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1. Auflage 2015
© Neue Osnabrücker Zeitung
Redaktion: Burkhard Ewert (Ltg.), Uwe Westdörp; Carmen Vosgröne (Archiv/Produktion); Julia Knieps (Koordination)
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ISBN: 978-3-7375-7565-2
Bildquellenverzeichnis: picture alliance / dpa (45), Kurt Löckmann (1), Paul Petschkuhn (1), privat (1)
Ein großer, ein einzigartiger Mann ist von uns gegangen: Helmut Schmidt, Zeit Lebens ein ebenso kluger wie kantiger Politiker, Staatsmann, Publizist und Denker. In Erinnerung bleiben seine überragenden Fähigkeiten als Krisenmanager: Die große Flut in Hamburg, schwere weltweite Wirtschaftskrisen und die Rote Armee Fraktion (RAF) zählten zu den Herausforderungen, denen er sich stellen musste. Unvergessen bleibt aber zugleich „Schmidt Schnauze“, der zuspitzende und scharfsinnige Redner.
Auch bei Wahlkampfauftritten im Raum Weser/Ems mobilisierte Schmidt zehntausende von Menschen. Zudem stand er unserer Redaktion immer wieder in Interviews Rede und Antwort. Wie wurde er, was er war? Wie haben ihn die Menschen vor Ort erlebt? Mit einer Mischung von Originaltexten aus unserer Zeitung und Hintergrundinformationen über Helmut Schmidt zeichnen wir seinen Lebensweg nach und verfolgen die vielfältigen Spuren auch in unserer Region.
Eine interessante Lektüre wünscht
Ihr Ralf Geisenhanslüke
Chefredakteur Neue Osnabrücker Zeitung
Der NOZ-Kommentar zum Tode Helmut Schmidts am 10. November 2015
Von Burkhard Ewert
Die Flut. Loki. Zigaretten. Mogadischu, Stammheim und die Schiffermütze. Der Brahmsee. Der Scheitel. Seine Jugend im Nazi-Regime, die steten und strengen Mahnungen zur Welt- und Wirtschaftspolitik. Sie werden fehlen. Helmut Schmidt ist tot. Deutschland trauert.
Sein Leben illustriert eine kleine Episode: Wie für Hamburger üblich, lehnte er nach dem Ende seiner Amtszeit als Kanzler das Bundesverdienstkreuz ab. Das war Bescheidenheit, einerseits. Dem Staat zu dienen, war ihm Pflicht. Sie verlangte nicht nach Ehrung. Und doch war da Stolz. Eine Ehrung zum Anheften, ihm, dem Bürger der Freien und Hansestadt von einer äußeren Obrigkeit verliehen; auf solchen Tand konnte Schmidt getrost verzichten.
Tatsächlich: Nötig hatte er solcherlei Ehrungen nie. Uneitel war er trotzdem nicht. Aber lieber, als einen Orden zu tragen, rühmte er sich seiner Haltung und Härte, Bodenhaftung und Bescheidenheit. Daneben schmückte er sich mit politischen und persönlichen Freundschaften in aller Welt; Autokraten eingeschlossen.
Die Bewunderung für ihn war groß, die Anerkennung riesig. Ob es immer auch Liebe war? Kühl war Schmidt als Mensch, klar in der Analyse, knapp und kantig im Ausdruck. Er war eine Persönlichkeit aus einer anderen Zeit. Hanseat statt Hampelmann, mehr Bismarck als Obama. Wer ihn erleben durfte, wird ihn nicht vergessen. Schmidt ist Legende.
Einleitung: Eine deutsche Instanz
Von Uwe Westdörp
Von scharfem Verstand, eisern, mutig, angriffslustig: Helmut Schmidt war als Bundeskanzler geachtet, aber nicht beliebt. Den Gipfel seiner Popularität erreichte er erst lange nach dem Ende seiner politischen Laufbahn. Als erfahrener Ratgeber und geschätzter Publizist war der Sozialdemokrat eine deutsche Instanz. Das Beste kam zum Schluss.
Osnabrück (NOZ)- So kannte man Helmut Schmidt: In Zigarettenrauch gehüllt, ernst und jedes Wort wägend – als gelte es, fortwährend unumstößliche Wahrheiten zu formulieren. Als wäre er aus der Zeit gefallen, setzte der eigensinnige Hanseat sich lässig über alle Rauchverbote hinweg. Politisch und intellektuell war er indessen bis ins hohe Alter auf der Höhe der Zeit. Ja, sein Ansehen stieg von Jahr zu Jahr.
Kurz vor seinem 95. Geburtstag im Dezember 2013 erklärte eine Umfrage-Mehrheit Helmut Schmidt sogar zum bedeutendsten Bundeskanzler der Bundesrepublik – vor Konrad Adenauer, Willy Brandt und Helmut Kohl. Dass die drei Vorgänger historisch mehr bewirkt hatten, trat in den Hintergrund. Schmidt bestach bis zuletzt durch scharfen Intellekt und Geradlinigkeit. Hochgelobt erhob er sich als umfassend gebildeter Publizist, gefragter Redner und „Orakel von Hamburg-Langenhorn“ in höchste Sphären der öffentlichen Wertschätzung.
„Meine Fehler habt ihr verschwiegen, euer Lob habt ihr weit übertrieben“, monierte der Altkanzler 2013 nach seinem 95. Geburtstag. Zu allzu großer Bescheidenheit neigte er aber zeitlebens nicht: „Mir ist der eigene Geltungsdrang durchaus bewusst“, bestätigte er noch als alter Mann.
Helmut Schmidt habe ihm stets Orientierung gegeben, lobte Gerhard Schröder. Henry Kissinger, der unter anderen für John F. Kennedy gearbeitet hatte, nannte Schmidt „einen der bedeutendsten Männer, die ich kennenlernen durfte“. Und Bundespräsident Joachim Gauck gratulierte zum 95. mit den Worten, Schmidt werde „zu Recht in die Geschichtsbücher eingehen“.
Die erste große Stunde des Hanseaten schlug, als seine Heimatstadt Hamburg 1962 von einer schweren Sturmflut heimgesucht wurde. Als Polizeisenator riss Schmidt zentrale Entscheidungsvollmachten an sich und koordinierte die Hilfsmaßnahmen. Auch Bundeswehrsoldaten beteiligten sich auf Drängen des Senators an der Rettung von Flutopfern, obwohl solche zivilen Einsätze der Truppe damals rechtlich noch nicht abgesichert waren. O-Ton Schmidt: „Ich habe das Grundgesetz nicht angeguckt in jenen Tagen.“
Im Bundestag, dem er von 1953 bis 1962 und von 1965 bis 1982 angehörte, machte der Sozialdemokrat sich als Verkehrs- und Militärexperte einen Namen. Entschieden lehnte er eine atomare Bewaffnung der Bundeswehr ab, scharf attackierte er den damaligen Verteidigungsminister Franz Josef Strauß (CSU). „Ich bin der Mann mit der schnellen Schnauze“, sagte er über sich selbst.
Als „Schmidt Schnauze“ nahm der angriffslustige Sozialdemokrat freilich nicht nur politische Gegenspieler hart an, sondern auch politische Freunde. „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“, ätzte Schmidt – ein Seitenhieb auf Willy Brandt. „Es war eine pampige Antwort auf eine dusselige Frage“, so Schmidt Jahrzehnte später in einem Interview.
Am 16. Mai 1974 übernahm er nach dem Rücktritt von Brandt erstmals das Amt des Bundeskanzlers. Schwere Wirtschaftskrisen und der Terrorismus der Roten-Armee-Fraktion (RAF) wurden zu seinen größten Herausforderungen. Schmidt ging die Probleme mit kühler Konsequenz an. Sein Credo: „In der Krise beweist sich der Charakter.“
In Fortsetzung der Brandt’schen Entspannungspolitik unterzeichnete Schmidt im August 1975 die Schlussakte der „Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ in Helsinki. Doch war er auch mit neuen Spannungen konfrontiert: 1979 marschierte die UdSSR in Afghanistan ein.
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