Katrin Wiedmaier
Pin ins Herz
Roman
Über die Autorin
Schreiben ist für Katrin Wiedmaier eine Leidenschaft, der sie seit ihrer Jugend verfallen ist. Kein Wunder also, dass sie diese Leidenschaft mit der Gründung einer Agentur auch zu ihrem Beruf gemach hat. «Pin ins Herz» ist ihr Debüt-Roman - und die Verwirklichung eines Jugendtraums. Die gebürtige Schwarzwälderin lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Rottenburg am Neckar.
PROLOG
Wie konnte es nur soweit kommen? Ich stecke definitiv in einer mittelschweren Lebenskrise. Und alles nur wegen einem Mann, zumindest hat es mit ihm angefangen. Es wird Zeit, endlich aktiv etwas gegen diese lähmenden Gefühle zu unternehmen. Ich gehe mir selbst auf die Nerven und muss mich endlich zusammenreißen und aus diesem anhaltenden Tief klettern, das unsägliche Verlustgefühl und meinen verletzten Stolz hinter mir lassen. So kann es einfach nicht weitergehen. Ich möchte wieder die lebensfrohe, unternehmungslustige Frau werden, die ich mal war. In den letzten Monaten quälte ich mich durch Liebeskummer und vernachlässigte dabei soziale Kontakte und die Menschen, die mir nahestehen. Wenn ich nur im Ansatz geahnt hätte, wie schnell es gehen kann, dass jemand mein Leben auf den Kopf stellt und ich gezwungen bin, eine völlig neue Richtung einzuschlagen ....
TEIL 1
Kapitel 1
Freitagmorgen. Shit, ich komme schon wieder zu spät zur Arbeit. Der Wecker zeigt 8.30 Uhr, oh man, ich habe das Klingeln einfach nicht gehört. Auch wenn das Büro nur fünf Minuten von meinem Zuhause entfernt liegt, gönne ich mir meist den Luxus, diese Strecke mit dem Auto zurückzulegen. Zu allem Überfluss rauche ich auch noch hastig die erste Zigarette des Tages und schnipse die Kippe, während ich auf dem Firmenparkplatz zu meinem bezahlten Stellplatz fahre, wenig elegant aus dem Fensterspalt. Ich hasse solchen Stress am Morgen. Der Duft von frischgebrühtem Kaffee steigt mir beim Betreten der Küche in die Nase. Diesen glückseligen Umstand verdanke ich einem Timer an meiner alten Filtermaschine, den ich unter der Woche auf 7.15 Uhr programmiert habe. So marschiere ich eilig mit der übervollen Tasse des schwarzen Gebräus ins Bad und kann wenigstens ein paar Schlucke genießen, während ich in Windeseile die Morgenwäsche vollziehe. Ohne dieses herrlich duftende, meine Lebensgeister weckende Getränk, bin ich zu allem fähig, aber zu nichts zu gebrauchen. Unter Stress funktioniere ich immer perfekt, da bleibt mir nämlich keine Zeit, lange nachzudenken. Auf dem Weg zur Garderobe bleibt mein Blick an meinem Spiegelbild hängen. Ich sehe jeden Morgen das Gleiche - traurige, glanzlose Augen, die mein sonst recht attraktives Gesicht fade erscheinen lassen. Meine braunen Augen sind eigentlich mein großer Pluspunkt, denn wenn ich nicht gerade deprimiert bin, leuchten diese, von geschwungenen Wimpern eingerahmten Seelenfenster, nämlich unheimlich schön. Sie sind recht groß und rund, was mir in meiner Jugend mal den Spitzname Teddy eingebracht hat. Dieser Gedanke bringt mich immerhin zum Schmunzeln. Doch momentan kann man schon sagen, dass mein zerrissenes Inneres auch in äußerlichen Ausmaßen sichtbar ist. Kein Glanz, kein Ausdruck, nicht einmal meine Lachfältchen um die Augen sind momentan sichtbar. Selbst meine sonst so glänzenden hellen Haare hängen, als wären sie gelangweilt von mir, an meinem Kopf. Genervt und noch deprimierter raffe ich meine Handtasche vom Board, steck den Schlüssel achtlos in die Hosentasche und sprinte die Treppe nach unten.
Als hinge mein Leben davon ab, stecke ich meine Karte in die Stempeluhr, 9:01 Uhr, yeah, das ist gerade noch einmal gut gegangen. Die Kernarbeitszeit beginnt um 9.00 Uhr, so kann ich endlich einen Gang zurückschalten. Während ich gemächlich durch den schmalen weißen Flur den Weg ins Büro schlendere, geben die Sohlen meiner Schuhe auf dem hellgrauen Linoleumboden quietschende und schmatzende Geräusche von sich. Dabei fällt mir eine alte Weisheit ein, die ich mal irgendwo gehört habe. Sie besagt, dass Schuhe, deren Sohlen quietschen, nicht bezahlt sind. Dabei habe ich sie bezahlt, ehrlich. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend hüpfe ich die Treppe in den ersten Stock, schnell noch einen Bleistift aus der Tasche gefischt, um meine langen Haare zu einem improvisierten Knoten hochzustecken. Ich schwinge die Handtasche unter den Schreibtisch, schalte den PC ein, lasse mich auf den schwarzen Drehstuhl plumpsen und schaue gedankenverloren aus dem Fenster, während sich mein Rechner betriebsbereit macht. Ich mag diesen Anblick. Die Shet-Dächer der Versandabteilung ragen empor, in dem Gebäudeteil gegenüber sehe ich die Kollegen aus der EDV hinter den Scheiben vorbeihuschen. Der Himmel ist übersät mit hellgrauen Wolken, die der Sonne keine Chance lassen, sich irgendwo durchzumogeln. Wer weiß, mittags schafft sie es bestimmt, wenigstens zwischen den Wolken hervor zu blitzen.
Der Vormittag läuft gut, ich gebe ein paar Korrekturabzüge der neu übersetzten Prospekte frei, telefoniere mit der Druckerei und mit der Werbeagentur bespreche ich ein laufendes Projekt. In der kurzen Mittagspause setze ich mich zum Essen auf eine Bank hinter dem Gebäude. Ich kann doch noch ein paar Sonnenstrahlen genießen, die sich zwischen den Wolken hindurchschieben können und sauge sie auf, als wären sie wertvolle Energie, die mich den Nachmittag überstehen lässt. Hm, vermutlich sind sie für mich heute genau das. Ich schaffe es gerade noch, die aktuellen Unterlagen von meinem Schreibtisch zu klauben, und falle in letzter Minute im Meetingraum der Vertriebsabteilung ein. Wie immer mit einem aufgesetzten Lächeln in die Runde. Es geht um neue Werbemittel für die anstehende Messe und ich weiß schon jetzt, worauf das hinausläuft. Wie immer wollen sie Dinge haben, bei denen mir bereits klar ist, dass sie im Endeffekt zu teuer sein werden. Und ich könnte mir die ganze Mühe und Zeit sparen, überzeugen lässt sich jedoch im Vorfeld niemand. Sie müssen jedes Mal erst schwarz auf weiß sehen, was sie sich mit ihrem ohnehin mageren Budget doch nicht leisten können. Und auch dieses Mal behalte ich recht. Statt vernünftiger Ergebnisse, weil realistisch, gibt es jede Menge Arbeit für mich. Ich stecke gerade im Lektorat eines Textes, als um 16.30 Uhr das Telefon klingelt.
«Emmi, kommen Sie doch mal bitte in mein Büro, ich möchte etwas mit Ihnen besprechen», höre ich die Stimme meines Chefs. Arglos nehme ich Block und Stift in die Hand und hüpfe fröhlich eine Etage tiefer. Immerhin wird das eine der letzten Amtshandlungen heute für mich sein, denn das das Wochenende ist zum Greifen nah.
Kapitel 2
«Emmi, unsere Entscheidung hat nichts mit Ihnen persönlich zu tun. Es tut mir wirklich sehr leid, weil ich mit Ihnen eine fleißige, kompetente Mitarbeiterin verliere, aber Sie wissen doch, wie das läuft.» Mir wird heiß und kalt zugleich, ich will das nicht hören.
«Zuerst wird immer an der Werbung gespart, und Sie sind nun einmal, wie es der Sozialplan vorgibt, die Einzige, die unverheiratet ist und keine Kinder hat.»
Obwohl ich in dem Moment weiß, dass er es ehrlich meint und seine Miene auch echtes Bedauern ausdrückt, tut es weh, was ich da gerade höre.
«Ok, ich nehme an, es ist egal, was ich jetzt sage oder tue, dies ist eine bereits gefällte Entscheidung, oder?» Der letzte Funken Hoffnung, an dem ich mich gerade kurz vor einer Panikattacke festhalte, schwingt in diesem Satz mit, vielleicht gibt es einen kleinen Spalt irgendwo. Doch der Funke fliegt davon, noch bevor ich mir richtig Gedanken darum machen kann.
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