Jannis Oberdieck
Die Banalen und die Bösen
Eine politische Horrorgroteske
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Inhaltsverzeichnis
Titel Jannis Oberdieck Die Banalen und die Bösen Eine politische Horrorgroteske Dieses ebook wurde erstellt bei
Teil 1: Die Banalen Teil 1: Die Banalen Diejenigen, die entscheiden, sind nicht gewählt und diejenigen, die gewählt werden, haben nichts zu entscheiden. Horst Seehofer 2010 Wir leben ja in einer Demokratie und das ist eine parlamentarische Demokratie und deshalb ist das Budgetrecht ein Kernrecht des Parlaments und insofern werden wir Wege finden, wie die parlamentarische Mitbestimmung so gestaltet wird, dass sie trotzdem auch marktkonform ist. Angela Merkel 2011
1 - Eine Bedrohung der inneren Sicherheit
2 - Von der neuen Achse des Bösen
3 - Ein Staatssekretär erwacht
4 - Die Vorteile einer gesunden Distanz zum Volke
5 - Ein idealistischer Weltverbesserer
6 - Visionen blühender Landschaften
7 - Pläne für eine neue Welt
8 – Ein unmoralisches Angebot
9 - Einige Überlegungen zum Freihandelsabkommen
10 - Politiker auf Probe
11 - Eine Koalition der Willigen
12 - Im Schattenkabinett
13 - Notstand
14 - Ein zwangloser Gedankenaustausch
15 - Manöverkritik
16 - Fraktionszwang
17 - Schatten zukünftiger Ereignisse
18 - Ein Experte wird hinzugezogen
Teil 2: Die Bösen
20 – Eine interessante Definition von Souveränität
20 – Eine interessante Definition von Souveränität
21 - Unter Freunden
22 - Guantanamo Blues
23 - Unter den Augen Adenauers
24 - Zeit für ein Geständnis
25 - Die wirtschaftlichen Vorteile von Zeitreisen
26 - Unter den Berg
27 - Gespenster der Vergangenheit
28 - Einige sonderbare Beobachtungen
29 - Vom zwanghaften Idealismus
30 - Einteilung der Teams
31 - Durch das Dämonenportal
32 - Die letzten Tage der Menschheit
33 - Bibliothek des Bösen
34 - Heldentod
35 - Flucht mit viel Geballer
36 - Abschied
37 - Ein persönliches Armageddon
38 - Pläne für eine neue Welt II
Impressum neobooks
Diejenigen, die entscheiden, sind nicht gewählt und diejenigen, die gewählt werden, haben nichts zu entscheiden.
Horst Seehofer 2010
Wir leben ja in einer Demokratie und das ist eine parlamentarische Demokratie und deshalb ist das Budgetrecht ein Kernrecht des Parlaments und insofern werden wir Wege finden, wie die parlamentarische Mitbestimmung so gestaltet wird, dass sie trotzdem auch marktkonform ist.
Angela Merkel 2011
1 - Eine Bedrohung der inneren Sicherheit
Kennen Sie das Ministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit in Berlin, Stresemannstraße 128? Keine Angst, das Gebäude selbst ist weit weniger zusammengewürfelt als sein Name. Im Gegenteil zeigt es einen beeindruckenden und alles zusammenhaltenden Willen zu gemeinsamer Gestaltung, durchaus durchdacht und vielleicht sogar tiefschürfend. Als sechsstöckiges Eckhaus mit glatter Sandsteinfassade in etwas, das ich als gedämpftes Beige zu bezeichnen mir angewöhnt habe, erinnert es schnell und eher ungut an eine Zitadelle: Ein Eindruck, der sich durch asymmetrisch tief eingelassene Schießscharten schmal-langgezogener Fenster und einen ummantelten Erker ganz oben, der trefflichst für ein Ausgießen siedenden Öls geeignet wäre, ungemein festigt. Tatsächlich sind diese Fenster so schmal, dass, wenn auch der schmalste unserer Mitarbeiter sich von innen davorstellte, nur der mittlere Ausschnitt seines Torsos zu sehen wäre.
Realiter bleibt jedoch selbst dieser reduzierte Anblick jeglich neugierigem Blick Auswärtiger entzogen, da man die Scheiben komplett verspiegelte. Das führt zu einem hübschen Effekt: Steht man unten vorm Gebäude, sind sämtliche Schießscharten erfüllt vom Himmel über Berlin in seinem wolkigen Grau oder Braun, gelegentlich gar Blau – sämtlich also Farben, die dem gedämpften Beige aufs Vortrefflichste kontrastieren. Man gewinnt so den Eindruck einer Trutzburg inmitten städtisch-verbauter Landschaft, hinter deren Fassade die Natur selbst souverän herrscht und majestätisch ihr Antlitz zeigt. Sehr hübsch für ein Umweltministerium, wirklich. Für diesen Effekt hat man gerne einen begrenzteren Lichteinfall der straßwärts gelegenen Büros in Kauf genommen.
Wichtigere Mitarbeiter hingegen residieren abgewandt vom Rest der Bevölkerung weiter innen, ihre Büros geballt um einen großzügig gestalteten Lichthof in Gebäudemitte. Hier ist von Natur deutlich weniger zu spüren: Über den spiegelnd-graugefleckten Marmor des Bodens zieht einzig das diffuse Schattenspiel der Wolken jenseits des überdachenden Glases, witterungs- und klimafrei sogar für Allergiker geeignet. Dank dieser mangelnden Witterungseinflüsse sind hier die deutlich mehr Licht aufnehmenden Fenster verspielt in hellem Holz gehalten, das in Verbindung mit dem strahlend-weiß stuckierten Außenputz recht deutlich Erinnerungen an helle, freundliche Ferienanlagen evoziert. Hell, heiter und klar – so soll hier gearbeitet, ja: gelebt werden.
Geht man im sechsten Stock den säulengesäumten Rundgang um diesen Lichthof entlang, so ist es fast atemberaubend, wie wenig die Mehrfachverglasung des Dachs vom alltäglichen Lärm Berlins sowie der derzeit waltenden Hitzewelle durchlässt: eine Oase der Stille, einzig durchbrochen vom gelegentlichen Trippeln geschäftiger Ledersohlen auf Marmor, ab und zu aufgeraut vom Rauschen eines einzelnen Flugzeugs als Zeugen der fortwährenden Existenz einer Außenwelt. Wahrlich, vergleichbare Architektur schuf man nur einst in der Antike, um jeden Besucher sogleich auf Größe und Majestät jener Götter einzustimmen, die verloren in ihren mystischen und unfassbaren Gedanken im Inneren der Tempel warteten.
Daran hat sich bis heute nur wenig geändert. Ich gehe, ja: durchschreite diesen prunkvollen Säulengang (ministeriumsintern als „Canossagang“ bezeichnet) auf dem Weg hin zu meiner Ministerin, deren dringender Ruf mich sogar in den Untiefen der dritten Etage noch ereilte. Und meiner Erfahrung nach kann sie es an Orakelhaftigkeit durchaus mit einstigen Göttern aufnehmen.
Doch ich möchte mich nicht beklagen, so etwas setzt sich schnell als Berufsgewohnheit fest. Alles in allem gefällt es mir gut hier im neuen Gebäude, dem ersten niedrigenergetischen Passivhaus einer Bundesbehörde, flammendem Wahrzeichen ökologischerer Zukunft. 2011 zog meine Abteilung, die Abteilung Z, vom Hauptgebäude in Bonn aus nach Berlin: Die Zentralabteilung ist nämlich stets an der Seite des jeweils amtierenden Ministers, um als verlängerter Arm und Kommandostand fungieren zu können. Und die Minister ihrerseits müssen nach Berlin, ins pulsierende Herz unserer Demokratie, um sich so gut wie möglich in Fäden und Kontakte zu verstricken. Denn Ministeriumsarbeit ist heutzutage diffizil geworden: keine reine Verwaltungstätigkeit mehr, weltabgewandt dank Aktenkontakt, sondern gestaltend , wie es so schön heißt. Es gilt, Interessen und Wünsche einflussreichster Akteure mitunter zu erahnen, ehe diese selbst sie artikulieren und vielleicht knirschender Sand reibungslose Zusammenarbeit beeinträchtigt. Eine Tätigkeit, die viel mit Intuition und augurenhafter Deutung insignifikantester Zeichen zu tun hat, mit einem Wort: Politik eben. So gesehen gleicht die Ministerin bei Licht besehen vielleicht doch eher einer Oberpriesterin, beschäftigt mit ihrer Interpretation erratischer Omen und stetig am Spinnen roter Fäden, ihr inneres Ohr berauschend auf höhere Sphären ausgerichtet. Dabei stets begleitet und unaufdringlich geleitet von mir, der ich mit Hilfe meiner Abteilung ihren schlingernden Kurs in die Bahnen von Recht- und Gesetzmäßigkeit zurückzuholen versuche – eine zunehmend schwierigere Aufgabe, leider.
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