Um es etwas salopp auszudrücken: ein Fische-betonter Mensch ist jenseits von Gut und Böse. Das ist jetzt allerdings nicht wörtlich zu verstehen, denn Sie wissen ja, dass ein Horoskop, sprich also ein Mensch, beileibe nicht nur durch das Fische-Zeichen oder den dazugehörigen Planeten Neptun oder durchs 12. Feld gekennzeichnet ist, sondern durch viele andere Faktoren, er also mit Sicherheit in der Dualität existiert. Denn das Leben selber, das wir führen, ist ein dualer oder polar angelegter Vorgang, das ist klar. Dennoch gibt es eine Größe in uns, in jedem Menschen, durch Fische und Neptun repräsentiert, dass hinter die Region, hinter das Land weist, was hinter der Dualität liegt.
Damit komme ich zu dem eigentlichen Kernbegriff des Fische-Prinzips oder des 12. Lebensprinzips: „Auflösung“. Hier im Fische-Prinzip sind die Gegensätze aufgelöst. Das heißt es handelt sich hier nicht mehr um einen Vorgang, der sich vollzieht, sondern es handelt sich um einen Zustand, der eine Situation markiert, die vollzogen worden ist. Der Wassermann ist der Vorgang und die Fische sind der Zustand, der sich ergibt, wenn der Vorgang abgeschlossen ist. Und in dem Sinne ist Auflösung der Zustand, der sich ergibt, wenn die Gegensätze aufgehoben worden sind, sprich Wassermann.
Auflösung heißt also hier, dass Energie, so wie sie am Anfang des Tierkreises im Sinn des Widders oder Mars zur Verfügung gestanden hat, dass diese Energie hier auch aufgelöst ist. Sie existiert nicht mehr. Es gibt, wenn man so will, keine Gestalt, es gibt keine Stofflichkeit mehr - was im Grunde genommen dasselbe wäre, da alle Stoffe beziehungsweise jede Substanz auch Gestalt besitzt, erinnern Sie sich an das Stier-Prinzip. Und wenn es keine Energie mehr gibt, also alles aufgelöst ist, dann kommt nun eine – im Grunde genommen – philosophische Frage auf uns zu: Ist das, was jetzt noch „existiert“, wirklich etwas, was als Existenz bezeichnet werden kann? Oder ist es nichts? Oder anders gesagt: Ist das Nichts, wovon wir jetzt ausgehen, ist das etwas? Oder ist das nichts?
Ich will es nicht auf die Spitze treiben. Sicherlich sind Sie mit mir einer Meinung, dass das als philosophischer Diskurs bis ans Lebensende oder vielleicht sogar auch ans Ende der Menschheit diskutiert werden kann. Aber Sie müssten sich darüber im Klaren werden, dass dieses Nichts, was nichts weiter als den Zustand des Aufgelöst-seins aller Dinge symbolisiert… dass wir hier nicht davon ausgehen können, dass im Fische-Prinzip etwas nicht mehr existiert. Wenn das so wäre, dann müsste im Grunde genommen diese Lektion vollkommen leer sein. Das bedeutet, dass es nichts zu sagen gäbe.
Im Zen-Buddhismus gibt es eine schöne Geschichte von einem uralten Zen-Mönch, der sein Leben lang in Japan in einem Zen-Kloster gelebt hat. Der ist von seinen Eltern mit vier oder fünf Jahren in dieses Kloster geschickt worden und dann bis zu seinem 85. oder 86. Lebensjahr in diesem Kloster geblieben. Er hat sein ganzes Leben lang nur in diesem Kloster gelebt, ist niemals aus dem Kloster herausgekommen und war dann auch der Abt dieses Klosters für viele Jahrzehnte. Er ist ein ganz berühmter Mann gewesen, der hieß Taisen Deshimaru-Roshi. Dieser Taisen Deshimaru-Roshi ist in den Achtzigerjahren nach Amerika an eine Universität eingeladen worden, mit der Bitte, dort einen Vortrag über Zen-Buddhismus zu halten. Und man mag es gar nicht glauben, aber er hat tatsächlich eingewilligt. Das ist für diesen Mann ein sicherlich auch deshalb enormer Vorgang gewesen, weil er nie in seinem Leben das Kloster verlassen hatte. Das heißt er hat sich tatsächlich erstmalig in ein Flugzeug gesetzt und ist erstmalig außer Landes gekommen.
Ich will es etwas verkürzen – er kam dann dort an, und da war eine riesige geschmückte Festhalle mit ca. 3.000 Studenten. In der Mitte dieser Festhalle war ein kleines Podest mit einem weißen Laken errichtet. Da stand nur ein kleines Mikrofon, sehr dezent. Dieser große Mann sollte sich auf das Podest setzen und dort seinen Vortrag über Zen-Buddhismus halten. Die Halle war also proppenvoll mit Studenten aus ganz Amerika. Und Deshimaru-Roshi kam in den Raum hinein, es war mucksmäuschenstill, man konnte sozusagen eine Stecknadel fallen hören, und dann setzte er sich auf dieses weiße Podest im typischen Zen-Meditationssitz – und schwieg zwei Stunden lang. Stand dann wieder auf und flog zurück in sein Kloster nach Tokio.
Das ist eine wahre Geschichte. Und die Botschaft lautet: Es gibt nichts zu sagen. Eine wahre Fische- oder Neptun-Botschaft. Nun brauchen Sie keine Angst zu haben, dass ich es diesem großen Mann nachmache, obwohl es mich sehr wohl reizen würde, eine solche Lektion als Lehrmaterial zu erstellen. Denn, um ehrlich zu sein, die Lektion soll ja sitzen. Und das würde sie möglicherweise durchaus tun. Aber aufgrund langer Überlegung bin ich doch zu dem Entschluss gekommen, das so nicht zu tun, sondern stellvertretend diese wunderbare Geschichte zu erzählen (smile).
Sie soll jedenfalls darauf hinweisen, dass es nun de facto, was das Fische-Prinzip angeht, wirklich nichts mehr zu sagen gibt. Im Sinne von allen möglichen Fakten, die in der Lage sind, das Leben zu differenzieren oder Details des Lebens zu beschreiben. Es gibt hier im Fische-Prinzip, was sozusagen die Auflösung markiert, nichts mehr, was an Details oder an Beschreibungen abzugeben ist. Jedenfalls, wenn man sich den Kern theoretisch betrachtet.
Auf der anderen Seite ist es natürlich so, dass im Zusammenhang mit anderen Faktoren des Horoskops, die dann also wieder Dualität ins Spiel bringen, das Prinzip der Auflösung oder der Einheit - für das Fische- oder Neptun-Prinzip stehend - in einer anderen Schattierung zu sehen ist. Und in diesem Sinne möchte ich die wesentlichen, jedenfalls an dieser Stelle des Kurses wesentlichen, Punkte, die für Fische und Neptun, beziehungsweise das 12. Feld stehen, kurz schildern. Es handelt sich um eine Schilderung von entsprechenden Verhaltensformen vor allen Dingen erwachsener Menschen, die zu beobachten sind, wenn eine Fische- oder Neptun-Betonung vorhanden ist.
Das Erste, wovon Sie ausgehen sollten, ist, dass dieser Mensch eine gewisse verzögerte Entwicklung nimmt - jetzt auch psychologisch gesehen, möglicherweise auch geistig gesehen, möglicherweise auch seelisch gesehen. Das heißt nicht, um gleich einem Missverständnis vorzubeugen, dass dieser Mensch in irgendeiner Form eine Behinderung hat, wie man das neudeutsch sagt. Das ist natürlich auch möglich. Aber das muss es selbstverständlich nicht bedeuten. Es gibt keine Konstellation für Behinderte, falls man das meint, daraus ableiten zu wollen. Diese Verzögerung, diese Verlangsamung, also im Sinne des Stichwortes „Spätentwickler“, das ist etwas, was man bei Fische-betonten Menschen, vor allen Dingen auf diejenigen Lebensbereiche bezogen sagen kann, wo der Neptun einen Einfluss hat. Also beispielsweise das Feld, in dem der Neptun steht, oder die Planeten, die im Zeichen Fische stehen.
Das sind dann alles Lebensbereiche oder Inhalte des Lebens, die einer verzögerten Entwicklung unterliegen. Also wo man sagen kann, dass das, was den Menschen eigentlich ausmacht, relativ spät im Leben, wenn überhaupt – in schweren Fällen passiert das nämlich gar nicht – zum Tragen kommt. Der psychologische Begriff, der für das eben beschriebene steht, ist der der Verdrängung. Denn Neptun oder das Fische-Zeichen steht für die Verdrängung, für den Verdrängungsmechanismus. Das sollten Sie auf keinen Fall in Ihrer astrologischen Arbeit vergessen. Aus diesem Grund, weil der Verdrängungsmechanismus etwas sehr Wichtiges ist, auch im psychologischen Sinne, muss ich den kurz mit hoffentlich eindeutigen Worten erklären.
Die Verdrängung ist ein psychologischer Mechanismus, der weder gut noch schlecht ist, obwohl Sie möglicherweise den Eindruck haben könnten, dass es sich hier um einen negativen Vorgang handelt. Verdrängung ist im Grunde genommen so etwas wie Psychohygiene. Es handelt sich um einen unbewusst ablaufenden Vorgang, das heißt man kann den auch nicht mit dem Willen oder der Absicht steuern. Nach dem Motto, heute möchte ich mal das und das verdrängen oder morgen möchte ich mal überhaupt nichts verdrängen und übermorgen wieder dieses und jenes. Es ist ein unbewusst ablaufender Vorgang, der der Entlastung der Psyche dient. Und zwar in dem Sinne, dass all die Dinge verdrängt, also ins Unbewusste abgedrängt werden, die in der Psyche Probleme bereiten. Und in der Folge aufgrund dieser Probleme, die entstanden sind, dazu führen, dass der Mensch lebensuntauglich wird.
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