„Klingt riskant!“, sagt Golina.
„Hast du eine bessere Idee?“
„Nein. Aber zieh wenigstens die Diamantrüstung an.“
„Das geht doch nicht. Dann sehen sie sofort, dass ich kein gewöhnlicher Dorfbewohner bin, und werden misstrauisch.“
„Zieh einfach eines meiner Kleider über die Rüstung, dann merken sie es nicht.“
Primo findet, dass das eine gute Idee ist. Auch Kolle und Porgo legen eiserne Rüstungen an und verbergen sie unter Überwürfen. Dann legen sie Porgos großen Schmiedehammer und das Diamantschwert in die Truhe. Kolle braucht keine Waffe, weil er mit bloßen Fäusten am besten kämpfen kann, sobald ihn sein Nachtwandlerzorn packt.
Als sie fertig sind, hat Primo noch eine Idee.
„Golina, hast du noch etwas von der, äh, leckeren Pilzsuppe, die du gestern zum Mittagessen gekocht hast?“
„Nein, aber von der von vorgestern ist noch was übrig. Wieso? Hast du Hunger?“
„Nein. Aber die Typen da draußen.“
„Was? Du willst denen doch nicht etwa auch noch die Pilzsuppe servieren, die ich mit so viel Liebe für Nano und dich gekocht habe?“
„Nur, um sie abzulenken. Wer einen Suppenteller in der Hand hat, kann nicht so gut kämpfen.“
„Na schön, wenn du meinst.“
Golina gibt Kolle einen Suppentopf, während Porgo und Primo die Kiste mit den Waffen tragen. Damit treten sie aus dem Haus und gehen langsam auf die Räuber zu.
„Hier drin sind all unsere Wertsachen“, lügt Primo.
„Und ich habe hier leckere Pilzsuppe“, sagt Kolle, was nach Primos Meinung ebenfalls gelogen ist.
„Gut. Bringt beides hierher!“, kommandiert der Anführer. „Aber macht keine Dummheiten, oder es wird euch schlecht ergehen. Hotz, du sicherst von da drüben mit der Armbrust. Plotz, du behältst die drei von der anderen Seite aus im Auge.“
Zwei der Räuber entfernen sich ein Stück weit von den anderen und spannen ihre Waffen, die der Anführer Armbrüste genannt hat. So ein Pech! Auf diese Weise funktioniert Primos Plan, die Räuber zu überrumpeln, nicht so gut. Aber nun ist es zu spät, um ihn noch zu ändern.
„So, und nun kommt schön langsam über die Brücke und stellt die Truhe hier hin.“
„Suppe!“, ruft Kolle. „Leckere Suppe!“
„He, ist das nicht der Typ, dem du gerade einen Bolzen verpasst hast, Attila?“, fragt einer der Räuber.
Der Anführer nickt. „Allerhand! Normalerweise verkriechen sich die Dorfbewohner doch vor uns, besonders, wenn sie einen Bolzen abbekommen haben. Die hier scheinen aus anderem Holz geschnitzt zu sein. Besser, wir sind auf der Hut.“
„Suppe, leckere Suppe!“, ruft Kolle.
„Die Suppe ist bestimmt vergiftet“, sagt der Anführer.
„Aber nein!“, beteuert Kolle. „Sie ist sehr lecker, ehrlich!“
„So? Dann iss mal selbst einen Teller!“
Kolle wirft Primo einen missmutigen Blick zu, doch dann befolgt er die Anweisung. Er nimmt einen Schluck Suppe und verzieht das Gesicht. „Igitt ... ich meine, äh, lecker!“
„Also, ich hätte schon gerne einen Teller Suppe, Boss!“, sagt der Räuber namens Hotz.
„Ich auch“, stimmt Plotz zu.
Die beiden gehen auf Kolle zu.
„Geht sofort zurück auf eure Posten, ihr Idioten!“, brüllt der Anführer. „Hier wird erst Suppe gegessen, wenn ich sage, dass Suppe gegessen wird!“
„Aber Boss, ich hab solchen Hunger ...“
Primo beschließt, dass dies ein günstiger Moment für einen Überraschungsangriff ist.
„Asimov, jetzt!“, ruft er, reißt den Deckel der Truhe auf und greift sich sein Diamantschwert.
„Hier hast du deine Suppe!“, brüllt Kolle im selben Moment, läuft grün an und schleudert den Suppentopf gegen einen der Räuber, der von der Wucht des Wurfs umgestoßen wird.
„Wusste ich’s doch, dass man euch nicht trauen darf!“, schreit der Anführer. „Na wartet, das werdet ihr büßen!“
Er treibt sein Reittier an, das ein wütendes Schnauben ausstößt und auf Primo losrennt. Der kann gerade noch zur Seite springen, bevor er von den Spitzen am Kopf des Tiers aufgespießt wird. Es gelingt ihm, dem Anführer einen Schlag mit seinem Diamantschwert zu verpassen.
Doch dadurch wird der Räuber nur noch wütender. Er springt von seinem Tier und zückt ein Beil, mit dem er sich auf Primo stürzt.
Primo, Kolle und Porgo kämpfen verbissen und auch Paul stürzt sich laut kläffend in den Kampf mit dem riesigen Reittier. Doch die Gegner sind in der Überzahl, und selbst mit Primos Kampferfahrung und Kolles Nachtwandlerkraft sind sie den Räubern unterlegen. Das Blatt wendet sich erst, als auch Asimov in den Kampf eingreift.
„Verdammt, die haben einen Gooooo....“, ruft einer der Räuber, bevor ihn Asimov mit einem Schlag seines gewaltigen Metallarms durch die Luft befördert.
Da ertönt ein greller Schrei vom Rand des Dorfs: „Das ist gemein, einfach ohne mich anzufangen!“
Ruuna, Willert und Margi kommen angerannt. Auch Golina hat sich Schwert und Helm besorgt und will sich in den Kampf einmischen. Robinson, der Papagei, fliegt hinter ihnen her und krächzt: „Lass den Quatsch, du freches Huhn!“
„Verdammt, die haben auch eine Hexe!“, ruft ein anderer Räuber. „Lasst uns abhauen!“
„Nichts da!“, brüllt der Anführer. „Wir ergeben uns niemals!“
„Achtung, volle Deckung!“, ruft Ruuna.
„Nein, Ruuna, nicht!“, versucht Willert sie aufzuhalten, doch es ist zu spät.
Die Hexe schleudert eine Glasflasche mit einer klaren Flüssigkeit mitten ins Kampfgetümmel. Die Flasche zerbirst und ein rosafarbener Nebel steigt auf, der nach Frühlingsblumen duftet.
„Was soll das denn jetzt?“, fragt einer der Räuber verwirrt.
Porgo nutzt die Gelegenheit, um ihm eins mit dem Schmiedehammer zu verpassen.
„Ups, falsche Flasche“, ruft Ruuna. „Aber jetzt! Volle Deckung!“
Sie wirft eine weitere Flasche, diesmal mit einer orangefarben glühenden Flüssigkeit. Als sie direkt neben Primo auf den Boden auftrifft, gibt es einen gewaltigen Knall. Er wird im hohen Bogen durch die Luft geschleudert und landet mit dem Kopf zuerst auf einem Steinblock. Dann wird ihm schwarz vor Augen.
3. Wo ist Primo?
Golina rappelt sich auf. Die gewaltige Rauchwolke, die durch die Explosion entstanden ist, verzieht sich nur langsam. Dort, wo eben noch der Kampf stattfand, befindet sich nun ein großer Krater, in dem einzelne Erd- und Steinblöcke herumtaumeln. Darüber flattert der Papagei und krächzt: „Volle Deckung! KAWUMM! Nochmal! Nochmal!“
„Ups, das war wohl doch ein bisschen zu viel Knallpulver“, stellt Ruuna fest.
„Ich hab dir schon hundertmal gesagt, du sollst deine Tränke vorsichtiger dosieren“, schimpft Willert, der von der Wucht der Explosion ebenfalls von den Füßen gerissen wurde. „Jetzt sieh nur, was du wieder angerichtet hast!“
„Aber die Bösen sind doch weg!“, verteidigt sich die Hexe.
Tatsächlich haben die Räuber die Flucht ergriffen. Golina sieht sie über die östliche Ebene hasten. Aber wo sind Primo, Kolle, Porgo und Asimov? Sie sieht sich suchend um. In einer Mulde ein paar Schritte von dem Krater entfernt liegt ihr Schwiegervater Porgo, der sich in diesem Moment stöhnend erhebt und sich den Kopf hält. Es plätschert, als Kolle aus dem Fluss klettert, in den er geschleudert wurde, und sich die nasse Kleidung auswringt. Er scheint nicht schlimmer verletzt zu sein als zuvor.
Nicht weit von ihm sitzt Asimov reglos mitten im Fluss. Seine normalerweise rot leuchtenden Augen blinken. Er scheint eine Fehlfunktion zu haben.
Doch wo ist Primo? Golinas Herz verkrampft, als sie sich nach ihm umsieht, ihn aber nirgends entdecken kann.
„Primo!“, ruft sie. „Hat jemand Primo gesehen?“
Die anderen sehen sich nur ratlos an.
„Er muss von der Explosion durch die Luft geschleudert worden sein, genau wie ich“, spekuliert Porgo und hält sich seinen schmerzenden Kopf. „Vielleicht ist er noch bewusstlos und liegt irgendwo in einer Erdmulde oder einem Gebüsch.“
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