1 ...6 7 8 10 11 12 ...23 Der Commissaire holte sein Handy hervor und drückte die Kurzwahltaste. Nach kurzer Wartezeit bekam er den gewünschten Gesprächspartner. Doch leider stellten sich die Agenten als wahre Interpol-Mitarbeiter heraus und ihm wurde klar, dass er womöglich den Bogen überspannt hatte. Verdammte Paranoia! Ich war mir so sicher, denn in der Anwesenheit dieses großen Kerls juckt meine Narbe! , dachte Bruno und steckte sein Handy enttäuscht ins Jackett zurück. Und nebenbei bekäme er von seinem Boss auch noch den Kopf gewaschen und würde den Vermutungen, die alle über ihn hegten, weiterhin Nahrung geben. Doch er würde nicht aufgeben, immerhin hatte er jetzt Gewissheit und wusste, dass er richtig lag. Hier war eindeutig etwas faul. Und wie es der Zufall so wollte, ertönte ein Klingeln aus Brunos Jackett. Unsicher suchte er, fingerte es heraus und nahm das Gespräch an.
»Etienne, du verdammter Vollidiot! Was fällt dir ein, in der Zentrale in Lyon anzurufen und an den Identitäten zweier Mitarbeiter zu zweifeln? Kannst du nicht lesen? Wo liegt dein Problem? Komm sofort in mein Büro. Herrgott, ich kann dir nicht ständig für deine Extratouren die Hand vor deinen eigenwilligen Arsch halten! Noch so ein Patzer und du bist raus aus dem Dienst! Lass die Interpol-Fritzen ihre Arbeit machen!«, fönte es aus dem Lautsprecher.
Vincent legte Bruno die Hand auf die Schulter, weil der völlig weggetreten in sein Telefon starrte und legte alles darin, die Agenten gnädig zu stimmen und das Ruder herumzureißen. »Meine Herren, ich nehme es Ihnen nicht übel, dass Sie mich als Hintern titulierten. Ich verstehe, dass Sie von außerhalb kommen und ohnehin heißt es, dass die Sprache ein Missverständnis ist. Wissen Sie, mein Kollege hat ein angeborenes Misstrauen allem gegenüber. Ich hoffe Sie nehmen unsere Entschuldigung an. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei Ihren Ermittlungen. Kaugummi?«, bot Vincent als Friedensangebot an.
Junge, Junge ... Ich lehnte sein Kaugummi ab, weil sich hinter meiner Stirn eine saftige Migräne zusammenbraute. Doch nun tat sich endlich etwas in dieser festgefahrenen Situation: Leider schwafelte sich Commissaire Legrand jetzt ebenfalls in Rage, oder jedenfalls versuchte er sich für das Tun seines Kollegen zu rechtfertigen, weil dieser uns nicht abnehmen wollte, dass wir von Interpol seien. Dabei habe ich das blöde Handbuch bis zum Abwinken studiert. Die Commissaires waren schon reizende Früchtchen, doch ihr Chef toppte sie noch um Längen. Aber er brachte Licht in die Dunkelheit ihres Unwissens. Und das aber gehörig. Der Kerl machte Bruno regelrecht lang und anschließend platt. Er drohte Bruno mit der Suspendierung, wenn er nicht die Finger von unserem Fall ließ.
Der Jüngere entschuldigte sich also bei uns und schenkte Barbiel sogar ein Kaugummi. Mein Partner, der Engelbert, nahm diese Gabe entgegen, als hätte man ihm einen Orden verliehen. Seine Augen glimmerten nahezu vor Rührung. Leider konnte ich nicht verhindern, dass er sich bei ihm bedankte, dieser Geriatrie-Patient!
»Selbstverständlich...nehmen wir die, die...Entschuldigung an. Das, was vorhin, äh...passiert ist, tut mir...aufrichtig ... leid. Es lag nicht...in meiner...Absicht, Sie in...irgendeiner...Form zu... beleidigen. Vielen Dank, auch wir wünschen Ihnen viel...Erfolg bei Ihren...Ermittlungen.«
Boah, was für ein stammelnder Vollpfosten! Wenigstens hat er ihn nicht wieder beleidigt. Brutus wurde vom dunkelhaarigen Kommissar getätschelt. Und Barbiel sah ebenfalls so aus, als wäre er gegen etwas Getätschel von Seiten des Polizisten nicht abgeneigt. Mich beachtete er nicht, sondern sprach nur mit dem Engel. Dabei musterte ich ihn immer noch ausgiebig. Hm, diese Gesichtszüge. Wo hatte ich die schon mal gesehen? Und wieso war er nicht eher eingeschritten?
Da ich mit dem Commissaire Bruno abgeschlossen hatte und er im Moment auch mit der Welt, wandte ich mich an seinen Partner. »Sie werden verstehen müssen, dass unsereins auch seine kleinen Geheimnisse hat, die bewahrt werden müssen. Geheimnisse zu haben, muss nicht immer etwas Negatives sein. So manchem hat dieser Umstand schon das Leben gerettet. Das liegt sicherlich auch in Ihrem Interesse. Sie verstehen? - Leben zu retten. Und denken Sie daran, die Uniformierten mitzunehmen wenn Sie gehen.«
Diese eindeutig zweideutige Botschaft ließ ich im Raum stehen, damit sie noch eine kleine Weile wirken konnte. Wahrscheinlich verstand unser scharfsinniger Commissaire Vampir, was ich mit diesen Worten ausdrücken wollte. Frei nach Schnauze: Wenn du mich enttarnst, enttarne ich dich. Er konnte wirklich froh sein, dass ich nicht mehr für meinen alten Dienstherren, Lord Seraphim, arbeitete. Wenn dies der Fall gewesen wäre, lägen jetzt beide auf dem Bauch und ein Quacksalber müsste ihnen meine Stiefel aus dem Enddarm entfernen.
Der jüngere Polizist, sah mich skeptisch an und nickte. »Ja, ich verstehe, wir tun alle nur unseren Job und ich denke, wir stehen beide auf der selben Seite. Geht in Ordnung, ich sage meinen Kollegen Bescheid, dass sie alles stehen und liegen lassen. Sind Sie sicher, dass Sie kein Kaugummi wollen?«
Ich hingegen schüttelte den Kopf, als hätte er mir ein Glas mit Maden präsentiert.
Barbiel zuckte mit den Schultern. » … Er wirkt im Moment etwas ... sauertöpfisch, aber seien Sie froh, dass er ... nicht lacht, es ist nämlich ... kein schöner Anblick.«
… Dieser stammelnde Idiot, jetzt fällt er mir auch noch in den Rücken! ...
Gut, dann spielten wir eben "Sympathischer Cop und ganz, ganz sauertöpfischer Cop". Und mein aufgesagtes Sprüchlein wurde auch nicht so richtig registriert. Egal, ich kann die Kommissare gut verstehen. Wir kommen hier herein, jagen sie aus ihrem angestammten Revier, machen einen auf dicke Hose und anschließend werden sie auch noch von ihrem Vorgesetzten zur Schnecke gemacht. Commissaire Bruno erwachte langsam aus seiner Schockstarre. »Dann sollen wir Sie alleine lassen und die Uniformierten mitnehmen?«
»Ja, wir sind ja alle noch da. Und das ist das eigentliche Problem. Wenn ich Sie bitten dürfte? Ich möchte nicht, dass Ihr Vorgesetzter, der ohne Zweifel gut bei Stimme ist, Ihnen und Ihrem Partner diese schöne Pappe mit der Tricolore-Musterung abnimmt. Es freut uns, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben, aber wenn ich Sie jetzt bitten dürfte?«
Meine Migräne verschlimmerte sich von Sekunde zu Sekunde. Und ich war mir wirklich nicht mehr sicher, wie lange ich noch diese aufgesetzte Freundlichkeit wahren konnte. Die Uhr würde bald Neun schlagen und wir hatten dem Kurator einen reibungslosen Museumsbetrieb zugesichert. Es wurde Zeit, dass die Commissaires endlich gingen, denn wir hatten auch noch unsere Arbeit zu machen. Wir mussten die letzten Spuren in Daten erfassen und an die Zentrale senden, wo diese ausgewertet werden konnten. Die Kommissare Bruno und Legrand sahen ein, dass sie wohl oder übel das Feld den blasierten Agenten überlassen mussten. Bruno, der seine Fassung wiedererlangt hatte, meinte: »In Ordnung, dann werde ich die Polizisten abziehen und ihnen den Louvre für Ihre Ermittlungen überlassen. Dann wünsche ich Ihnen und ihrem Kollegen einen netten Aufenthalt in Paris. Was sagten sie vorhin, Sie wären schon mal hier gewesen?«
Er griff in die Tasche seines Jacketts, holte eine Schachtel Zigaretten hervor, steckte sich eine davon in den Mund und meinte zu seinem Partner: »Vince? Wärst du so freundlich?«
Der wiederum machte ein unglückliches Gesicht und gab seinem Kollegen mit einem Streichholz Feuer.
Vorsichtig rieb ich mir meine schmerzende Stirn und überzeugte mich davon, dass mein Kopf nicht auf die doppelte Größe angeschwollen war. Monsieur Commissaire Bruno sagte irgend etwas zu mir. Jetzt war ich derjenige, der nicht mehr so ganz zugehört hatte. Was fragte er mich? Ob ich in schon mal in Paris war? Ich war schon mehr als 800 Jahre nicht mehr in Paris gewesen. Also ignorierte ich die Frage gekonnt. Eigentlich wollte ich sagen, dass ich bisher niemanden getroffen habe, der seit Miami Vice, Mitte der 80er Jahre, sein Sakko so knittrig trug, doch die verbalen Flapsigkeiten waren mir vergangen und so verkniff ich mir meine bissige Antwort. Ein unbekannter Tänzer steppte durch mein Hirn.
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