1 ...6 7 8 10 11 12 ...21 Sanft legte er seine Hand auf ihren Bauch und ließ sie hinauf wandern über ihre kleinen, festen Brüste bis zu ihrem weißen Hals. Er konnte deutlich unter der zarten Haut ihre Halsschlagader pulsieren spüren. Tiefes Verlangen durchströmte ihn.
Was für eine Verschwendung
, dachte er missmutig. Nur zu gerne hätte er sich ihrem süßen Geschmack alleine hingegeben, mit ihr gespielt und die Stunde ihres Todes hinausgezögert, um seinen eigenen Schmerz zumindest kurz vergessen zu können. Doch dieses gemeinsame Ritual war wichtig, sorgte für ihren Zusammenhalt, machte sie stärker. Melancholisch betrachtete er die mit feinen blauen Adern überzogenen Brüste des Mädchens, ihre langen, schlanken Schenkel und ihr unschuldiges Gesicht, das jetzt vor Entsetzen erstarrt war. Wenn sie mit ihr fertig waren, würde nicht mehr viel übrig sein von ihrer Schönheit.
In einer plötzlichen Bewegung drehte er sich um und hob gebieterisch seine Arme.
„Ihr wisst, warum wir uns heute hier versammelt haben.“
Zustimmend nickten alle mit den Köpfen und Zeno konnte erkennen, wie ihre Augen unter den Kapuzen zu leuchten begannen. Er konnte ihr Verlangen förmlich spüren.
„Es ist unser Schicksal mit dem Tod zu leben. Doch durch dieses Ritual werden wir erstarken und auferstehen.“
Ein begeistertes Raunen ging durch die Menge. Die Erregung war so deutlich spürbar, dass die vielen Kerzen zu flackern begannen.
„Lange werden wir nicht mehr warten müssen. Dann brauchen wir uns nicht länger verbergen. Die letzten Hindernisse werden schon bald aus dem Weg geräumt sein.“
Einige wurden mittlerweile unruhig, seine Ansprache dauerte ihnen bereits zu lange. Er konnte diese Schwächlinge mit ihrem geringen Maß an Selbstbeherrschung nicht ausstehen. Für ihn war es jedes Mal wieder ein unermessliches Vergnügen, das Leben zu kosten. Auch wenn es ihn schmerzte, ein anderes dafür auszulöschen. Aber das musste ja auch nicht sein. Sie konnten das Leben der Opfer erhalten. Nur nicht beim Ritual. Sie waren so viele, dass sie es ausbluten mussten. Zudem sah der Ritus dies so vor. Und die Regeln hatte sein Vater bestimmt, an die mussten sie sich halten. Darüber hinaus zog die Rettung nach sich, dass das Opfer zu einem von ihnen wurde und dies bedurfte, so der Fürst, einer sorgfältigen Wahl. Doch heute war er für die Nacht des Blutkelchs verantwortlich und er würde das tun, was er für richtig hielt.
Aufgeregtes Gemurmel wurde im Saal laut. Langsam nahm er den langen Dolch vom Kissen, das neben dem Altar auf einem Tisch lag. Die Klinge glänzte im Kerzenschein. Prüfend wog er die Waffe in seiner Hand. Dann führte er sie zum Handgelenk des Mädchens. Ihr ganzer Körper versteifte sich. Sie hätte sicherlich geschrien, wenn sie gekonnt hätte. Vorsichtig ritzte er die Ader quer zu ihrem Handgelenk.
Tarón und Xystus, seine Brüder waren zu ihm an den Altar getreten. Xystus reichte ihm den großen, schwarzen Kelch. In diesen ließ Baldur das Blut des Mädchens fließen. Er machte ihn jedoch keineswegs voll, so wie er es eigentlich hätte tun sollen. Das hätte das Mädchen umgebracht. Stattdessen drückte er, als der Kelch halbvoll war, ihr Handgelenk nach oben und stoppte so das Blut. Er reichte ihn Tarón, der ihn verwundert und irritiert fragend anblickte. Doch Zeno reagierte nicht auf den stummen Widerspruch, sondern wandte sich wieder dem Opfer zu und verband die Wunde mit dem dünnen Band, das sie um die Hüften getragen und ihren Umhang zusammen gehalten hatte.
Sein Bruder trank derweil von dem Blut und reichte den Kelch weiter an Xystus, der es ihm gleich tat und ihn dann an Sundãri weitergab.
Zeno drehte sich zu der Menge um.
„Um die Pläne meines Vaters zu verwirklichen, brauchen wir Kraft und Stärke“, seine Stimme hallte laut von den steinernen Wänden wieder, „und weitere Familienmitglieder. Daher habe ich beschlossen dieses Mädchen zu meiner Gefährtin zu machen.“
Ein entrüstetes Raunen ging durch den Saal. Die ersten, die von dem Kelch getrunken hatten, hatten auch ohne seine Rede bemerkt, was heute vor sich ging. Unmut breitete sich aus und allmählich wurde es unruhig im Saal. Die Wächter machten sich bereit, einen möglichen Aufstand abzuwehren und positionierten sich vor dem Altar.
„Bringt das Mädchen in meine Gemächer“, befahl er seinen Geschwistern und wandte sich zum Gehen. Hinter ihm wurden die Proteste lauter. Doch das war ihm egal. Sie waren keine Monster, keine Mörder und wenn sein Vater seine Pläne realisieren wollte, sollte die Welt das auch nicht von ihnen denken. Sie konnten sich zügeln, sie waren ja immer noch Menschen. Nur mit besonderem Schicksal.
Ein ungeduldiges Klopfen ertönte an der schweren Eichentür. Ohne eine Antwort abzuwarten, wurde die Tür aufgestoßen und Sundãri schob ein verängstigtes Mädchen in das halbrunde Zimmer. Ihr Gesicht sprach mehr als Worte ausdrücken können. Sie hatte Angst. Angst, die man im Leben nicht haben sollte.
Er hatte es sich bereits auf seinem riesigen Bett bequem gemacht. Mehrere große und kleine Kissen lagen am Kopfende. Auf diesen Haufen stützte Baldur seinen Rücken. Ein weißes Laken aus Seide lag unter zwei weiteren Decken aus Samt, die eine war braun, die andere golden und üppig mit Brokat bestickt. Sie waren beide zurückgeschlagen. Ein hölzernes Tablett stand darauf mit einer Karaffe und einer Schale mit blauen Trauben.
Mit einer barschen Handbewegung schickte seine Schwester das Mädchen durch eine niedrige Tür in das angrenzende Zimmer und zog anschließend mit einem lauten Knall die Türe zu. Baldur hatte den Kopf in die Hand gestützt und blickte sie wissend an, während er gelangweilt einige Trauben pflückte.
„Das war äußerst unklug, Zeno“, maßregelte sie ihn. Sie rang mit ihrer Fassung.
Sundãri war sehr willensstark und kontrolliert und wahrscheinlich diejenige von ihnen, die ihr Schicksal am ehesten und geduldigsten ertrug. Und das trotz der ablehnenden Behandlung durch ihren Vater. Ihr Wesen spiegelte sich in ihrem Gesicht und ihrer ganzen Gestalt wieder. Sie war schlank und groß, beinahe genauso groß wie ihre Brüder. Ihr Gesicht schien, als hätte es ein Meister aus einem marmornen Stein in größte Präzision heraus gemeißelt. Umrahmt von pechschwarz glänzenden Wellen. Ihre Haut war ebenmäßig, ebenfalls ihre Züge. Ihre dunklen blauen Augen wirkten wie tiefe, unergründliche Seen, auf denen sich keine Welle kräuselte. Wenn sie also die Beherrschung verlor, hatte sie gute, sehr sehr gute Gründe dafür.
„Es wäre eine Verschwendung gewesen“, entgegnete er gelassen, „ich habe andere Pläne mit ihr.“
„Welche? Sie dir eine Zeit lang gefügig zu halten, mit ihr zu spielen, bis du ihrer überdrüssig wirst, um sie dann an deinen Leibwächter abzuschieben, wie andere vor ihr?“
Als Antwort nahm er bloß einen Schluck aus seinem Kelch.
„Es ist ein wichtiges Ritual, das weißt du“, sie seufzte, „Vater will es so und es wichtig für uns, stark zu bleiben. Was meinst du, was los sein wird, wenn er zurück ist.“
„Ich weiß besser als du, was los sein wird. Aber ich habe keine Angst davor. Es ist Zeit für mich, meine eigenen Entscheidungen zu treffen.“
Erschrocken blickte Sundãri ihn an. Ungehorsam war der schlimmste Fehler, den man gegenüber ihrem Vater begehen konnte.
„Sie kennen und schätzen die wahre Bedeutung des Blutkelchs sowieso nicht“, erklärte er ruhiger, „Für sie ist das ein einziges Blutbad. Was bringt es schon?! Sich einmal wieder lebendig zu fühlen? Für welchen Preis? Er verlängert nur die Qual, die wir ertragen müssen.“
Man hätte es sicher nicht für möglich gehalten, vor allem diejenigen, die Sundãri gut kannten, aber ihr Gesicht veränderte sich noch mehr. Ihre Augen weiteten sich vor Schreck und die tiefblauen Seen schienen zu schwarzen Löchern zu werden. Die Veränderung verwunderte Baldur keineswegs, sie erheiterte ihn stattdessen.
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