Erst gegen 18.30 Uhr trennten wir uns mit gegenseitigen besten Wünschen für die Zukunft, für uns allmählich Zeit für die Essensvorbereitungen, die bei der großen Auswahl nicht allzu schwer fielen. Zu vorgerückter Stunde - das tief unter uns liegende Meer in gleißendes Mondlicht getaucht und über uns ein schimmernder Sternenhimmel - ließen wir diesen wieder wunderschönen Tag bei einigen Gläsern Wein ausklingen.
Abermals strahlte die Sonne vom wolkenlosen Himmel, als wir am nächsten Morgen entsprechend gut gelaunt aufbrachen und zunächst langsam durch die Siedlung rollten. Alle Häuser sind in ähnlichem Stil errichtet, niedrig, aus dunkelgrauen Granitsteinen, die ebenfalls grauen Schieferdächer, aus denen hohe Schornsteine hervorragen, mit hübschen Erkern ausgebaut; die weißen Sprossenfenster bildeten einen sehr schönen Kontrast; die kleinen Vorgärten liebevoll gestaltet, überall Rosen in leuchtender Pracht. Bevor wir diesem Ort jedoch den Rücken kehrten, machten wir noch einen Abstecher zu den äußerst eindrucksvollen, aus einem bunten Blütenmeer hoch aufragenden Ruinen der Arbroath Abbey, die als passende Kulisse für die alljährlich stattfindenden historischen Festspiele dienen, früher tagte dort das erste schottische Parlament.
Weiter auf wunderschöner Route am Meer entlang, landeten wir nach etwa 25 Kilometern in der am nördlichen Ufer des Mündungstrichters des Taygelegenen geschäftigen Hafenstadt
auch hier von der mittelalterlichen Bausubstanz nicht mehr viel erhalten, da die Stadt immer wieder von den Engländern dem Erdboden gleichgemacht wurde; nur der 47 m hohe Kirchturm des St. Mary’s Towerist das einzige Überbleibsel aus dem 15. Jahrhundert. Eine gewaltige, 3 km lange Brücke brachte uns über den breiten Firth of Tay. Dabei wurde ich erinnert an eine Ballade von Theodor Fontane, durchgenommen in lange zurückliegenden Schulzeiten; in „Die Brück` am Tay“verarbeitete er auf spannende Weise ein furchtbares Unglück, das sich am 28. Dezember 1879 dort ereignete; in sturmdurchtoster Nacht war ein aus Edinburgh kommender Zug mit der unter ihm einbrechenden Brücke in den Fluss gestürzt und hatte 75 Menschen mit sich in den Tod gerissen; der verantwortliche junge Ingenieur hatte bei seinen Berechnungen die Windkräfte nicht einkalkuliert. Als Verursacher dieser Katastrophe ließ Fontane in dichterischer Freiheit drei sich dort zu üblem Tun treffende Hexen fungieren.
Schon bald erreichten wir den weiten Firth of Forth, den wir auf einer sehr imposanten, an zwei Pylonen hängenden modernen Straßenbrücke (1964 eingeweiht) überquerten, mit einer Länge von über 2 km und einer Hauptspannweite von ca. 1.000 m ist sie eine der längsten Hängebrücken Europas. Einen interessanten Kontrast dazu bildet die daneben liegende 1.600 m lange dreibogige Eisenbahnbrücke aus massiver gitterförmiger Stahlrohrkonstruktion. Am Südufer erhebt sich auf sieben Hügeln die Hauptstadt Schottlands,
der politische und kulturelle Mittelpunkt des Landes, außerdem ein wichtiges Industrie- und Wirtschaftszentrum, Sitz einer bekannten Universität und etlicher Fachhochschulen. Unser erster Blick bei der Einfahrt fiel auf den alles überragenden Burgberg, über dessen steilen Felswänden sich sehr eindrucksvoll das mächtige dunkelgraue Castleaus dem 11. Jahrhundert erhebt, u. a. einst Wohnsitz der schottischen Königin Maria Stuart. Die so genannte New Townzeigt sich weiträumig mit schnurgeraden, zum Teil sechsspurigen Straßen. Sie wurde Ende des 18. Jahrhunderts unter großflächiger Bewahrung der historischen Substanz erbaut, nur vereinzelt unterbricht moderne Architektur den schönen klassizistischen Charakter, weswegen Edinburgh auch „Athen des Nordens“genannt wird.
Da zum Zeitpunkt unserer Ankunft gerade das alljährlich dort stattfindende internationale Sommerfestival für Theater, Ballett, Musik, Film und Kunst begangen wurde, präsentierten sich die Straßenzüge festlich geschmückt, überall flatternde bunte Fahnen der teilnehmenden Nationen und Blumen in den kunstvollsten Arrangements. Leider erwiesen sich die schmalen Gassen der sich an den Burgfelsen drängenden Altstadt mit ihrem mittelalterlichen Gepräge als zu eng für unser Mobi, so dass wir nur mittels langsamem Vorbeifahren einen Blick in das Labyrinth werfen konnten. Per Zufall fanden wir im belebten Zentrum einen Parkplatz, so dass ich von dort aus auf Fotosafari gehen konnte und wir anschließend auf einer nahen Bank noch eine Weile die Atmosphäre dieser faszinierenden Stadt in uns aufnehmen konnten. Die historische Altstadt nebst Castlewurden 1995 ebenfalls von der UNESCOzum Weltkulturerbeerklärt.
Tief beeindruckt fuhren wir nach über drei Stunden in östlicher Richtung wieder dem Meer entgegen, das wir schließlich mit dem eleganten Badeort North Berwickerreichten. An den dem lang gestreckten Sandstrand vorgelagerten Klippen brach sich malerisch eine gewaltige Brandung. Weiter ging es auf herrlicher, leicht hügeliger Küstenstrecke, vorbei an eindrucksvollen Ruinen ehemals stolzer Burgen, bis wir laut Landkarte hinter dem kleinen Örtchen Berwick upon Tweedwieder in
einfuhren. Noch etwa 90 km hügelauf und –ab, durch weite blühende Wiesen, immer mit Blick auf die leicht bewegte Nordsee, ab und zu ein verträumtes Fischerdörfchen, dann die hübsche Hafenstadt
unser Tagesziel.
Ein Parkplatz direkt neben der Hafeneinfahrt erschien uns gerade recht für die Nacht. Vorher hatten wir uns in einem per Zufall entdeckten indischen Restaurant in gepflegtem schwarzweißen Ambiente mit edlem Lilienschmuck kulinarischen exotischen Genüssen hingegeben. Äußerst zufrieden mit dem Verlauf des Tages saßen wir noch eine ganze Weile bei einigen Gläschen Wein aus den heimischen Beständen auf unserer gemütlichen „Wohnzimmerbank“, das rege Leben auf dem Wasser beobachtend. Ein- und auslaufende Schiffe waren noch in großer Zahl unterwegs, einige bei der einbrechenden Dämmerung hübsch illuminiert. Am Ende der weit in das Meer hinausragenden Mole wies ihnen ein blinkender Leuchtturm den Weg.
Am nächsten Morgen stand zunächst eine kurze private Stadtrundfahrt im nur wenige Kilometer entfernten, an der Mündung des Flusses Tynegelegenen
auf dem Programm. Das Innenstadtbild wird bestimmt durch viktorianische Straßenzüge des frühen 19. Jahrhunderts. Herausragend die mächtige, im 14./15. Jahrhundert erbaute gotische Kathedrale St. Nicholasmit dem typischen quadratischen Turm am Ende des lang gestreckten Kirchenschiffes, gekrönt an seinen vier Ecken von schlanken Türmchen, die Spitzen geschmückt durch große Kreuze. Wunderschön die Umgebung, ein sehr gepflegter Park mit herrlichen alten Bäumen, in den sattgrünen Rasenflächen hügelig angelegte runde Beete, von in Motiven gepflanzten Blumen in bunter Pracht überquellend.
Schon bald verließen wir die geschäftige Hafenstadt in Richtung Küste und glitten bei herrlichem Sonnenschein direkt am schimmernden, leicht rauschenden Meer entlang, durch malerische kleine Badeorte, wie Saltburnund Whitby.Größer und voller quirligem Leben der sehr schöne Ferienort Scarboroughund etwas weiter südlich nicht minder hübsch und belebt
das wir spontan als Bleibe für die Nacht auserkoren. Ein direkt an der langen Promenade neben einem gepflegten Bowling Green gelegener Parkplatz, von der Straße her geschützt durch eine dichte Buchenhecke, war genau das Richtige. Doch zunächst suchten und fanden wir ein einladendes Restaurant, auf dessen großer, etwas höher liegender Terrasse, geschickt unterteilt durch prachtvoll bepflanzte Kübel, wir Ausblick und ein trotz aller Vorwarnungen, die englische Küche betreffend, wieder delikates Menü genossen. Auf unserem Übernachtungsplatz waren in der Zwischenzeit noch zwei weitere Wohnmobile eingetroffen, die beide allerdings im Laufe des späten Abends aufbrachen, um am nächsten Morgen wieder zurückzukehren. Nun, wir ließen uns nicht irritieren, von unseren bequemen Sitzen im „Cockpit“ aus, vor uns ein Glas Wein, beobachteten wir das rege Leben und Treiben auf der breiten, bunt illuminierten Promenade und dem in helles Licht getauchten Bowlingplatz, auf dessen kurz geschorenem Rasen noch etliche schneeweiß gekleidete Spieler voller Konzentration ihre Kugeln setzten.
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