„Da hätte ich ja gleich in Tunesien bleiben können. Da ist es in den Berg-Höhlen ja heller.“
Nach mehrfachen besänftigenden Beschwichtigungen, kam ich auf eine seltsame Idee.
Ich legte das Strom-Kabel von einer Kellersteckdose, bis hoch in Tonis Etagen Wohnung und die beiden hatten wenigstens wieder Licht. Wenn auch vom Untergrund des Hauses für einige Zeit gespendet. Diese Möglichkeit, sich etwas Warmes herzurichten, ordneten wir nach damaliger Hinsicht, einer notwendigen Wichtigkeit zu. Und somit einer verständlichen, eigenmächtigen Gesetzesänderung, für etliche Stunden Strom auf Pump. Immerhin war ja ein Fast-Kleinkind vorhanden und das würde die Sache bei einer eventuellen, eingeräumten Straftat sicherlich mindert. Sogar die Nachbarn gingen achtlos an diesem Kabel im Hausflur vorüber und maßen es sicherlich eher einer dringenden Handwerker Einrichtung bei.
„Bring das mit den Stadtwerken so schnell wie möglich in Ordnung“, riet ich Toni.
„Da muss ich mir erst noch mal was von Oma leihen.“
Bei diesen Worten blieb es.
Inzwischen hatte ich mich in meinem neuen Heim häuslich eingerichtet.
Mein neues Reich bestand aus einem großen Wohnzimmer mit integrierter Küchenzeile und einer geräumigen Schlafnische für ein ganzes Bett, und einer weiteren, großzügigen Ecke, für einen angrenzenden Computer-Tisch. Hinter einer nächsten Tür war ein Abstellraum. Auch sehr geräumig. Vielleicht sogar als begehbaren Kleiderschrank zu nutzen, wenn man sich Regale oder Aufhänge-Vorrichtungen wegdachte, die ich eigentlich eher gebrauchen konnte. Zusätzlich war ein Bad vorhanden, mit einer Dusche, als Sitzbadewännchen gänzlich unvorstellbar, aber es genügte nur ein halber, galanter Ausstiegsschritt bis hin zum WC. Eine kleine Diele und ein Vorraum fehlten auch nicht. Stolz genoss ich den Blick von meiner Terrasse. Vor mir lag mein verträumtes Dörfchen Ich sah den Berg hinunter. Fernblick Pur, wenn die ersten Blätter von den Bäumen gefallen waren. Hier konnte ich in Ruhe meine kleine Familie empfangen.
Endlich kamen sie.
Ich hatte liebevoll den schmalen Wohnzimmertisch gedeckt. Für Toni Tee und für mich meinen, mir
wohlverdienten Kaffee. Ich öffnete die Tür und wies mit einer generösen Handbewegung in Richtung Stube.
Langsam schritten beide in mein Gemach.
„War die andere Wohnung nicht bedeutend größer gewesen?“, war Tonis erste Frage.
Sah sie nur die Größe oder kommt da noch was, ich meinte wenigstens eine winzige, positive….
„Also, mir gefällt es recht gut hier“, verteidigte ich mich.
Plötzlich stürzte sich Elena auf meine Sofakissen und was aus der alten Wohnung durch ihr Herum-Hüpfen davon noch übriggeblieben war.
„Mein Hüpfsofa…Mamaa, ja…ja…ja.“
„Elena, ich habe dir dort drüben in der Ecke ein Malbuch hingelegt“, sagte ich ablenkend und zeigte in Richtung Bett-Ecke.
„Da liegt doch nur ein Stück Teppich“, äußerte sich Toni kühl.
„Haben die im Kindergarten ja auch nur in einigen Ecken“, berichtigte ich und zeigte auf das Malbuch auf dem Boden.
„Ich will hierbleiben und hier schlafen bei dem Rolf, Mama.“
„Wenn du auf dem Teppich in dieser Hütte campieren willst, mein Kind?“
Toni hatte sich verändert. Sie war nicht mehr die liebliche Frau, die ich am Anfang kennen gelernt hatte. Sie war gereizt, schlecht gelaunt und zänkisch geworden. Dafür hatte ich mich den ganzen Tag abgeschuftet, sogar in manchen Herdecken mit Zahnbürstenkleinarbeit, um mir so etwas sagen zulassen?
Toni steckte sich eine Zigarette an. Während sie qualmend auf meiner Weitblick-Terrasse stand, ließ ich enttäuscht meinen Kopf hängen und stierte teilnahmslos mit Elena in das neue Bilderbuch.
„Kannst du mir auch sonen Affen kaufen Rolf?“
„Das geht nicht, dann habe ich ja noch weniger Platz. Frag mal deine Mutter, die hat bestimmt den richtigen Durchblick.“
Trotz der angeschlagenen Stimmung, schlug ich Toni vor, Elena wenigstens bei mir zu lassen, wenn sie anderweitig unterwegs sein würde. Darauf ließ sie sich ohne weitere Diskussionen ein. Juchhuh, grenzenlose Freiheit für uns Zwei.
In den darauf folgenden Tagen brachte Toni Elena immer öfter zu mir.
Sie erledigte Unmengen Amtswege. Entweder waren die Ämter geschlossen, oder die Termine wurden wieder einmal verschoben, oder die Sacharbeiter hatten Urlaub, oder…
Toni sah eben alles anders und deutete hier im deutschen Ländli die Gesetze für bescheuert und
despotisch.
Nach unverständlichen Stresssituationen der Kindergeldamtsmethoden und Harzviererpressungs-Versuchen, beratschlagten wir gemeinsam, ob es nicht vielleicht doch ratsamer wäre, vorrübergehend zusammenzuziehen, bis wir eine geeignete Wohnung für uns drei gefunden hätten.
„Direkt über dem Haus am Berg, befindet sich sogar ein Kinderhort, in den Elena sogar zu Fuß alleine hingehen könne“, wiederholte ich eindringlich.
Toni dachte darüber nach und sah es nach mehreren, überschlagenden Rechenexempeln ein.
Lange Rede, kurzer Sinn. Wir taten es einfach und zogen mit einer vorübergehenden Genehmigung des Tolleranten Vermieters, in mein „Großes“, beziehungsweise „Kleines“ Apartment zusammen. Dieser Umzug wies außerdem besondere Vorteile für Toni auf. Er verschaffte ihr ebenfalls einen beachtlichen Vorsprung vor dem Gerichtsvollzieher, als erstes in der neuen Bleibe zu sein. Omis Schnelligkeit war eben oft langsamer, als die angehenden Konsequenzen es eigentlich bei ihrer Enkelin zuließen. In Tonis prekärem Fall, waren es ja nur die unverschämt, hohen Stromkosten der alten Wohnung, mit schlecht aufzuweisender Isolierung des Hauses. Leider sind die Herren Gerichtsvollzieher auch nur Menschen, die sicherlich gewinnbringend ihres Amtes walten. Außerdem brauchte eben alles seine Zeit, um umfangreiche Forderungen wie diese, an den richtigen Mann zu bringen, zudem Omas ja keine Rennautos sind.
Meine Einsiedler-Wohnung wurde nun zu einer idyllischen Familien Cottage, und Elena begnügte sich vorerst mit dem Camping auf ihrer „Nur-Teppich-Spielecke“, wo sie mit ihrer Mama zum ersten Mal im angrenzenden, gebrauchten Hochbett schlafen durfte, das wir gekonnt in die Notnische hineingequetscht hatten. Zumindest, brauchten wir statt der Wand nur die Fußleisten zu entfernen.
Selbstverständlich schlief Elena ganz oben. Ich selbst schlief im Wohnbereich auf meinem großen Eck-Sofa. So waren wir zu einer glücklichen und zufrieden Familie zusammengerutscht.
Wir kochten, backten, spielten Spiele zusammen und pumpten uns ab und zu was bei Omi, wenn sich unser Wohlstand wieder minimiert hatte.
Kapitel 4 Zum ersten Mal zu Dritt
Eines Morgens wurde ich von einem hässlichen Streitgespräch, das Toni telefonisch mit jemand im Bad führte, geweckt. Elena schlief fest und ich versuchte krampfhaft mitzubekommen, mit wem Toni sich herumzankte. Nach einer Zeit kam sie regelrecht geschafft aus dem Badezimmer heraus.
„Es war mein Mann. Ich muss da noch mal runterfahren“, sagte sie zitternd und schluchzend.
Ich war geschockt.
„Aber warum jetzt schon wieder?“ „Das verstehst du nicht. Der setzt mich permanent unter Druck. Er braucht wieder mal die Kohle und meine Unterstützung.“
„Du wolltest doch aber weg von ihm, denke ich.“
Toni wirkte verwirrt und hatte zugleich Wut im Bauch.
„Wer bin ich denn hier in Deutschland?! Da unten bin ich wenigstens wer und gelte als reiche Frau und bin angesehen, weil mein Mann Arzt ist!“
„Weißt denn dein Arzt, dass das Geld zum größten Teil von deiner Omi kommt?“
Schweigen.
Meine Enttäuschung wollte ich mir nicht anmerken lassen und ging auf die Terrasse.
„Ja, ja, natürlich will ich von ihm weg, aber ich schaffe es noch nicht ganz Rolf.“
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