Es muss wohl nicht weiter erwähnt werden, dass wenn das Kernprinzip des Steinbocks bzw. Saturns im Entstehen der menschlichen Würde gipfelt, die eigentliche Urangst des Steinbocks bzw. Saturns die Angst vor dem Verlust der menschlichen Würde ist. Ich denke, dass es sehr gut, sehr richtig und sehr wichtig ist, dass zum Beispiel zumindest im deutschen Grundgesetz an vorderster Stelle steht: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Insofern ist das Grundgesetz zumindest an dieser Stelle von saturnischem Geist durchzogen. Ich bin beileibe kein besonders politischer Mensch, geschweige denn bin der Meinung, dass die Astrologie sich für politische Zwecke oder Ziele hergeben sollte. Aber an dieser Stelle sei es durchaus einmal erwähnt, dass bei dieser allgemeinen Aussage - die von allen normal denkenden und empfindenden Menschen akzeptiert wird - das Saturnische hier sozusagen durch diese Textzeilen weht. Auch wenn es letzten Endes nur eine Absichtserklärung bzw. eine Aufforderung ist.
Wenn der Mensch im Steinbock/Saturn so sehr auf das Überpersönliche, Wesentliche, Bedeutende angelegt ist, dann bedeutet es, dass er sich – und das entspricht auch dem vierten Quadranten – mehr aus der Subjektivität in die sogenannte Objektivität hinausbewegt. Das heißt er hat bereits im Steinbock eine Tendenz - im Wassermann wird sich das dann extrem fortsetzen - zur Überpersönlichkeit. Er bewegt sich aus den persönlichen Notwendigkeiten heraus und sieht nur noch Notwendigkeiten, die mit seiner persönlichen Situation kaum noch etwas zu tun haben. Insofern gibt es in der Psychologie auch den Begriff des sogenannten Über-Ichs oder der Über-Ich-Struktur. Das ist vereinfacht gesagt nichts weiter als eine überpersönliche Gewissensinstanz, beziehungsweise wenn man nicht „überpersönlich“ sagen möchte, auf eine unpersönliche Gewissensinstanz.
Die Über-Ich-Struktur wird meistens innerhalb der Psychologie als etwas eher Negatives angesehen. Auch deshalb, weil sie den Menschen scheinbar von der Notwendigkeit befreit, selber die Konsequenz für das eigene Handeln zu tragen. Das heißt Verantwortung zu übernehmen. Das ist eine negative Ausprägung des Steinbock-Prinzips, weil auf der anderen Seite genau die Aufforderung, Verantwortung ausschließlich fürs eigene Leben zu übernehmen, wiederum eine grundsätzliche Aufforderung des Saturn-Prinzips darstellt. Verantwortung übernimmt man normalerweise, zumindest wenn man den Begriff umgangssprachlich benutzt, auch für andere.
Sie sollten sich bitte angewöhnen, dass wenn Sie in astrologischen Maßstäben denken, Sie den Begriff Verantwortung nur noch für das Steinbock-Prinzip wählen. In dem Sinne, dass man Verantwortung im steinböckischen Sinne nur für sich selbst und nie für jemand anderen übernehmen kann. Jeder Mensch überträgt zwar das, was man Verantwortung nennt, auch auf andere. Zum Beispiel sagt jeder Babysitter: ich habe, solange die Eltern des Kindes nicht da sind, Verantwortung für das Kind. Sowas würde man aber eigentlich nicht Verantwortung, sondern Verbindlichkeit nennen. Wir gehen auch davon aus, dass dieser Vorgang ein skorpionischer und kein saturnischer Vorgang ist, kein steinböckischer Vorgang. Verantwortung kann man nie für andere, sondern immer nur für sich selber übernehmen. Das ist eine Verantwortung, die in der Regel im Vollzug eine viel schwerere ist, als dass man Verantwortung für jemand anderen übernimmt.
Viele Menschen tun sich, wenn sie insbesondere Steinbock-Probleme, Saturn-Probleme haben, sehr schwer, Verantwortung für sich selber zu übernehmen. Sie projizieren diese saturnische Fähigkeit, die sie im Horoskop mitbekommen haben, an andere und übernehmen für andere Verantwortung. Was dann also bedeutet, dass sie relativ früh im Kindesalter Verantwortungen übernehmen müssen, die eigentlich nicht kindgerecht sind. Das wiederum führt dazu, dass diese stark Steinbock-betonten Kinder Verantwortungen übernehmen, die nicht ihre eigenen sind. Verantwortungen, die dann das Kindsein kaum noch möglich machen. Deshalb geht man auch davon aus, dass Kinder, die eine Steinbock-Betonung haben, viel zu schnell erwachsen werden. Einerseits weil sie eine gewisse Leistungsbereitschaft im Sinne von „ich übernehme Verantwortung“ in sich tragen. Auf der anderen Seite führt dieser Vorgang des zu schnellen Erwachsenwerdens dazu, dass das Kind, sich selber unbewusst und auch unbewusst die Umwelt, sich selber seiner Kindheit beraubt.
Dieses zu frühe Erwachsenwerden durch die Übernahme sehr ungeeigneter Verantwortungen im Kindesalter ist ein ganz großes Problem. Das führt dazu, dass die übertriebene Leistungsbereitschaft und die entsprechende Stressanfälligkeit sich im Erwachsenenleben äußerst schwierig - im Sinne zum Beispiel von körperlich, seelisch, geistigen Erkrankungen - bemerkbar macht. Man muss daher bei Kindern, die eine starke Steinbock-Betonung haben, darauf achten, dass sie auf keinen Fall Verantwortung für etwas übernehmen, das nicht sie im allerpersönlichsten Sinne betrifft.
Darauf muss man auch als erwachsener Steinbock-betonter Mensch achten. Aber die Kinder sind noch nicht bewusst genug, dass sie so etwas wissen könnten. Deshalb sollten die Eltern, vor allen Dingen wenn sie astrologische Kenntnisse in dieser Richtung haben, unbedingt für die Kinder darauf achten. Steinbock-betonte Kinder dürfen nicht überlastet werden. Aber die Regel ist, dass es passiert. Der sinnvolle Hintergrund des saturnischen Prinzips: Wenn tatsächlich jeder Mensch nur Verantwortung für sich selber übernehmen würde, dass die Welt dann wahrscheinlich um einiges gerechter wäre oder werden würde. Denn wenn man für die Konsequenzen des eigenen Handelns eintritt, dann wird man sich das eigene Handeln jeweils sehr verantwortungsbewusst überlegen. Man würde nicht einfach darauf los leben, sondern wenn man weiß, dass man nur selber verantwortlich ist und niemand anderes einem die entsprechende Bürde der Konsequenzen abnimmt, würde man sich genau überlegen, was man tut und was man nicht tut. Es würde dann wahrscheinlich dazu kommen, dass der Mensch auch im Sinne einer entsprechenden natürlichen Gerechtigkeit, die sich dann einstellt, einem anderen Menschen nicht mehr fürchterliche Dinge antut. Denn das ist heute immer noch Gang und Gäbe. Das heißt, wenn sich jeder in dem Sinne benimmt, dass er Verantwortung für sein eigenes Handeln trägt und nicht die Verantwortung abgibt oder in Notsituationen auf andere abschiebt, dann würde die Welt wahrscheinlich in einer ganz anderen Ordnung erscheinen, als es im Moment der Fall ist.
Ich persönlich denke, dass die allermeisten Menschen nicht in der Lage sind, die saturnische Lektion wirklich gründlich zu lernen. Zugegebenermaßen ist das auch sehr schwer. Aber wir als Astrologen müssen natürlich versuchen, einen Menschen, vor allen Dingen die Steinbock-betonten darauf hinzuweisen, dass das Prinzip der Verantwortlichkeit erstens etwas ganz Wichtiges im Leben ist, und zweitens die Verantwortung nie auf andere übertragen oder gar abgeschoben werden darf. Das führt letzten Endes dazu, dass man das Gefühl von Würde im Laufe der Jahre und Jahrzehnte entwickelt. Das ein solches Gefühl in einen hinein gepflanzt wird, wenn man in der Lage ist, das Notwendige zur richtigen Zeit zu tun. Denn das Notwendige zur richtigen Zeit zu tun, entspricht einem Verhalten, das wir „verantwortlich“ nennen. Verantworten – da ist der Begriff „Antwort“ enthalten. Und das Verhalten eines Menschen, was verantwortlich ist, ist ein Verhalten, das eine Antwort auf die Umstände gibt, auf die Gegebenheiten der momentanen Zeitqualität. Verantwortlich handeln heißt eine Antwort auf die momentane Lebenssituation zu finden. Und zwar eine adäquate Antwort. Aber diese muss man immer selbst finden. Das kann niemand anderes für mich tun.
Ich fasse zusammen. Der Saturn, stellvertretend Steinbock und das 10. Feld, wird in der Astrologie in der Regel immer mit leicht verkniffenem Lächeln betrachtet, weil aus der Erfahrung jedes Menschen bekannt ist, dass das Saturn-Prinzip das Leben erschwert, verlangsamt, ernüchtert und in einem gewissen Sinne derart diszipliniert. Das was man Lebensfreude und Lebensspaß nennt, bleibt zunächst auf der Strecke. Aber das Saturnische hat eine ähnliche Wirkung wie eine zweiwöchige Fastenkur. Man ist danach befreit von allem Ballast und allen schädlichen Stoffen. Man fühlt sich leicht, man fühlt sich klar. Alles ist deutlich. Und in allem, was bedeutend ist, sichtbar. Das ist ein Zustand, der etwas sehr Meditatives, etwas sehr Klares und Anstrebenswertes, etwas Würdevolles bereits in sich trägt. Und in diesem Sinne ist dieser Zustand auch etwas, was man anstreben sollte.
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