Somit löse ich mich von dem fesselnden Bild und wende mich wieder den anderen zu, die nur noch auf mich warten um Anweisungen zu bekommen.
„Danke, dass Sie mir die Zeit erlaubt haben dieses faszinierende Kunstwerk genauer zu betrachten. Im Moment hat es zwar wenig Aussagekraft für mich, weil ich mit der Kunst und der Lebensweise der Maya nicht vertraut bin, aber ich werde mich auf jeden Fall noch eingehend damit befassen.
Aber nichts desto trotz, wir suchen ja keine Antworten auf dieses Bild, sondern eventuell einen Hohlraum unter dieser Grabkammer. Da spielt es keine Rolle, ob wir ihn in Mexiko, in Ägypten oder sonst wo auf der Welt suchen. Also lassen Sie uns anfangen.“ sage ich gebe damit den Startschuss.
Mr. Dunaway, der die ganze Zeit über mit Saundra getuschelt hat, von dem ich leider nichts verstehen konnte, lächelt mich inzwischen wieder wohlwollend an.
Also ist es doch eine Sache zwischen Vater und Tochter und er ist zum Glück nicht auf mich sauer, denn so arbeite ich nicht gerne, wenn mein Arbeitgeber ein Problem mit mir selbst hat.
„Wir sollten zunächst den Boden von Staub und kleinen Steinen befreien, damit das Bild des Radars so klar wie möglich wird!“ gebe ich vorsichtig den ersten Auftrag.
Hernán und Saundra greifen zu einem Besen und fangen zu fegen an, während ich mir die Schaufel schnappe und den Dreck in einen Eimer gebe.
Nachdem alles sauber ist, nehme ich das GPR in Betrieb und lasse das Gerät Zentimeter für Zentimeter über den Boden um den Sarkophag herum gleiten.
Die anderen säubern indessen gemeinsam den Nebenraum bis auf den feinen Staub, der zurückbleibt und ohnehin nicht weiter stört.
Doch als sie fertig sind, stehen sie mehr oder weniger im Weg herum und das stört mich bei der Arbeit, deshalb mache ich einen etwas genervten Gesichtsausdruck, den Mr. Dunaway wohl bemerkt hat.
„Saundra, ich denke wir sollten Mr. Bolder in Ruhe allein weiter arbeiten lassen. Komm’ wir gehen wieder! Wenn Sie fertig sind Mr. Bolder, lassen Sie am besten alles stehen, ich schicke dann Hernán und seine Männer um die Werkzeuge abzuholen.“ sagt Mr. Dunaway sehr versöhnlich.
„Ja, ist in Ordnung Mr. Dunaway!“ lächle ich zuerst ihn und dann Saundra an, die einen enttäuschten Ausdruck im Gesicht hat.
Sie schaut mir durchdringend in die Augen, so dass mir ein kalter Schauer den Rücken hinunterläuft.
Beide steigen mit Hernán im Rücken die steile Treppe wieder nach oben und lassen mich allein bei der Arbeit. Sie geht langsamer voran als ich dachte, was mir aber etwas Zeit verschafft über Saundra und ihren Vater nachzudenken.
Ein seltsames Verhältnis das die beiden haben. Zuerst dachte ich sie wären ein Herz und eine Seele, welche die Liebe zur Archäologie teilen. Auf der anderen Seite möchte er, dass sie in sein Maklerbüro einsteigt, sie läuft aber lieber auf großen Modenschauen als Model.
Doch seit unserer Begegnung im Waschzelt heute Morgen führt er sich auf wie ein eifersüchtiger Ehemann.
Unmerklich schüttle ich den Kopf!
Saundra ist doch erstens seine Tochter und zweitens eine erwachsene Frau, was stört ihn daran nur so sehr?
Oder hat er gemerkt, dass sie mir gefällt?
Aber offensichtlich bin ich ihr auch nicht ganz gleichgültig, bei den Blicken die mir zuwirft und was sollte der Hinweis auf ihren Stammbaum mit dieser ungarischen Gräfin?
Die muss ich heute Abend unbedingt einmal googeln.
Mit dem Radargerät habe ich nun die gesamte Grabkammer vermessen und verlege das GPR in den danebenliegenden leeren Raum, was die Sache sehr viel einfacher macht, weil ich ihn somit komplett vermessen kann und beginne erneut mit meiner Arbeit.
Als ich etwa mit dem halben Raum fertig bin, erscheint plötzlich Miguel mit einem zugedeckten Korb in der Hand unter der dreieckigen Tür.
„Señor Bolder! Essen por favor!“
„Oh, Miguel?“ sage ich überrascht und schaue auf meine Armbanduhr.
Es ist schon früher Nachmittag und ich merke in dem Moment auch, dass sich mein Magen verstimmt zu Wort meldet.
„Was hast du denn Gutes dabei?“ frage ich ihn daher freudig.
Miguel zieht das Tuch vom Korb und ich sehe, dass er mitgedacht hat. Der Korb enthält ein mit Salat und Hähnchenstreifen belegtes Baguette, das ich gut in die Hand nehmen kann. Wunderbar!
Ich beiße herzhaft hinein in der Hoffnung, dass er sein Chili-Fass nicht wieder aufgemacht hat und blicke in sein grinsendes Gesicht.
Hat dieser Mann eigentlich nie schlechte Laune?
Ich kaue vorsichtig und es ist tatsächlich nicht scharf, deshalb beiße ich erneut hinein und mit erhobenem Daumen zeige ich Miguel, dass es mir hervorragend schmeckt, wobei er sich immer noch grinsend mit seinem Korb wieder verzieht.
Nachdem ich aufgegessen habe vermesse ich den Raum zu Ende und schalte das GPR ab um den Teil mitzunehmen, der die gemessenen Daten enthält.
Damit kann ich heute Abend eventuell an meinem Laptop die ersten Messungen auswerten, sofern das ohne Vergleichsmöglichkeit vom Boden um den Tempel herum überhaupt möglich ist und steige die steile Treppe empor.
Oben angekommen atme ich erst einmal tief durch um meine Lungen mit frischem Sauerstoff zu füllen, denn die Luft unten in der Grabkammer ist stickig und nach dem Kehren auch noch staubig.
Ich hatte das Gefühl, dass der Staub ewig im Raum schwebte und sich gar nicht mehr legen wolle.
Bevor ich die große Treppe außen am Tempel hinuntereile, genieße ich noch für einen Augenblick die herrliche Aussicht über Palenque, den Dschungel und unser Camp und ich freue mich erneut, der Dozententätigkeit eine Weile entkommen zu sein.
Mit dem Datenspeicher steuere ich zunächst auf die Zelte der Arbeiter zu um Fernando zu suchen, den ich auch gleich unter einem Zapote-Baum ruhend finde.
„Fernando, ich bin fertig mit meiner Arbeit! Könnten Sie Hernán ausrichten, dass er die Werkzeuge und den anderen Teil des GPR aus der Pyramide holen kann und das Licht löschen möchte?“ bitte ich ihn.
„Sehr gern Señor!“ er nickt mir zu.
„Mache ich sofort!“
„Danke, Fernando!“
Ich drehe mich wieder von ihm weg um erst noch das Datenkabel und die Software für das GPR im Materialzelt zu holen und danach mein Zelt anzusteuern, wobei ich hoffe erst einmal niemandem zu begegnen.
In meinem Zelt angekommen platziere ich den Datenspeicher zunächst auf dem kleinen Tisch neben dem Eingang und packe diesen mit beiden Händen um ihn neben mein Bett zu stellen, auf das ich mich zunächst erschöpft fallen lasse.
Der erste Arbeitstag nach meiner Vergiftung war doch anstrengender als ich dachte und die schlechte Luft dort unten hat sicherlich auch noch ihr Übriges dazu beigetragen, also schließe ich kurz die Augen um mich etwas zu erholen.
Die Neugier auf die Messung lässt mir jedoch keine Ruhe und ich ziehe meinen Laptop vom Stromnetz, stelle ihn neben das GPR und spiele zunächst die Software auf. Leider dauert das eine ganze Weile, wobei ich schon ganz ungeduldig werde und anfange in meinem Zelt auf und ab zu laufen.
Endlich ertönt das ersehnte „Ping“ und ich verbinde meinen Laptop mit dem Datenspeicher, woraufhin sich selbsttätig das Menü des GPR-Programmes öffnet und ich klicke auf „Daten auswerten“!
Der Computer zeigt mir mehrere verschiedene Diagramme an, die mir im Moment allerdings noch nicht sehr viel Aufschluss geben, weil die Vergleichsmessungen des Bodens außerhalb des Tempels noch fehlen.
Aber ich kann zumindest so viel erkennen, dass es kein gewachsener, also ursprünglicher Untergrund ist.
Entweder wurde ein Fundament gelegt oder es handelt sich tatsächlich um einen Hohlraum, sprich einer weiteren Kammer.
Überwältigt starre ich auf den Bildschirm!
Конец ознакомительного фрагмента.
Читать дальше