Die anfängliche Abneigung und Skepsis wichen dann aber dem inneren Bedürfnis, dem Wunsch des „Führers“ zu entsprechen. Mitte Oktober stand fest: „Am 1. November geht`s nun endgültig nach Berlin. Berlin ist doch die Zentrale.“ 168Einige Tage später notierte Goebbels im Tagebuch: „Dort liegt ein Brief von Hitler: Berlin ist perfekt. Hurra!“ 169Nachdem Hitler entsprechende Vollmachten unterschrieben hatte, 170begab sich der neue Gauleiter von Berlin-Brandenburg schließlich am 7. November 1926 in die Reichshauptstadt. 171Hitler hatte ihn dazu ermächtigt, die Berliner Partei zu säubern, ohne – wie in den Statuten vorgeschrieben – den Untersuchungs- und Schlichtungsausschuss anrufen zu müssen. Goebbels war seinem „Chef“ unmittelbar und direkt unterstellt. 172
Die Gebrüder Strasser waren von Goebbels` Ankunft in Berlin wenig begeistert, da er nun in ihrem Wirkungsbereich tätig werden sollte. Aufgrund der ihm von Hitler erteilten Vollmachten versuchten sie sich aber mit ihm zu arrangieren. So empfing Otto Strasser den Neuankömmling auf dem Bahnhof und verschaffte ihm die erste Unterkunft. 173
Nachdem Goebbels am 9. November sein Debüt auf einer Gedenkfeier für den fehlgeschlagenen Putsch gegeben hatte, traf er bereits konkrete Anordnungen, die dem Streit zwischen der SA und der Gruppierung um die Gebrüder Strasser ein Ende setzen sollten. Hierbei war der proletarische Aktivismus seitens der SA zunehmend in Widerstreit mit den auf Überzeugungsarbeit setzenden Anhängern der Gebrüder Strasser geraten. Goebbels verbot jede weitere Debatte über den Streit und drohte bei Nichtbeachtung mit dem Parteiausschluss. Zum Ärger der Strassers ernannte er zugleich Kurt Daluege, den Berliner SA-Führer, zu seinem Stellvertreter 174und schwor somit die SA auf sich ein. Tatsächlich tendierte Goebbels auch mehr zum hemmungslosen Aktivismus und hielt weniger von der „Überzeugungsarbeit“ der Strassers. Aktivismus setzte er gleich mit Propaganda. Das Ziel war es, um jeden Preis aufzufallen und das konnte nur auf der Straße, sichtbar für alle, passieren. 175Goebbels wollte die Straßen und damit die Massen erobern. Da der erste Propaganda-Marsch durch Neukölln am 14. November für Goebbels unerfreulich verlief - viele seiner Parteigenossen wurden von den Kommunisten zusammengeschlagen - entschied er, die noch wenigen Anhänger zunächst ideologisch zu schulen und damit den Zusammenhalt zu festigen. Seine große rednerische Begabung kam ihm hierbei zu Hilfe. In den nächsten Wochen sprach er unermüdlich auf verschiedenen Versammlungen zu seinen Anhängern und brachte ihnen die nationalsozialistische „Idee“ näher. 176Goebbels reorganisierte und konsolidierte die Partei und wollte erst dann mit ihr nach außen hin wieder in Erscheinung treten. 177
Hitler schien währenddessen mit Goebbels Arbeit in Berlin zufrieden gewesen zu sein. Kurz nach dem Eintreffen des neuen Gauleiters begab er sich ebenfalls in die Hauptstadt. Am 10. November traf er sich mit Goebbels zum Essen: „Der Chef war d[a] und sehr nett zu mir. Nach dem Essen waren wir ein paar Stunden für uns, er erzählte vom 9. November 1923, und ich erkannte die ganze gewaltige Tragik dieses Mannes. Er ist ein schöpferischer Kopf, der geschichtlichen Rang beansprucht.“ 178Wenige Tage später besuchte er Goebbels sogar Zuhause: „Der Chef war sehr nett. Alle begeistert. Er ist so rührend gut zu mir. Wenn er spri[cht], dann schweigen alle. Er versteht es, jedem Ding ein eigenes Licht aufzusetzen. Ich habe ihn aus tiefstem Herzen gern.“ 179Die Tagebuchnotizen geben keinerlei Aufschluss darüber, dass Hitler mit Goebbels die parteiinternen Spannungen vor Ort besprochen hätte. Bei seinem „Kontrollbesuch“ musste Hitler, so scheint es, nicht in die in der Partei vorherrschende Kontroverse eingreifen. Goebbels konnte somit seinen ersten Erfolg in Berlin verbuchen.
Ende November trafen Goebbels und Hitler in Essen erneut aufeinander. Verzückt äußerte sich Goebbels über seinen „Chef“: „Er war wieder der Führer, unter dem zu kämpfen eine helle Freude ist.“ 180Zwei Wochen später notierte er in München: „Ich glaube, er mag mich gerne leiden. Ich bin begeistert von ihm.“ 181Fast macht es den Eindruck, als wollte sich Goebbels durch die ständige Wiederholung, wie gern ihn Hitler habe, immer wieder selbst vergewissern, dass es so sei. Hitlers Zuneigung war für ihn die Anerkennung, nach der er sich sehnte. Damit kompensierte er seine Minderwertigkeitsgefühle. Er wähnte sich in einer exklusiven Partnerschaft mit seinem Idol. Sein „homoerotisches Verfallensein“ Hitler gegenüber und die Unterwürfigkeit, mit der er seinem „Chef“ begegnete, waren darauf zurückzuführen, dass er in Hitler seinen einzigen Halt und die Gewähr für seine Existenz sah. In ihm hatte er den Glaubensgrund gefunden, nach dem er so lange gesucht hatte. 182
Ende des Jahres beschäftigte sich Goebbels mit dem zweiten Band von Mein Kampf. Er war hingerissen: „Ich möchte manchmal schreien vor Freude. Er ist ein Kerl!“ 183Das Buch machte ihn „maßlos glücklich“. 184Unter dem Eindruck dieser Lektüre schrieb er schließlich am 31. Dezember: „Ein Mann wurde mir endgültig Führer und Wegweiser: Adolf Hitler. An ihn glaube ich, wie ich an die Zukunft glaube.“ 185Die Grundlage für Goebbels` unerschütterliche Treue gegenüber Hitler war gelegt.
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