Duri Rungger
Fatale Manipulation
Verdächtiger Todesfall in Flims
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Inhaltsverzeichnis
Titel Duri Rungger Fatale Manipulation Verdächtiger Todesfall in Flims Dieses ebook wurde erstellt bei
1 Unsaubere Konkurrenz
2 Kongressgeflüster
3 Enge Freundinnen
4 Vermeintlicher Durchbruch
5 Gefälschte Resultate
6 Vitamin B
7 Überfällige Sanierung
8 Einsamer Weihnachtsabend
9 Kalte Winternacht
10 Fatale Nebenwirkung
11 Leichter Heimvorteil
12 Spärliche Indizien
13 Herber Verlust
14 Trauernde Witwe
15 Fanatischer Tierschützer
16 Lose Enden
17 Abendliche Besprechung
18 Begabte Wissenschaftlerin
19 Motorisiertes Attentat
20 Faule Ausreden
21 Dringliche Suchaktion
22 Fixe Idee
23 Rücksichtsvoller Giftmischer
24 Verschollene Geliebte
25 Lange Flaute
26 Verzweifelter Ausweg
27 Bedauerliches Missverständnis
Begleitwort und Dank
I Transportprotein
II Gentransport in die Eizelle
III CRISPR-Cas9
IV Genetischer Austausch
V Korrektur einer letalen Mutation
VI Der Wechselbalg
VII Genetischer Code
VIII Korrektur der Pax6AEY11 Mutante
IX Gentransport in Krebszellen
Inhaltsverzeichnis
Impressum neobooks
Fred Sutter trommelte nervös auf das lederne Lenkrad seines Sportwagens. Die Verabredung mit Dr. Ward versprach nichts Gutes. Der Besitzer der «BioEnds» hatte ihn zu einer Besprechung über finanzielle Aspekte eingeladen, ohne durchblicken zulassen, worum es gehen sollte. Da sein Start-up dringend eine Finanzspritze benötigte, durfte Sutter nicht wählerisch sein, auch wenn er Ward nicht kannte. Ein Kollege hatte ihn zwar gewarnt, der Amerikaner sei ein schmutziger Winkeladvokat, der noch nie etwas Wissenschaftliches publiziert habe. Seine Firma «BioEnds» diene nur als Fassade, um bei jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit andere Unternehmen mit Plagiatsvorwürfen und sonstigen imaginären Vergehen zu erpressen.
Sutter wäre bestimmt nicht eigens angereist, um diesen zweifelhaften Forscher zu treffen, doch da er sowieso an einem Kongress in Basel teilnehmen wollte, konnte er die Sache ohne Aufwand erledigen. Bei seiner Ankunft sah er sich zuerst einmal den Betrieb Wards von aussen an. Die grosse Inschrift mit den Firmennamen war das Eindrücklichste an dem unscheinbaren, frisch gestrichenen Hangar. Anscheinend wurden dort immerhin ein paar Versuchstiere gehalten, denn als er ausstieg, erlitt er einen leichten Asthmaanfall, wie immer, wenn er in die Nähe von Mäusen kam. Er konnte unmöglich sein Auto vor dem Hangar stehen lassen und riskieren, dass Maushaare ins Innere gelangten. So suchte er anderswo nach einem Parkplatz.
Er fuhr sonst gern in seinem weissen, tief gesetzten Toyota GT mit Spezialspoiler, grossen Schürzen und breiten Felgen. Ein eleganter Schriftzug, Tuning by Frey.ch, verriet, dass er für seine Anschaffung mehrmals in den Aargau gereist war, um die Details abzusprechen. Den Ferrari, ein Geschenk seines Vaters zum Doktorexamen, hatte er verkauft, um Geld für die Firma locker zu machen. Doch unabhängig davon, in welchem Auto man sass, war die Suche nach einem freien Parkplatz in Basel offenbar so aussichtslos wie in Zürich und war ihm gründlich verleidet.
«Endlich!» Eine Frau öffnete die Tür ihres Autos und schickte sich an, unzählige Einkaufstaschen darin zu verstauen. Es war unglaublich, wie viel Zeit sie dazu brauchte. Sutter steuerte seinen GT in die freigewordene Lücke. Beim Aussteigen warf er einen Blick auf die Uhr. Er würde zwanzig Minuten zu spät bei Ward eintreffen, doch das kam ihm nicht ungelegen. Die Verspätung würde deutlich machen, dass er sich nicht so leicht beeindrucken liess.
Der dicke, kleine Mann mit roten Haaren in engem Anzug und zu kurzen Hosen musterte den grossgewachsenen, lässig aber elegant gekleideten Besucher eingehend und begrüsste ihn überschwänglich: «Welcome, dear Fred. It's a pleasure to meet you.» Er streckte Sutter die Hand hin und klopfte ihm mit der anderen sanft auf die Schulter.
Diese gönnerhafte Geste ging Sutter derart auf die Nerven, dass er schroffer als geplant antwortete: «Was das Vergnügen betrifft, habe ich so meine Zweifel», sagte er absichtlich auf Schweizerdeutsch.
Der Amerikaner, der seit fünf Jahren in Basel wohnte, sprach kein Deutsch und liess sich nicht beirren. «Please, come in.» Er führte seinen Gast in ein feudal eingerichtetes Büro und kam ohne Verzug auf sein Anliegen zu sprechen – natürlich in seinem breiten, amerikanischen Slang: «Heute stehen zwar ausgezeichnete Techniken zur Verfügung, defekte Gene zu reparieren, es ist aber immer noch umständlich, die intakte Donor DNA zielgerichtet in bestimmte Zellen einzuführen. Ich habe nun durch genetische Manipulation ein Protein Anhang Ikonstruiert, das Gene selektiv in Eizellen transportiert.» Mit einem bedauernden Achselzucken beteuerte er, diese Technik erfunden zu haben, einige Zeit bevor Sutter seine verblüffend ähnliche Lösung zur Patentierung angemeldet habe.
Ward erklärte, sein Gen Taxi verhalte sich wie Vitellogenin, ein Vorratsstoff des Eidotters, das in der Leber gebildet wurde und durch die Blutzirkulation in den Eierstock gelangte, wo es von Molekülen an der Oberfläche der Eizelle gebunden und ins Innere der Zelle transportiert wurde Anhang II. Das kurze Proteinsignal, mit welchem Vitellogenin an die Eizelle andockte, war in das Transportprotein eingebaut worden, und dieses wurde nun wie das Dotterprotein von den Keimzellen aufgenommen. Im Innern der Zelle sorgte ein weiteres Signal dafür, dass das Shuttle Protein mitsamt dem daran angehefteten Gen in den Kern befördert wurde. Ward unterliess es zu erklären, wie die DNA an das Transportprotein angebunden wurde, vielleicht um den Eindruck zu erwecken, er wolle dem Konkurrenten gewisse Tricks nicht preisgeben. Er schloss seine Ausführungen, indem er hervorhob, dass mit seiner Technik, genetische Manipulation in der Keimbahn durch eine einfache Injektion in die Blutbahn durchgeführt werden könne. Der kleine Einstich sei minimal invasiv und erst noch weit kostengünstiger als in vitro Befruchtung und Implantation genveränderter Embryonen.
Wenn Sutter nicht so verärgert gewesen wäre, hätte er laut gelacht. Die von Ward vorgebrachten Ausführungen standen fast wörtlich in seiner Patentanmeldung. Wenigstens hatte der Usurpator den Text brav auswendig gelernt und klar vorgetragen. Hielt er ihn für blöd? Doch warum versuchte Ward ausgerechnet jetzt, seine Firma schröpfen, um die es finanziell nicht rosig stand?
Vielleicht hatte er erfahren, dass ein Basler Biotech Labor beabsichtigte, eine Lizenz seines anhängigen Patents zu erwerben. Der Chef dieses Unternehmens, ein Freund von ihm, war daran interessiert, Gene in Hühner- oder Wachteleier einzuführen und Proteine von medizinischem Interesse für Testzwecke zu produzieren. Vielleicht hoffte Ward, von dieser Transaktion etwas für sich abzuzweigen.
Ward hatte in seinen Ausführungen nicht erwähnt, dass der gezielte Transport von Genen nur in Amphibien, Vögeln und anderen Arten funktionierte, die dotterreiche Eier bilden. Wenn es ihm wirklich gelungen wäre, die Technik auch an Säugern anzuwenden, hätte er dies hervorgehoben. Das hätte einen riesigen Fortschritt bedeutet und bewiesen, dass Ward seriöse Forschung betrieb. In diesem Fall hätte Sutter sich mit ihm arrangieren müssen. Seine Zürcher Gruppe versuchte zurzeit, leider vergeblich, das Transportprotein so zu verändern, dass es auch in Säuger-Eizellen einwanderte. Zudem war es seiner Equipe kürzlich gelungen auch CRISPR-Cas9 Genscheren an den Shuttle zu binden und zusammen mit der DNA in die Zellen einzuschleusen. Das Anschneiden des Gens, das man verändern wollte, erleichterte den genetischen Austausch um ein Vielfaches. Aber das würde er Ward nicht verraten.
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