Meinen wunderbaren,
für Schwester Fidelma begeisterten Lesern,
denen ich in der Abtei Bobbio begegnete
und die mir vorschlugen,
sie einmal dorthin reisen zu lassen.
Bobbio in noir, perché no?
Et vidi: Et ecce equus pallidus; et, qui sedebat desuper,
nomen illi Mors, et Infernus sequebatur eum …
Vulgata, latein. Übersetzung des Hieronymus, 4. Jahrh.
Und ich sah, und siehe, ein fahles Pferd; und der darauf saß,
des Name hieß Tod, und die Hölle folgte ihm nach …
Offenbarung des Johannes 6,8
HAUPTPERSONEN
Schwester Fidelma von Cashel, eine dálaigh oder Anwältin bei Gericht im Irland des siebenten Jahrhunderts IN GENUA IM KÖNIGREICH DER LANGOBARDEN
Magister Ado von der Abtei Bobium Bruder Faro
Schwester Gisa
IM TREBBIA-TAL
Radoald, Seigneur von Trebbia Wulfoald, Hauptmann der Krieger Radoalds Suidur der Weise, Leibarzt Radoalds Aistulf, Einsiedler IN DER ABTEI BOBIUM
Abt Servillius
der Ehrwürdige Ionas, ein Gelehrter Bruder Wulfila, Verwalter der Abtei Bruder Hnikar, Arzt und Apotheker Bruder Ruadán, ein irischer Mönch, von Inis Celtra stammend Bruder Lonán, ein Kräuterkundiger Bruder Eolann, scriptor oder Bibliothekar Bruder Waldipert, Koch Bruder Bladulf, Türhüter Romuald von Benevento, Prinz der Langobarden Freifrau Gunora, seine Amme Bischof Britmund von Placentia, Anführer der Arianer Bruder Godomar, sein Verwalter AUF DEM BERG PÉNAS
Wamba, ein Ziegenhirt Hawisa, Wambas Mutter Odo, ihr Neffe, ein Ziegenhirt Ratchis, ein Kaufherr IN VARS
Grasulf, Sohn Gisulfs, des Seigneurs von Vars Kakko, sein Verwalter
Im Mai 2008 befand ich mich in Norditalien auf einer Werbetour für die Kriminalgeschichten um Schwester Fidelma. Eine sehr eindrucksvolle Veranstaltung war die in der berühmten Abtei Bobbio. Man hatte mich eingeladen, in den uralten Klostermauern vor einer größeren Zuhörerschaft zu sprechen. Die Abtei Bobbio hatte ich immer schon einmal besuchen wollen, doch hatte sich bis dato keine Gelegenheit dazu ergeben.
Bobbio oder Bobium, wie es ursprünglich hieß, war im Jahre 612 von dem berühmten irischen Heiligen und Missionar Columbanus (540–615) gegründet worden. Er stammte aus Leinster, war Abt von Bangor in der Grafschaft Down gewesen und hatte sich dann zu Pilgerfahrten auf dem Kontinent aufgemacht. Die altirische Form seines Namens lautet Colm Bán, das bedeutet »Weiße Taube«. Oft wird er mit seinem Namensvetter Colm Cille (»Taube der Kirche«) aus Donegal verwechselt, bekannter als Columba, der von 521 bis 597 lebte. Seine berühmteste Gründung war die auf Iona, einer winzigen Insel vor der Westküste Schottlands. Der Ruf von Bobbio verbreitete sich in ganz Europa, da es sich ebenso einer großen Bibliothek und vieler Gelehrter rühmen konnte wie Iona.
Ich empfand es als besondere Ehre, in dem altehrwürdigen Kloster Bobbio über Schwester Fidelma sprechen zu dürfen. Einer meiner Zuhörer fragte mich, ob ich nicht Fidelma nach Bobbio reisen lassen könnte, um einen geheimnisvollen Fall in dem großen Kloster irischen Ursprungs im Val de Trebbia in den Apenninen zu lösen.
In Ein Totenhemd für den Erzbischof hatte Fidelma bereits Rom kennengelernt und dort das Geheimnis um den Tod Wigharts, des designierten Erzbischofs von Canterbury, gelüftet, der im Jahre 664 ermordet wurde. Der Fall war historisch belegt, und ich hatte ihn zum Hintergrund meines Romans gewählt. Auf die mir gestellte Frage antwortete ich einfach »Warum nicht?«, woraufhin die große norditalienische Tageszeitung Libertà ihren Bericht über die Veranstaltung mit Bobbio in noir, perchè no? überschrieb. Die Geschichte hat mich zwei Jahre lang beschäftigt, bis sie in der vorliegenden Form erscheinen konnte; während dieser Zeit bin ich mehrfach im Tal der Trebbia unterwegs gewesen.
Abgesehen von zwei Erzählungsbänden folgen die Kriminalromane um Schwester Fidelma einer strengen chronologischen Ordnung analog zu ihrem Erscheinungsdatum. So spielt der erste Roman Nur der Tod bringt Vergebung im Monat Mai des Jahres 664. Die dann folgenden Romane sind in der Zeitspanne bis zum Jahr 670 angesiedelt, das den zeitlichen Rahmen für das Geschehen in Der Blutkelch bildet (erschienen 2010). Der Band Und die Hölle folgte ihm nach stellt eine Ausnahme dar. Diese Geschichte schließt sich den Ereignissen in Ein Totenhemd für den Erzbischof an, die sich im Sommer 664 in Rom zutrugen. Meine Leser werden sich erinnern, dass Fidelma ihren neugewonnenen Freund, Bruder Eadulf von Seaxmund’s Ham, in der Ewigen Stadt zurückließ, während sie nach Irland zurückkehrte. Sie bestieg ein Schiff in Ostia, dem Hafen an der Mündung des Tiber, wollte in Massilia (Marseilles) an Land gehen und von dort der Pilgerroute quer durchs Frankenreich folgen.
Peter Tremayne
Allem Anschein nach war der alte Mann ein Geistlicher. Er trug die corona spina, die Tonsur des heiligen Petrus, einen grob gesponnenen, langen braunen Wollumhang, darunter ein Gewand aus ähnlichem Material, und an den Füßen Ledersandalen. Ein einfaches Mitglied seiner Bruderschaft war er nicht, denn er hatte einen Hirtenstab bei sich, am oberen Ende mit einer kleinen silbernen Krümme, so, wie er für Bischöfe üblich war.
Ohne Fidelma auch nur einen Blick zu schenken, eilte er an ihr vorüber, wobei die Sandalen seine Schritte auf den Pflastersteinen der engen Straße widerhallen ließen. Fidelma hatte unter dem Strohdach eines kleinen Hauses in dem dicht bebauten Teil des alten Seehafens Schutz gesucht, wo sie auch Unterkunft bezogen hatte. Sie hatte von dem Vorübereilenden kaum Notiz genommen, hatte seine Erscheinung nur im Unterbewusstsein registriert. Gänzlich gegen ihren Willen war sie zum Nichtstun verurteilt, und sie suchte fortwährend nach einer Möglichkeit, wie sie die Zeit sinnvoll nutzen konnte. Schon seit etlichen Tagen saß sie in dieser tristen Hafenstadt fest.
Es schien ihr eine Ewigkeit her, dass sie Rom verlassen hatte, um auf dem Tiber zunächst den Hafen Ostia zu erreichen und von dort auf dem Seeweg weiter nach Massilia zu gelangen. Zuerst verlief auch alles ohne Komplikationen. Das Schiff fuhr unter günstigem Wind aus Südost, und der Kapitän war voller Zuversicht auf eine reibungslose Fahrt. Doch noch hatte der Tag sich nicht geneigt, als die Dinge eine andere Wendung nahmen. Der Wind hatte plötzlich gedreht, wie aus dem Nichts war ein Sturm aufgekommen, hatte ein Segel zerfetzt, ein Rundholz zersplittert und das Schiff gegen Felsen geschleudert, wo durch den Aufprall Planken am Kiel barsten. Dem Kapitän war nichts vorzuwerfen. Im Gegenteil, er hatte es zuwege gebracht, das beschädigte Schiff in den Naturhafen von Genua zu manövrieren, und so allen Passagieren und der Mannschaft das Leben gerettet. Die Seeleute hielten das für einen Segen der alten Götter. Fidelma hatte sie gefragt, warum sie das so sahen, und erfuhr, dass Genua nach dem zweiköpfigen Gott Giano benannt worden sei, der als der Beschützer der Schiffe galt. Die abergläubischen Seeleute waren überzeugt, dass besagter Gott sich ihrer angenommen hätte.
Es stellte sich heraus, dass das Schiff nicht sobald wieder seetüchtig gemacht werden konnte. Man beteuerte Fidelma, Genua wäre ein wichtiger Handelshafen, und sie würde keine Schwierigkeiten haben, eine andere Überfahrt nach Massilia zu finden. Doch derlei Vertröstungen erwiesen sich als falsch. Im Hafen lagen nur wenige Schiffe, und keins von ihnen hatte Masssilia oder einen in der Nähe liegenden Ort zum Ziel. Außerdem gab es Gerüchte, dass eine fränkische Flotte Genua ansteuerte, auch war von einem möglichen Krieg die Rede, aber Fidelma nahm das nicht weiter ernst. Sie hatte sich in den Gassen um den Hafen herum umgetan und eine kleine Herberge entdeckt, die christlichen Pilgern Obdach bot. Nicht, dass sie über mangelnde Gastfreundschaft hätte klagen können, aber die Tage verstrichen nur langsam, und immer noch lief kein Schiff ein, auf dem sie ihre Reise hätte fortsetzen können.
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