachten, war alles exquisit, die zart gegrillte Goldbrasse, umlegt mit bunter Gemüseauswahl inklusive neuer Kartoffeln und zum leckeren Abschluss der exotische Obstsalat. Nach zwei Stunden und dem Genuss von anderthalb Litern trockenem Rosé kehrten wir recht beschwingt zu unserem Mobi zurück.
Nicht zu fassen, dreißig weitere mehr oder minder große Exemplare waren in der Zwischenzeit eingetroffen und standen in Reih und Glied, das hatten wir noch nie erlebt, jedenfalls würden wir mit „Flankenschutz“ zu beiden Seiten schlafen wie in Abrahams Schoß. Zunächst war daran aber gar nicht zu denken, in völliger Dunkelheit, die Straßenlaternen waren erloschen, näherte sich uns ein endloser Zug schwankender kunterbunter Lampions, erhellt von flackernden Kerzen, vorweg gab eine zehnköpfige Kapelle ihr Bestes, den Gesang der ihnen folgenden Kinder nebst Angehörigen mühelos übertönend. Als Krönung dann vom Kalkfelsen herab ein gewaltiges Höhenfeuerwerk, Begeisterung auf allen Seiten.
Auf sehr schöner Strecke immer entlang der Kanalküste ging es am nächsten Tag weiter, die anfänglich dicken Wolken machten schnell wieder strahlender Sonne Platz. Kleine und größere Badeorte wechselten sich ab, alle wegen der Ferien in Frankreich sehr belebt; die übliche nachmittägliche Teepause fand vor der imposanten Kulisse der weißen Kreidefelsenvon Etretatstatt, die sich am Ende einer lang gestreckten feinsandigen Bucht sehr eindrucksvoll, zum Teil über 90 m hoch erheben, einige bilden natürliche Brücken, andere stehen aufrecht wie Pfeiler im Meer.
Nur etwa 30 km weiter Frankreichs wichtigster Atlantikhafen Le Havream Nordufer der hier 9 km breiten Seinemündung. Ausgedehnte Industrieanlagen und Erdölraffinerien bestimmen das Bild, keine schöne Stehmöglichkeit am Wasser; die fanden wir erst, nachdem wir auf einer modernen Hängebrücke hinüber auf das andere Ufer gewechselt hatten, in dem hübschen Fischerstädtchen
mit seinen schönen alten Häusern, zum Teil noch aus der Zeit der Normannen bzw. Wikinger, die im 8. bis 11. Jahrhundert als Seeräuber, Kaufleute und Staatengründer die Küsten Europas heimsuchten.
Den tollen Platz direkt gegenüber der Hafeneinfahrt teilten wir uns mit 19 weiteren Wohnmobilen verschiedener Nationen. Wir taten es unseren freundlich herüberwinkenden Nachbarn gleich und genossen auf unseren flugs hervorgeholten bequemen Klappstühlen die noch immer wärmenden Strahlen der Abendsonne, das rege Leben und Treiben auf der Promenade und das bunte Gewimmel der behäbigen Fischerboote und schnittigen Yachten beobachtend, die sich immer wieder abwartend vor der sich in regelmäßigen Abständen für den laufenden Straßenverkehr senkenden Hubbrücke versammelten. Abendessen gab es erst zu vorgerückter Stunde aus noch reichlich vorhandenen leckeren Vorräten an Bord.
Am Samstag, die Sonne lachte wieder vom blauen wolkenlosen Himmel, setzten wir unsere herrliche Küstenfahrt fort, zunächst durch das elegante Seebad Deauvillemit Casinos, Pferderennbahn und seinem idyllischen Fischerhafen Trouville, dann weiter von einem malerischen Badeort zum anderen an der hier beginnenden, ihrem Namen alle Ehre machenden Côte Fleurie, eine Augenweide die gepflegten Parks; aus saftig grünen Rasenflächen erheben sich zum Teil riesige runde, hügelig angelegte Beete, kunstvoll bepflanzt mit buntestem Blumenschmuck, an den Seiten dekorative Fächerpalmen.
An der Nordküste der sich anschließenden Halbinsel Cotentinschlugen wir unser nächstes „Nachtlager“ auf, und zwar in
einem bedeutenden Kriegshafen; das mächtige Fort du Roule, eines der stärksten Bollwerke des Atlantikwalls, erinnert noch an den Zweiten Weltkrieg, als unter deutscher Heeresleitung die nordfranzösische Küste durch gewaltige Bunkeranlagen befestigt wurde, die jedoch die größte und erfolgreichste Landungsoperation der Kriegsgeschichte am 6. Juni 1944 durch die Alliierten nicht aufhalten konnten.
Wir wählten für unsere Übernachtung allerdings einen friedlicheren Platz, direkt am sandigen Ufer gegenüber dem dicht besetzten Yachthafen, nur zwei andere Mobis leisteten uns Gesellschaft. Vorher hatten wir in einem zu Recht voll besetzten Fischrestaurant am Hafen wieder mit Erfolg die französische Küche getestet. Die vom Koch empfohlene Spezialität, Seezunge nach normannischer Art, mit Muscheln, Austern, Krabben, Champignons und einer köstlichen Rahmsoße zubereitet, war eine reine Gaumenfreude, nur eine einsame Auster blieb auf der Platte zurück. Der dazu genossene rassige Muscadet aus der Loire-Region sorgte wieder für noch gehobenere Stimmung.
Genauso frohgemut ging es am sonnigen Sonntagmorgen weiter entlang der Westküste der NORMANDIE;etwas einsamer, nicht so viele Badeorte, mehr Landwirtschaft und Viehzucht. Eine riesige Kuhherde, die auf der Straße entlanggetrieben wurde und die wir in Zeitlupengeschwindigkeit überholten, bescherte uns eine einstündige Säuberungsaktion, als wir beim Tanken im kleinen Ort Granvillevoller Entsetzen feststellen mussten, dass die gesamte linke Seite bis über die Fenster hinaus mit Kuhschiete bespritzt war. Nach der Anstrengung stärkten wir uns ausnahmsweise einmal mit leckeren Sandwiches in einem kleinen Strandcafé. Nach etwa 40 Kilometern und der Umrundung einer Bucht kam in der Ferne noch ganz klein die größte Sehenswürdigkeit der Normandie, der Mont Saint Michelin Sicht, eine steile, fast 80 m hohe Granitinsel, kaum 900 m im Durchmesser, der wir uns auf einem 2 Kilometer langen Damm, eine flache, fast gänzlich im Trockenen liegende, von Prielen durchzogene Bucht durchquerend, näherten, bis wir auf einem in einiger Entfernung liegenden übervollen Parkplatz landeten, ein Touristenrummel sondergleichen.
Da es von dort aus nur zu Fuß weiterging, ließen wir das Ganze eben von außen auf uns wirken, durch das Fernglas wurden auch Einzelheiten sehr gut sichtbar. Hoch oben auf schroffer Felsspitze thront trutzig eine Benediktinerabtei aus dem 11. bis 13. Jahrhundert mit angrenzender romanisch-gotischer Kirche, deren spitzer Turm hoch hinauf in den blauen Himmel ragt. Ihr zu Füßen gruppiert sich ein bescheidenes Dörfchen, von gigantischen normannischen Festungswällen gegen die Fluten geschützt, immerhin gibt es mit 15 m dort den größten Gezeitenunterschied an Europas Küsten; ein paar dunkelgrüne Baumwipfel unterbrechen das triste Grau. Insel und Bucht wurden 1979 von der UNESCOzur Weltnaturerbestätteerklärt. Nachdem wir das Ganze gebührend bewundert und natürlich auch im Bild festgehalten hatten, kehrten wir auf demselben Weg auf das Festland zurück, um nach weiteren etwa 45 Kilometern an der zerklüfteten Küste entlang wieder über einen künstlichen Damm in der alten Insel- und Hafenstadt
an der Nordküste der BRETAGNE, einer großen Halbinsel im Atlantik, der nordwestlichsten Landschaft Frankreichs, zu landen; von Küste zu Küste sind es überwiegend 100, maximal 150 Kilometer. Ein idealer Parkplatz mit tollem Blick auf die nahe Ville Close, den alten, von mächtigen mittelalterlichen Festungswällen umgebenen Stadtteil, und den schäumenden Atlantik veranlasste uns zu dem spontanen Entschluss, die nächste Nacht dort zu verbringen.
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