DAS meinte wohl das kleine Männchen damit, als es sagte: "Es sei einfacher das Haus zu finden, als dort hinein zu gelangen!“ , dachte der Junge bei sich. Jetzt war guter Rat teuer. Wie kommt man in ein kleines Häuschen, das davonläuft, wenn man es betreten will? Joshua überlegte kurz. Rufen konnte er nicht, da sein Mund verschlossen war. Rennen oder Schleichen funktionierte ebenso wenig. Was konnte nur die Lösung sein?
Er drehte sich um und kratzte sich am Kopf. Langsam hatte er genug von diesem Abenteuer. Für kurze Zeit überlegte Josh, ob er nicht einfach wieder nach Hause gehen und Ritter Alfons um Hilfe fragen sollte. Es gab nicht viele Möglichkeiten für ihn.
Letztendlich entschied er sich dafür umzukehren und lenkte seine Schritte heimwärts. Plötzlich vernahm er ein Rascheln. Vorsichtig spähte er über seinen Rücken. Das Haus...... es verfolgte ihn! Damit konnte er nun gar nichts anfangen. Wenn er stehen blieb, blieb das Häuschen ebenfalls stehen. Drehte er sich um, rannte es weg. Es war wie verhext. Auf einmal hatte Joshua eine Idee. Wenn ihm das Haus folgte, wenn er mit dem Rücken zu ihm stand, dann konnte er vielleicht rückwärts zum Haus gehen, ohne das es davon lief?
Auf diesen Versuch ließ es der Junge ankommen. Langsam und sehr behutsam ging er Schritt für Schritt rückwärts auf das Häuschen zu. Und tatsächlich...er kam immer näher und das Haus bewegte sich nicht mehr fort. Nach einigen Minuten des Bangens und rückwärts Pirschens, stand Joshua endlich vor der Tür, drehte sich um und betätigte einen Knopf auf dem geschrieben stand, dass man ihn drücken sollte.
Ding Dong! Es passierte erst einmal gar nichts. Der Junge probierte es erneut. Ding Dong, Ding Dong hallte es laut hinter der Tür hervor. So ein Geräusch kannte Josh überhaupt nicht. Eigentlich kannte er noch nicht einmal den komischen Knopf, auf den er da drückte. So etwas gab es in seiner Burg nicht. Wahrscheinlich wäre er auch nie auf die Idee gekommen, darauf zu drücken, wenn es nicht auf dem runden Knopf gestanden hätte.
Zwar konnte der Junge nicht besonders gut lesen, aber diese paar Buchstaben bekam auch er noch zusammen. Als sich nach einer Weile nichts regte, wollte Joshua anklopfen, doch auch dies gestaltete sich schwieriger, als er dachte. Jedes Mal, wenn er mit seiner Faust gegen die Tür klopfen wollte, verbog sich diese so sehr, das er ständig an ihr vorbei schlug. Es war zum heulen. Jetzt hatte er es tatsächlich bis zum Eingang geschafft und kam dennoch nicht hinein! Wütend betätigte er abermals den Knopf.
Ein paar Minuten später öffnete sich die Tür. Hamurabi stand erschöpft da: „Mal langsam mein Junge, ein alter Mann ist schließlich kein Rennpferd mehr. Ich musste erst einmal die ganzen Stufen aus dem Keller herauf kommen. Das dauert schon seine Zeit, ich bin ja nicht mehr der Jüngste.“ Zwinkernd schaute er Joshua an: „Na, mein Junge, hast du dir alles noch einmal durch den Kopf gehen lassen? Willst du mir etwas sagen?“ Der Zauberer lächelte dabei verschmitzt und betrachtete den Jungen.
Joshua stand wie gelähmt da. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er ja immer noch nicht sprechen konnte. Wie sollte er sich dann bei Hamurabi entschuldigen? Er war völlig verwirrt. Die Beule am Kopf, die er davon getragen hatte, weil er gegen einen Baum gerannt war, ...ein Haus, das davonlief, ...ein Zauberer, der aus einem Keller kam, den es in diesem Häuschen gar nicht geben hätte dürfen, ...eine Entschuldigung, die er nicht aussprechen konnte, weil der Mund verschlossen war und das fehlende Essen..... ja, ...das alles war zu viel für den Jungen und er sank ohnmächtig auf der Schwelle der Eingangstür in sich zusammen. Hamurabi konnte Joshua gerade noch auffangen und sanft hinlegen, so dass er sich nicht verletzte.
Joshua öffnete nur langsam seine Augen. Er wusste nicht genau, wo er sich befand. Im Moment lag er auf einem riesigen blauen Sofa und sein Kopf dröhnte. Hamurabi saß auf einem Stuhl daneben und beobachtete ihn über seine Brille hinweg. Seine Miene hellte sich etwas auf, als er bemerkte, dass Joshua wieder zu sich kam. Der Zauberer hatte sich große Sorgen gemacht.
„Na, mein Junge, hast du dich wieder erholt?“ , wollte er besorgt wissen. Josh setzte sich mühsam auf und stützte sich auf seinem Ellenbogen ab: „Was ist passiert? Wo bin ich denn?“ „Du bist bei mir zu Hause. Du hast geklingelt. Weißt du das nicht mehr?“ , antwortete Hamurabi. Der Junge schüttelte irritiert den Kopf, er konnte sich weder an den alten Mann, noch an das erinnern, was jener Klingeln nannte. Er wusste wirklich gar nichts mehr.
„Ich denke, du wolltest dich dafür entschuldigen, dass du frech zu mir warst. Und bestimmt wolltest du auch deine Stimme wieder haben?“ Der Zauberer schmunzelte ein wenig und rückte dabei seine Brille zurecht. Erschrocken zuckte Joshua zusammen, plötzlich kam sein Gedächtnis zurück. Er erinnerte sich wieder daran, wie ihm Hamurabi den Mund verzauberte und das er sich dann auf den Weg zum Zauberwald gemacht hatte. Vorsichtig wischte er mit einer Hand über seine Lippen.
„Ja, ja, dein Mund funktioniert schon wieder wie vorher,“ , stellte der alte Zauberer fröhlich fest: „du hast doch eben auch schon gesprochen. Ich habe dich natürlich längst wieder zurückverwandelt.“ Erleichtert atmete Josh auf und blickte dankbar zu Hamurabi hinüber. „Und...hast du mir nichts zu sagen, jetzt, wo du wieder sprechen kannst?“ , hakte der Zauberer nach. Obwohl Joshua noch ziemlich erledigt war, quälte er sich hoch, damit er ordentlich saß. Er räusperte sich kurz. „Also, sehr geehrter Herr Hamurabi, äh... Herr Zauberer Hamurabi. Ich würde mich gerne bei ihnen ...entschuldigen, weil ich ihnen nicht geglaubt habe, dass sie ein ...großer Zauberer sind. Es tut mir furchtbar leid. Bitte, bitte, verzaubern sie mich nicht wieder!“
Man konnte über Hamurabi so ziemlich alles behaupten: dass er vergesslich war, ab und zu sogar jähzornig, schusselig, alt oder klapprig, aber eines war der große Zauberer eigentlich niemals, nämlich nachtragend. Hamurabi reichte Joshua die Hand zur Versöhnung und damit war für ihn die Entschuldigung angenommen. Josh atmete erleichtert auf. Es schien, als hätte sich für ihn alles zum Guten gewendet.
Neugierig interessiert, erkundete er den Raum, in dem er sich gerade befand. Das Zimmer sah seltsam aus. Obwohl es keine Fenster oder Lampen gab, war es taghell. Die Bücher an der Wand standen nicht wie gewöhnlich in Regalen, nein, sie schwebten einfach in der Luft. Jedoch waren sie alphabetisch geordnet. Von A bis Z. Da ließ der Zauberer nichts auf sich kommen. Joshua blickte sich weiter um. Auch hier, war irgendwie alles anders, als anderswo.
Die Tische und Stühle hatten keine Beine, genauso wenig wie das Sofa, auf dem er sich befand. Alles schwebte völlig unerklärlich in der Luft. Als er nach dem Grund fragte, gab Hamurabi eine einleuchtende Erklärung dafür ab: „Wenn ich den Boden wische, dann sind die Beine immer nur im Weg. So ist es viel einfacher, alles sauber zu halten.“ Davon konnte Joshua ein Lied singen, denn er kannte dieses Problem aus dem Zimmer von Ritter Alfons. Oft genug stieß er sich dort beim Wischen die Knie an den Tischbeinen oder verhakte sich mit seinem Besen daran.
Der Zauberer hatte recht, solange die Dinge alle schwebten, war es viel einfacher, unter ihnen sauber zu machen. Doch dies war längst nicht alles, was in diesem Raum verwunderlich war. Überall standen merkwürdige Gläser oder kleine Ampullen herum. In jeder Ecke kochte oder brodelte etwas. Wahrscheinlich kamen daher auch die seltsamen Gerüche, die Joshua nun langsam wahrnahm. Fragend blickte er zu dem alten Mann.
Hamurabi hatte längst bemerkt, dass sich Joshua für die Dinge, die hier herum standen, interessierte.
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