Die Arbeitsbedingungen von Models sind vielleicht als gutes Beispiel einer prototypischen psychoökonomischen Entwicklung zu verstehen und zeigen Entfremdungen von Menschen von sich selbst und den eigenen Fähigkeiten einleuchtend auf, wie sie in allen Berufen unter kapitalistischer Produktionsweise letztendlich resultieren. Solange Menschen im Produktionsprozess stecken, ihre Arbeitskraft verkaufen können und ,relative‘ Freiheiten der Berufsausübung dabei genießen, mag ihnen dies nicht so auffallen. Spätestens dann, wenn Veränderungen in der Branche deutlich werden und der Arbeitsplatz in Gefahr gerät, wird das Verhältnis zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern sehr deutlich und ist nicht mehr zu verleugnen. Ebenso wenig wie der Kapitalismus, in dem wir alle auf die eine oder andere Art stecken und damit verwachsen sind. Denn, sind die Menschen entlassen, haben sie immer noch die gleichen Fähigkeiten, können aber erst mal nichts damit anfangen. Der ehemals elegante, charmante ältere Herr, der in einer Firma die Produkte bei Kunden anpries und sehr gut verkaufte, ist immer noch elegant, charmant und hat haushohe Kenntnisse in der Branche. Was macht er, wenn er durch einen smarten, eloquenten jungen Mann ersetzt wird? Nichts. Er ist zu alt, noch einmal woanders anzufangen. Sein Charme und seine Kenntnisse sind nun für den Freundes- und Familienkreis. Egal, wie begehrt sie vorher als Arbeitnehmer waren, diese Zeit ist vorbei. Haben sie ein bestimmtes Alter erreicht, bekommen sie keine Gelegenheit mehr im System, diese Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmale einzusetzen und zu Geld zu machen. Aus. Vorbei. So ist das.
Es trifft Männer wie Frauen.
Das Modell hat schlank, groß gewachsen, extrem untergewichtig und nichts sagend hübsch zu sein. Man muss sie frei gestalten können, damit sie in das eigene Konzept zum Ausdruck der Marke passt, die man verkaufen möchte. Chanel bevorzugt andere Frauen als Miu Miu oder ISSEY MIYAKE. Der Slogan ,EXPRESS YOURSELF‘ spiegelt eine falsche, oberflächliche Teilrealität wieder, die das Produkt und nicht den Menschen meint: Die Ausgabe im August von VOGUE hatte diesen Titel, wenn ich es richtig erinnere. Die Kleidung, die die Modells für die Fotografen vorführten waren gemeint. Das Portmonee wird in Form von Kleidern spazieren geführt und ist der begehrte, getrimmte weiße Pudel mit gepflegtem und gekämmten Krönchen in der Branche, die Selbstwert mit Geld kommuniziert.
Die Anforderungen an Models bauen sich vor allen Dingen um das Körpergewicht von jungen Frauen auf, auf die Körpergröße und das Gesicht. Alles muss veränderbar und modellierbar sein, um alles aus dem Modell - der Schaufensterpuppe oder Gliederpuppe oder dem Männchen, wie es mittelniederländisch übersetzt mannekijn heißt - wie man es auf der Bühne bei der Repräsentation seines Produktes vor der Öffentlichkeit als Werbeträger vorstellen möchte, herausholen zu können. Passend zu den Kleidern werden sie geschminkt, oder zu Nacktszenen in eine Choreografie hinein bewegt durch Übungen. Spindeldürr empfinden sie sich immer noch zu dick. Gestört in ihrem Selbstbild und in der Wahrnehmung ihres Körpers, fühlen sie sich hässlich und fett. Hungern und landen als Magersüchtige oder anderweitig essgestört in Praxen und Kliniken. Es handelt sich um schöne, junge Frauen, die sich selbst nicht richtig wahrnehmen - diese Arbeitsbedingungen und die krankmachenden Folgen werden von mir als psychoökonomische Einflüsse oder Folgen bezeichnet, die als Ausfluss und Einfluss gegenwärtiger kapitalistisch Wirtschaft in politisch demokratischen Gesellschaften zu verstehen sind. Diesen jungen, kranken Frauen jubeln heranwachsende Mädchen zu und eifern ihnen nach - und werden gleichfalls krank. Die Modebranche geifert den blutjungen, mädchenhaften jungen Frauen nach, die oftmals nicht einmal als erwachsen gelten, um sie heran zu züchten zu Repräsentationen von Kleidern oder anderen Gütern. Früher in den Anfängen, wurden diese jungen Frauen, die oftmals selbst schöne Schneiderinnen waren, Mannequins genannt. Models gibt es aber auch als Vorführer auf Messen oder als Objekte von Fotografen als Fotomodelle und Medienmodellen der Magazine, aber auch in der Nackt- und Erotikbranche. Der letzte Skandal, ausgelöst von einem Politiker der SPD, der sich Fotos von kleinen, nackten Jungen besorgt hatte im Internet, ist noch nicht lange her. In diesen Branchen wird sehr viel Geld verdient. Die Models haben nur wenige Jahre, in denen sie gut verdienen können und danach müssen sie sehen, wo sie bleiben.
Diese junge Frauen spiegeln funktionell identisch in ihrer Psyche und Seele die gesellschaftlichen und ökonomischen Anforderungen in ihren Symptomen wider: Sie haben Puppen zu sein, die weder denken, noch fühlen, noch irgendetwas zu melden haben. Sie haben einfach nur die Funktion der Branche mit ihrem Körper auszudrücken. Sie ernähren ihn mangelhaft, damit er extrem untergewichtig bleibt, so mager, wie er gewünscht wird in der Branche. Eigene Vorstellungen sind weder erforderlich, im Gegenteil, sogar unerwünscht. Sie haben zu verkörpern, was der Chef oder die Chefin will. Sie haben zu sein, wonach das Produkt verlangt. Ihre Körper werden benutzt - die jungen Frauen benutzen ihre Körper genauso und stehen zu ihm in einem sehr distanzierten Verhältnis. Ihr Denken ist verzerrt und ihre Selbstwahrnehmung gestört. Sie sehen nicht mehr, dass sie junge, schöne Frauen sind und ihr Leben erst anfängt. Für sie ist es bereits zu Ende. Sie nehmen wahr, dass sie 20 Gramm zu viel auf den Rippen haben und reagieren überzogen hysterisch als seien sie über Nacht zu Michelinmännchen aufgeblasen worden. Ihre Psyche hängt an seidenen Fäden wie bei Marionetten und ihre Seele am Silberfaden an irgendeinem Gestirn, fest in fremder Hand. Sie wissen nicht, wer sie sind, was sie sind und ob sie irgendetwas werden. Erfolg oder Geld bringt ihnen nicht nahe, dass sie ein menschliches Wesen sind. Sie haben sich zu Puppen erzogen und nun sind sie Puppen. Dieser Prozess hat nicht einmal mit Selbstbewusstsein im philosophischen Sinne von Attribuierung auf bestimmte Fähigkeiten der Models zu tun - sich selbst als sich bewegende Kleiderpuppe zu definieren und zu hören, man sei gut über den Laufsteg gelaufen, sogar, ohne Stolpern oder hätte gut vor der Linse der Kamera gestanden, ist nicht das gleiche, wie wenn der Chef hört, wie gut seine Kollektion gelungen sei und er die Mädels ausgesucht hätte und dies am nächsten Tag in der Zeitung liest oder als Beifall fühlt - oder der Fotograf, der so exzellent das Spiel von Licht, Vorder- und Hintergrund verstehe einzusetzen, Vorzüge des Models hervorlocke und wie er die Kleidung zum Sprechen bringe, ja, hervorhole mit seinen Choreografien, einfach großartig! Tja. Newton ist so ein Könner. Egal, wie schön und interessant die Frauen sind, er bleibt der Könner. Die Models wissen in der Regel, dass sie nur ein paar Jahre in dem erlauchten Kreis der Reichen und Berühmten verweilen. Nämlich genau bis die jüngeren Frauen kommen und sie ablösen. Sie gehören nicht zu dem Kreis, für den sie gearbeitet haben: Weder zum Chef, noch zu dem Kundenkreis. Die jungen Frauen bekommen zu der Bestätigung, ,gut‘ zu sein, ,richtig‘ auszusehen und die ,Figur‘ super ist, gleichzeitig die Gewissheit der Endlichkeit geliefert. Diese ungewisse Mixtur über ihre Person und ihr Sein versetzt sie nie in einen psychischen Zustand vergleichbar mit einer Blume, die den Zenit erreicht und sich im Sonnenlicht rekelt, ihre Farben voll bis in den letzten Millimeter ihrer zarten Blütenblätter ausfährt und zu voller Größe und Schönheit erstrahlt. Nein, die Models bleiben cool. Je zurückhaltender, desto sicherer sind sie in ihrem zerbrechlichen Gehäuse.
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