Der Earl war also ein führender Politiker einer damaligen Weltmacht, die in dieser Zeit als größte Kolonialmacht galt.
Arthur James Earl of Balfour dachte – und handelte, – wie in jener Zeit Kolonial-Politiker oder Kolonial-Herren zu denken und zu handeln pflegten. Richtschnur des Handelns jener Kolonial-Herren war ausschließlich – wirklich ausschließlich - das imperiale Interesse ihres Landes.
Die von ihnen beeinflussten, abhängigen oder beherrschten Völker wurden für die Interessen der Kolonialmacht – je nach Interessenlage - "benutzt". Fast alle am 1. Weltkrieg teilnehmenden Staaten – mit Ausnahme der USA - waren Kolonialmächte.
Wie könnte die Interessenlage der beteiligten Kolonial-Mächte hinsichtlich des Nahen Ostens zu jener Zeit gewesen sein?
Wie wurde wer (zeitweise) "benutzt"?
Im Januar 1916 wurde das "Sykes-Picot-Geheim-Abkommen" ausgehandelt und mit einem Schriftwechsel im Mai 1916 bestätigt. Es trägt den Namen der beiden Unterhändler, dem Briten Sir M. Sykes und dem Franzosen C.F.G.Picot.
Darin legten die beiden Ententemächte Großbritannien und Frankreich die Aufteilung – oder "Neuordnung" - der arabischen Gebiete des Osmanischen Reiches nach dem 1. Weltkrieg fest. Dieses geschah also bereits über zwei Jahre vor Beendigung des 1. Weltkrieges und der Kapitulation des zu den Achsenmächten zählenden Osmanischen Reiches (damals "der kranke Mann vom Bosporus") . Weitere Infos: Brockhaus multimedia 2009 und Google: Sykes-Picot-Abkommen
Man definierte zwei Arten von Gebieten:
Einflusszonen
und Gebiete unter direkter Verwaltung der jeweiligen Macht.
Großbritannien erhielt demnach den südlichen Irak und Palästina in direkter Verwaltung. Als Einflusszonen erhielten die Briten unter anderem den südlichen Teil der syrischen Wüste. Die Häfen Akko und Haifa in Palästina sollten britische Freihäfen werden.
Frankreich reservierte sich den Libanon, West-Syrien, sowie Südost-Anatolien. Weitere Gebiete wurden Russland und Italien zugesprochen. Russland stieg nach der Oktoberrevolution 1917 aus diesem Deal aus.
Ein solches Abkommen wird ja nicht im Januar 1916 "mal ganz schnell fertig auf den Tisch gelegt". Man arbeitet es in längeren Verhandlungen aus. Als eben diese Verhandlungen liefen, - als mindestens der Tenor bereits feststand, - wurde London auf einer anderen Ebene aktiv.
Die Briten waren bei Kriegsausbruch in Basra, im Süd-Irak, gelandet. Sie hatten bereits bis Ende 1914 den gesamten südlichen (ölreichen) Irak erobert, erreichten Bagdad jedoch erst im März 1917. Außerdem unterstellte sich der Herrscher des Ölstaates Kuwait 1914 ihrem Protektorat.
Ziel könnte gewesen sein, osmanische Kräfte in Arabien zu binden, um so die britischen Verbände im Irak zu entlasten.
Wie macht man das? Man hetzt die Araber gegen die Osmanen, schürt einen Aufstand und destabilisiert gleichzeitig damit den Gegner.
Womit macht man das? Mit vagen – oder notfalls falschen – Versprechungen.
Was war das passendste Versprechen für die Araber?
Ein "arabisches Reich" nach dem Sieg über die Osmanen.
Es existiert ein Briefwechsel zwischen dem damaligen britischen Hochkommissar in Ägypten, Sir Henry Mc Mahon und dem Emir und Scherifen Hussain von Mekka, worin dem Scherifen ein "arabisches Reich" für den Fall zugesagt wird, dass sich Mekka gegen die Osmanen erhebt.
Von Anfang an stand aber fest, dass mit den Vereinbarungen eines "Sykes-Picot-Geheim-Abkommens" ein solches Versprechen gar nicht einzuhalten ist. Abgesehen davon wird man dieses auch niemals vorgehabt haben. Kolonialmächte brauchen kleine, zerstückelte Staaten mit divergierenden Interessen und kein starkes Großreich als "Partner".
Der Scherif von Mekka ließ sich im Sinne der Arabischen Idee, oder des Arabischen Traumes, benutzen. Sicher hatte er auch den Erhalt und/oder den Ausbau der eigenen Macht im Hinterkopf.
Er funktionierte wunschgemäß. 1916 begann er den "Aufstand in der Wüste", ausgeführt von Beduinen. Unterstützt wurde er von britischem Geld und britischen Agenten. Einer war Edward Thomas Lawrence – uns besser bekannt als "Lawrence von Arabien". Die Beduinen kämpften erfolgreich gegen die Osmanen und erreichten 1918 Damaskus.
Nach dem 1.Weltkrieg wurde der Völkerbund gegründet. Er beauftragte bestimmte Staaten mit der Wahrnehmung der Verwaltung von Gebieten des ehemaligen Osmanischen Reiches. Die Gebiete nannten sich fortan Mandatsgebiete.
Im Vertrag von San Remo sicherte sich 1920 Großbritannien das Mandat für den Irak und Palästina - zu dem damals auch Transjordanien gehörte. Frankreich erhielt das Mandat für den Libanon und Syrien.
Dem Scherif von Mekka blieben nur einige nördliche Teile der Arabischen Halbinsel. Der Traum von einem Arabischen Reich mit den arabischen Zentren Bagdad, Damaskus, (Jerusalem), Kairo war damit ausgeträumt.
Umgangssprachlich würde man sagen: Die Araber wurden 'gekonnt hereingelegt'. Allerdings hätte ein Emir und Scherif Hussain von Mekka wissen müssen, mit wem er sich - worauf - einlässt.
Möglicherweise wurden andere, zum Beispiel Kurden und Armenier, von anderen Mächten ähnlich benutzt, die Armenier vielleicht von Russland. Möglicherweise köderte man sie mit ähnlichen vagen Versprechungen. Fakt ist jedenfalls, dass hunderttausende Armenier ihre Gegnerschaft zum Osmanischen Reich und ihre Nähe zu Russland mit dem Leben bezahlten – im osmanischen Völkermord an den Armeniern.
(Ausführliche Informationen dazu unter http://de.wikipedia.org/wiki/V%C3%B6lkermord_an_den_Armeniern).
Unter diesem Aspekt stellt die Balfour-Deklaration auch nur den Versuch dar, Zionisten für eigene imperiale Interessen zu benutzen.-
Und dieses: "man betrachtet mit Wohlwollen" – "und wird keine Mühe scheuen" – "nach Kräften zu fördern" kennen wir doch zur Genüge aus Sonntags-, Parlaments-, Parteitags-, Wahl- und sonstigen unverbindlichen Politiker-Reden.
Diese Deklaration klang "Zionismus-freundlich".
Wie sich jedoch später zeigte, hielt sich die Zionismus-Freundlichkeit der britischen Mandatsverwaltung – um eine Häufung von Peinlichkeiten freundlich zu umschreiben - in sehr engen Grenzen.
In dem problematischen Kriegsjahr 1917 war sie ein Instrument, die "quengelnden Zionisten" ruhig zu stellen und sie gleichzeitig taktisch nutzbar zu machen.
Die Araber stellten schon 1915 / 1916 Forderungen nach einem "eigenen Reich", nach "einem Arabischen Kalifat für den Islam". Kolonialherren, deren Denkweise noch fest im 19. Jahrhundert wurzelte, konnten darin nur eine "bodenlose Unverschämtheit" erkennen:
Eine Weltmacht, wie Britannien, führt schließlich keinen Krieg gegen die Osmanen, damit sie Arabische Träume erfüllt.
Obwohl man noch die Unterstützung der Araber gegen die Osmanen suchte, betonte die britische Regierung in einem Brief vom 15.10.1915 an Scherif Hussain hinsichtlich des arabischen Kalifates, dass "die Gebiete westlich einer Linie Damaskus – Aleppo keinen 'rein arabischen Charakter' besäßen". Die Wünsche der Zionisten hinsichtlich Palästinas kamen London also gerade recht.
Weiterhin deutete sich schon Anfang 1917 an, dass aus den Ideen des 28. Präsidenten der USA , Thomas Woodrow Wilson, den Kolonialherren aller Kolonialstaaten erhebliche Probleme erwachsen würden.
Nach langem Zögern erfolgte am 6.4.1917 der Kriegseintritt der USA.
Mit seinen "Vierzehn Punkten" veröffentlichte Wilson im Januar 1918 seine Kriegsziele. "Eine stabile Nachkriegs-Ordnung", ein "System kollektiver Sicherheit", einen "Frieden des gerechten Ausgleichs" und das "Prinzip der Selbstbestimmung der Völker", die sich im "Völkerbund" organisieren, - an dessen Entstehung Wilson maßgeblichen Anteil hatte.
Dieser große Präsident erhielt 1920 den Friedens-Nobelpreis. Kolonialvölker beriefen sich forthin natürlich auf Wilsons "Prinzip der Selbstbestimmung.-"
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