Ganz anders als die Sandwüste von Ägypten, obwohl ich gerade mit dem Begriff „Madre Tierra“ nichts anfangen kann und Miguel fragend nachblicke.
Mr. Dunaway lächelt mir erneut ins Gesicht.
„Es freut mich sehr, dass es Ihnen offenbar bei uns hier gefällt! Sie werden sehen, diese Arbeiter…“ er macht eine kurze Pause und blickt in die Runde der Indios, die sich angeregt miteinander unterhalten und immer wieder zu Mr. Dunaway und mir herüber schauen.
„… wir alle, sind schon lange eine fest eingeschworene Gemeinschaft. Diese Indios vom Volk der Lacandonen sind angeblich echte Nachfahren der Maya, welche einst Palenque erbaut haben und ich kennen uns schon lange Jahre und wir haben in der Vergangenheit schon so einiges miteinander ausgegraben.
Ich habe eigentlich nur noch den Wunsch, dass Sie Mr. Bolder ebenfalls ein Teil des Ganzen werden.“
Er sieht mich mit seinen dunkelgrünen Augen neugierig an und das Glitzern, das er gerade noch im Waschraum in den Augen hatte ist völlig verschwunden.
Stattdessen ist der kumpelhafte Mr. Dunaway von gestern Abend plötzlich wieder da.
Na, da bin ich aber mal gespannt was das noch werden soll, wenn ich nicht einmal meinen Auftraggeber richtig einschätzen kann.
Miguel kommt mit der Schale „Madre Tierra“ heran und stellt sie mit einem Lächeln vor mir ab.
„Buen apetito, Señor Bolder!“ und entfernt sich schwitzend wieder Richtung Holz-Herd.
„Vorsicht Mr. Bolder, das ist erst einmal sehr heiß. Ich möchte nicht, dass Sie sich gleich am ersten Tag den Mund verbrennen und Miguels Köstlichkeiten nicht mehr genießen können. “ grinst mich Mr. Dunaway verschmitzt an und macht eine einladende Bewegung mit dem Kopf.
„Danke für die Warnung! Ich dachte mir schon, dass es heiß sein könnte, wenn es überbacken ist.“ lächle ich zurück und nehme meinen Löffel in die Hand um ein Stück von „Madre Tierra“ abzustechen.
Vorsichtig blase ich es erst einmal auf Esstemperatur herunter und stecke es mir in den Mund. Hmm, ist das köstlich, Miguel ist tatsächlich ein hervorragender Koch und ich beschließe, dass dies künftig mein tägliches Frühstück sein wird.
„Was haben Sie den jetzt zuerst vor? Vielmehr, was wollen Sie sich zuerst ansehen?“ fragt Mr. Dunaway neugierig.
„Ich weiß noch nicht, mal sehen, vielleicht hänge ich mich einfach an den Touristenstrom. Möglicherweise erfahre ich dann sogar Dinge, die ich bisher noch nicht gelesen habe.“ antworte ich ungezwungen.
„Das halte ich für eine ausgezeichnete Idee. Die Reiseführer hier sind sehr gut informiert, obwohl sie durchaus nicht alles wissen, aber immerhin doch eine ganze Menge. Es sind jedoch nicht jeden Tag Touristen hier, da müssen Sie Glück haben um eine Reisegruppe zu erwischen.“
Wieder lächelt mich Mr. Dunaway an, wobei seine dunkelgrünen Augen wieder ein gewisses Maß von diesem seltsamen Glitzern annehmen.
Ich esse weiter an meinem Frühstück, bis nichts mehr davon übrig ist und wische mir den Mund mit der bereitliegenden Serviette ab.
„Ich werde mir wohl erst einmal meinen ausgedruckten Plan von Palenque aus meinem Zelt holen und ein wenig von der Literatur, die ich darüber dabei habe und mache mich dann auf die Socken.
Bitte entschuldigen Sie mich! Ich denke, wir werden uns zum Lunch wieder hier treffen?“ gebe ich ihm zur Antwort, wobei ich aufstehe und mich dem Ausgang zuwende.
„Oh ja, sicher. Bis heute Mittag.“
Mr. Dunaway steht ebenfalls auf um mir die Hand zu reichen und sich anschließend seinen Arbeitern zuzuwenden.
Demnach verlasse ich also das Küchenzelt und begebe mich in mein eigenes Zelt um als erstes meinen Laptop hochzufahren und meine E-Mails zu checken, aber es ist nichts Interessantes dabei, außer natürlich wieder einer Mail von meiner Mum!
Genervt öffne ich sie.
Absenderadresse: Laura Bolder
Datum: 14. Oktober 2014 EDT 6.15 a.m.
Empfänger: Matt Bolder
Betreff: Hurrikan hat sich abgeschwächt
Mein lieber Matt,
ich freue mich, dass es dir gut geht und du dich mit deinem Auftraggeber offenbar gut verstehst.
Auch dass du ein schönes Bett hast, dabei denke ich an deinen Rücken, der dich manchmal in Ägypten so geplagt hat.
Der Hurrikan über der Karibik hat sich, laut den Nachrichten, offenbar wieder abgeschwächt. Das beruhigt mich ein wenig. Pass weiterhin gut auf dich auf.
Deine dich liebende Mum, Laura!
Ich beschließe meiner Mum erst heute Abend wieder zu schreiben. Denn wenn ich jedes Mal sofort zurück schreibe deckt sie mich täglich mit unzähligen E-Mails ein, aber dazu habe ich weder die Zeit noch Lust darauf.
Es ist ja schön, dass sie sich sorgt und sich so um mich kümmert. Aber sie tut immer noch, als wäre ich erst zehn Jahre alt und das geht mir manchmal ganz gehörig auf die Nerven, auch wenn sie das wohl nie verstehen wird.
Somit fahre ich meinen Laptop wieder herunter und suche nach einer Steckdose um den Akku zu laden, jetzt wo offenbar Strom fließt, denn ich höre ganz in der Nähe ein Radio laufen.
Nach einigem Suchen finde ich tatsächlich eine Verlängerungsleitung mit einer Steckdose an die ich meinen Laptop letztendlich anschließe in der Hoffnung, dass aus dieser Leitung auch wirklich Strom herauskommt.
Doch das grüne Blinklicht des Akkus sagt mir, dass es wohl so sein muss.
Ich suche meinen Lageplan von Palenque heraus und den Reiseführer den ich noch kurz vor meiner Abreise in Philadelphia gekauft habe und mache mich endgültig auf den Weg zu den Sehenswürdigkeiten.
Ganz in der Nähe vom „Tempel der Inschriften“, meinem künftigen Arbeitsplatz vor dem wir lagern, liegt der sogenannte „Palast“, zu dem ich mich zuerst begebe, weil ich gerade eine kleine Touristengruppe hineingehen sehe und ich die Hoffnung habe, durch den Reiseführer einiges mehr zu erfahren.
Von daher folge ich also der Gruppe mit schnellen Schritten, doch als ich näher komme stelle ich enttäuscht fest, dass der Reiseführer spanisch spricht und ich leider kein einziges Wort verstehe von dem was er sagt. Also lasse ich die Reisegruppe wieder von dannen ziehen und versuche mir selbst ein Bild zu machen.
Ich nehme meinen Reiseführer und lese den Abschnitt über den Palast der etwa eine Grundfläche von einhundert mal achtzig Metern besitzt.
In einem von mehreren Innenhöfen ragt ein Turm empor, der vermutlich zur Zeit der Maya als Observatorium genutzt wurde.
Damit setze ich mich erst einmal Richtung Innenhöfe in Bewegung um den Turm in Augenschein zu nehmen.
Danach sehe ich mir noch drei Stuckreliefs an, die sich ebenfalls im Palast befinden und verschiedene Herrscher der Maya zeigen.
Insgeheim muss ich zugeben, dass ich schwer beeindruckt davon bin was die künstlerischen Fertigkeiten der damaligen Handwerker anbelangt.
Nachdem ich mir den Palast eingehend angesehen habe, gehe ich weiter zu der sogenannten Kreuzgruppe, die südöstlich des Palastes liegt. Sie besteht aus drei Tempeln, die einen weiten Platz begrenzen und auf einer Stufenplattform thronen.
Die drei Bauten werden auch Sonnentempel, Tempel des Blätterkreuzes und Kreuztempel genannt und sie sind alle drei im gleichen Stil errichtet worden.
Jeder einzelne besitzt an der Rückwand im Inneren ein dreiteiliges Relief, ebenfalls aus Stuck und mein Reiseführer verrät mir, dass es sich bei den zahlreichen Hieroglyphen hauptsächlich um Kalenderdaten handeln soll.
Ich betrachte die Hieroglyphen eingehend, doch sie unterscheiden sich sehr deutlich von den ägyptischen und sie sagen mir erst einmal gar nichts, womit ich die Kreuzgruppe wieder verlasse und zufällig auf meine Uhr sehe.
Verwundert stelle ich fest, dass es tatsächlich schon Mittag ist und ich mehrere Stunden in den Ruinen zugebracht habe, ohne dass mir das groß aufgefallen wäre, so interessant finde ich sie und ihre Stuckreliefs.
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