Joshua verbeugte sich dankbar vor seinem Ritter und schüttelte ihm zum Abschied die Hand. Dieser wiederum klopfte seinem Knappen auf die Schultern und schickte ihn los.
„Aber lass dir von ihm keine Flausen in den Kopf setzen, hörst du?“ , schrie der alte Ritter Joshua noch warnend hinterher, doch es war zu spät. Der Junge war längst die Treppe hinunter gerannt und schon dabei, die Brücke zu überqueren. Erneut beschwerten sich die Wachen darüber, dass der Junge nicht grüßte. Joshua machte sich auf den Weg. Er war fest entschlossen, seine Stimme zurückzubekommen.
3. Der schwere Weg zur Entschuldigung
Der Weg war beschwerlich und weit, und Joshua orientierte sich an der untergehenden Sonne. Er folgte ihr über Berge und Täler. Nach einigen Stunden erreichte er endlich sein Ziel. Es dämmerte schon leicht und der Wald war dem Jungen unheimlich. Sonderbare Farben sprühten daraus hervor. Man konnte es fast mit einer Silvesterrakete vergleichen, die am Nachthimmel explodierte, nur, dass es im Wald irgendwie merkwürdiger funkelte.
Auf einen schmalen Weg, der auf ein Tor aus Sträuchern zulief, betrat der Junge den unheimlichen Wald. Vorsichtig schlich er voran. Leicht gebückt ging er vorwärts. Joshua fürchtete sich ein wenig, denn hier war nichts, wie es sein sollte. Man möchte meinen, umso tiefer man in einen Wald hineingeht, desto dunkler sollte es werden. Aber so war es hier nicht, ...ganz im Gegenteil. Es wurde immer heller. Dies erschien noch ungewöhnlicher anhand der Tatsache, dass die Sonne am Himmel fast verschwunden war.
Josh ging langsam weiter, drehte sich dabei jedoch ständig im Kreis. Von überall her hörte er die seltsamsten Geräusche. Er fühlte sich sehr unwohl in seiner Haut. Der Junge lief eifrig voran und folgte dem schmalen, steinigen Weg der vor ihm lag, aber an einem Haus kam er dabei nicht vorbei. Vor Wut hätte er schreien können, aber...das konnte er ja nicht. Sein Mund war immer noch verschlossen.
Völlig verzweifelt sank Joshua zu Boden. Was sollte er jetzt nur tun? Eine dicke Träne rann an seiner Wange entlang und tropfte auf die Erde. Traurig blickte er ihr hinterher. Doch was war das? Joshua traute seinen Augen nicht. Dort, wo die Träne den Boden berührte, wuchs augenblicklich eine kleine Pflanze heran. Sie wurde größer und größer, immer schneller. Man konnte ihr beim Wachsen zusehen.
Als sie etwa zehn Zentimeter groß war, bildete sich eine hübsche violette Blüte. Voller Neugier beugte sich Josh zu ihr hinunter. Die Blume sah hübsch, aber auch irgendwie sonderbar aus. Er roch an ihr. „Hm, die riecht nach gar nichts!“ , stellte er bedrückt in seinen Gedanken fest. Behutsam tippte er an den Blütenkelch.
„Wer stört mich am späten Abend?“ , hörte Joshua ein zartes Stimmchen rufen: „Kommen sie ruhig herein!“ Erschrocken wich der Junge zurück. Damit hatte er nicht gerechnet und nahm erst einmal Abstand zu der Pflanze, die ihm auf einmal nicht mehr geheuer war.
„Ich habe gefragt, wer mich da stört?!“ , stellte die Stimme ungeduldig fest. Doch Joshua konnte nicht antworten. Genau deshalb war er ja hier in diesem merkwürdigen Wald, eben um seine Stimme wiederzufinden. Die Blüte fing an zu vibrieren und zu zittern. Der Stiel bog sich hin und her. Josh wich sicherheitshalber noch ein paar Schritte mehr zurück. Er traute dem Ganzen nicht. Angst machte sich in seiner Magengegend breit und kalter Schweiß lief ihm über den Rücken herunter. Seine Hände schwitzten vor Aufregung.
Urplötzlich gab es einen lauten Knall. Die Blütenblätter rissen auf und ein greller Lichtstrahl schoss in den Himmel empor. Joshua zuckte vor Schreck zusammen. Das Licht tanzte um den Blütenkelch und war genauso schnell wieder verschwunden, wie es erschienen war. Joshua rieb sich die Augen. Der helle Strahl hatte ihn stark geblendet. Als er langsam wieder sehen konnte, schaute er zur Blume hinüber, dort saß ein kleines, lustiges Wesen auf ihr drauf.
„Hast DU mich etwa gerufen?“ , fuhr das kleine Wesen den Jungen an: „Warum antwortest du denn nicht, wenn ich dich etwas frage?“ Da Josh nicht sprechen konnte, zeigte er auf seinen Mund und schüttelte dazu mit dem Kopf. Das kleine Männchen schaute den Jungen verwundert an, dann schien es zu begreifen: „Ach nein, da hat wohl wieder einer mal den Mund zu voll genommen, was? Bist du zufällig Meister Hamurabi begegnet?“ Joshua nickte verschämt. Warum in aller Welt wusste jeder über diesen Hamurabi Bescheid,...nur nicht er?
„Du willst sicherlich wissen, wie du zu seinem Haus gelangst?“ Der Junge nickte hoffnungsvoll. „Das ist nicht weiter schwer, ich kann dir helfen.“ , fuhr das sonderbare Männchen fort: „Ich schicke dir ein Licht, dass dich dort hinführt. Aber mach dir nicht all zu große Hoffnungen. Hamurabis Haus zu finden ist das eine, dort hinein zu kommen, ist etwas anderes und viel, viel schwerer, als man denkt. Aber das wirst du schon selber merken. Folge einfach dem Licht. Vielleicht sieht man sich ja mal wieder? Mach´s gut!“, sprach das Männchen und verschwand. Die Blüte schloss sich leise und zog sich sogleich wieder in die Erde zurück. Genauso schnell wie es erschien, verschwand es auch wieder von der Bildfläche.
Joshua verstand gar nichts mehr. Was hatte dieses komische Wesen da alles gesagt? Und wer oder was war das Kerlchen überhaupt? Wem oder was sollte er folgen? Doch ehe sich der Junge überhaupt sortiert hatte, bekam er eine Antwort darauf. Ein hellrot leuchtender Lichtstrahl kroch langsam am Boden entlang und bahnte sich seinen Weg durch den Wald. Dann wurde er schneller. Ohne zu zögern spurtete der Junge dem Lichtstrahl hinterher.
Das hört sich leichter an, als es tatsächlich war. Das Licht konnte ohne Schwierigkeiten über jeden Stein und unter jedem Busch hindurch gleiten.
Für Joshua gestaltete sich der Weg viel schwieriger. Er rannte Anstiege hinauf und wieder hinunter, krabbelte durch dornige Büsche und sprang über reißende Bäche hinweg. Total erschöpft erreichte er zu guter Letzt jenen Platz, von dem aus er gestartet war. Das Licht, .....es hatte ihn im Kreis geführt. Fassungslos und verbittert brach Josh zusammen. Doch er hatte etwas Wichtiges übersehen!
Obwohl er an der gleichen Stelle angekommen war, war es hier jetzt ganz anders. JETZT stand hier nämlich ein kleines uriges Haus, das sich hinter ein paar Bäumen versteckt hielt. Joshua war überglücklich und erleichtert, als er es bemerkte, auch wenn er sich ein wenig darüber wunderte.
Überstürzt und voller Vorfreude rannte er darauf zu. Und dann????? Das Haus erschrak sich dermaßen, das es ohne zu zögern aufstand und auf seinen zwei Beinen einfach davon lief. Entsetzt von dem, was Josh gerade sah, rannte er vor Schreck gegen einen Baum. Er hatte vor lauter Staunen beim Rennen einfach nicht aufgepasst. Der Aufprall streckte ihn nieder.
Leicht verwirrt kam er nach wenigen Minuten wieder zu sich. Er schüttelte benommen den Kopf. Nur verschwommen nahm er das Haus in einiger Entfernung war, dass sich mittlerweile wieder niedergelassen hatte. So, als hätte es sich niemals zuvor bewegt gehabt. Ungläubig rappelte sich Joshua auf. Hatte er eben tatsächlich ein Haus gesehen, dass vor ihm davon gelaufen war oder spielte ihm nur seine Phantasie einen Streich? Der Junge war sich nicht mehr sicher.
Auf Zehenspitzen pirschte er sich heran. Doch ob man es glaubt oder nicht, das kleine Häuschen stahl sich ebenso auf Zehenspitzen davon, wie der Junge angeschlichen kam. Je mehr sich Josh näherte, desto weiter entfernte es sich.
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