Die, die Bernd fortrissen, eröffneten, dass er nunmehr dem Friseur überreicht werden würde und setzten ihn auf eine Bank.
„Keine Sorge,“ sagte der eine, wer immer das war.“ Keine Sorge. Wo du jetzt nicht mehr sehen kannst, werden wir uns um dich kümmern, “
Und als eine Reaktion von Bernd ausblieb, brüllte er ihm in das linke Ohr “Keine Sorge. Wir kümmern uns um dich. Wo du jetzt blind und taub bist. Du bist jetzt beim Friseur. Der Friseur, bei dem du jetzt bist, wird dir die Haare schneiden.“
Der Friseur, den Bernd nicht sehen, aber verhalten hören konnte, klapperte ungeduldig mit einer wohl großen Schere, die aus Holz sein mußte und riß ein Büschel Haare aus dem Kopf. Dann setzte man Bernd ein Stück weiter auf einen Balken, um die Frisur zu waschen und zu gestalten.
Nach einem heftigen Stoß gegen die Brust klappte Bernd hinten über und verschwand rücklings unter Wasser, sofort wissend, dass dies das Taufbecken sein musste und unverzüglich in Panik ausbrechend. Zwei Leute ergriffen jeder eines seiner Beine und reckten diese in den Himmel hoch.
Bernd blubberte das bisschen Luft schwallartig aus sich heraus und versuchte krampfhaft, mit den Händen irgendwo einen Halt zu finden, fand jedoch keinen. Aber in tiefer Panik wusste er, wo er gelandet war. Im Taufbecken, in dem die Neger die Leute ertränkten. So hatte man ihm zuvor bei den Messegesprächen berichtet.
„Geh dem Tauchbecken aus dem Weg,“ hatte Norbert geraten,“ sie werden dich ertränken .Wenn du dem Tauchbecken nicht aus dem Weg gehst. Denk an meine Worte. Es ist nicht verboten, Leute im Tauchbecken zu ertränken.“
Wie hatte Bernd sich nur nicht an Norberts Rat gehalten. Wie konnte ihm das nur passiert sein. Bernd fing an Wasser zu schlucken und schlug mit den Armen und Händen wild um sich, einen der Brüder zu erwischen, an dem er sich festgebissen hätte. Sie zogen ihn an den Beinen langsam nach oben und sich zusammenkrümmend, durchbrach sein Gesicht die Wasseroberfläche. Wild schluckte er nach Luft und spuckte Wasser und den Brei im Rachen aus, der aufzuweichen begann, wie er im Unterbewußtsein registrierte.
„...mehr nicht?“ Hörte er eine Stimme und war wieder unter Wasser,
Würgend, spuckend und nach Luft schnappend, war er wieder über Wasser und keuchte, „fünf.“ Worauf Bernd erneut unter Wasser war. Allmählich schwanden ihm die Sinne. Er schluckte erneut Wasser. Dann war wieder Luft und Helligkeit und es gelang endlich einen der vier Eckpfosten zu greifen, um den er seinen Arm wickelte, spuckte, dann keuchte, und schließlich brüllte, nachdem ausreichend Luft gesaugt war: “Schwaches Herz. Ich hab ein schwaches Herz. Ich krieg einen Herzinfarkt.“
Die schwarzen Neger sahen ihn mitleidig grinsend an und zogen seine Beine höher, aber er hielt den Arm um den Balken gewickelt und hätte ihn sich ausreißen lassen, bevor es wieder Unterwasser gehen würde. Sie zogen mit aller Kraft an den Beinen, hatten aber eine ungenügende Hebelwirkung und wurden wütend. Sie waren schwarz. Überall. Sie hatten sich mit Schuhkreme eingeschmiert. Bernd erkannte einen Matrosen, der andere kam aus der Maschine. Er konnte wieder sehen. Verschwommen. Das Wasser begann die Fette zu lösen.
„Laß den Balken los,“ brüllte der Matrose wütend und stellte sich auf die Zehenspitzen um Bernds rechtes Bein weiter nach oben ziehen und damit seinen Griff zu lösen und den Kopf unter Wasser zu bringen.
„Herz,“ japste Bernd in Panik. „Herz.“ Weil ihm nichts besseres einfiel. Aber sie wollten nicht hören und kamen auf eine andere Idee. Sie griffen seinen Kopf und duckerten ihn unter. Wieder unter Wasser. Mit etwas mehr Luft. Vielleicht für dreißig Sekunden. Und mit noch größerer Panik. Bernd merkte, dass sie anfingen, seinen Arm, der sich noch festkrallte, von dem Balken abzupuhlen und hatte plötzlich ein freies Bein, mit dem er sich sofort mit voller Wucht vom Boden abstieß und kurz mit dem Kopf über Wasser kam, jedoch gleich wieder in der fettigen Brühe untergetaucht wurde. Es ging dem Ende zu. Die Kräfte ließen nach. Bernd war verloren.
Aber sie hatten ein Einsehen und ließen ihn erneut über die Oberfläche.
„Und wie viel jetzt?“ Fragte der Matrose.
„Zehn,“ keuchte Bernd. Sie sahen sich an und begannen sich gegenseitig mit den Köpfen zuzunicken.
„Zehn ist gut,“ sagte der Mann aus der Maschine und rief nach außerhalb des Taufbeckens, “holt ihn ab. Er ist gereinigt und sauber.“
Zwei der bekannten Polizisten nahmen sich seiner an, der er kaum noch zu stehen vermochte und stellten ihn in das sprudelnde Wasser des Windhosenkopfes. Und da stand Erwin, grinsend, mit einem alten Trapperhut mit herabhängender Krempe auf dem Kopf und einem dicken Tampen in der rechten Faust.
Erwin, Matrose, und Bernd konnten nicht gut. Genauer, sie konnten überhaupt nicht. Sie konnten sich gegenseitig nicht ausstehen und Erwin hatte oftmals den Wunsch geäußert, Bernd eine reinzuhauen. Jetzt hatte er die Gelegenheit.
Ein Windsack ist ein zehn bis zwölf Meter langer Schlauch mit einem Durchmesser von sechzig Zentimetern. Er besteht aus schwerer Persenning und wird durch hölzerne Ringe in Abständen von etwa hundert Zentimetern in runder Form gehalten. Unten und oben ist er offen. Oben ist er nur an einer Seite, der Seite, die in den Wind gedreht wird, offen, so dass sich hier das Wasser staut und überläuft, wenn er flach auf dem Boden liegt und der Deckschlauch mit sechs Atmosphären Druck im unteren Schlauchende festgebunden ist. Damit das Wasser nicht herausfließt und den ganzen Schlauch beständig füllt, wird das untere, offene Ende entsprechend angehoben. Windsäcke werden zur Lüftung von Laderäumen benutzt, wann immer das zweckmäßig erscheint. Und Windsäcke werden bei der deutschen Handelsmarine zur Äquatortaufe vorzugsweise verwendet.
Erwin stand in der Mitte des Schlauches breitbeinig über diesem. Er mußte Bernds Arsch durch die teilweise durchhängende Persenning erkennen, wenn Bernd unter ihm durchkrauchen würde. Es galt, den zehn Meter langen Schlauch zu durchtauchen und gegen den mit sechs Bar Druck pressenden Wasserschlauch anzukämpfen. An Luft war im Schlauch nicht zu kommen. Und es galt rasch damit fertig zu werden, bevor Erwin sich mit seinem dicken Arsch auf irgendeinen Teil von Bernds Körper setzen und mit dem Tampen durch die Persenning ihn verprügeln würde, was er zweifelsfrei vorhatte. So standen sie sich gegenüber und ließen sich Zeit. Denn Eile war nicht erforderlich. Dies hier war Neptuns letzte Prüfung. Aber durch musste man.
„Komm schon, du Arschloch,“ grinste Erwin und wirbelte spielerisch den Tampen durch die Luft. Komm schon.“ Während Bernd immer noch nach Luft schnappte und versuchte, sich von der fürchterlichen Erfahrung der Taufe zu erholen.
„Mach schon,“ sagte einer der beiden Polizisten,“ die anderen Täuflinge wollen auch noch durch.“
„Wenn du nicht machst,“ sagte der zweite Polizist prügeln wir dich durch.“Die anderen Täuflinge warten schon. Wie viele haben wir eigentlich noch Karl. Laß uns ihn da durchprügeln, damit wir uns über das Bier hermachen können.“ „Komm schon,“ grinste Erwin behaglich.
Bernd stürzte sich auf die Knie, tauchte in den Sack, stieß sich mit beiden Beinen an dem Sackende ab und begann wie ein Irrer zu krabbeln. Er kam voran. Aber dann bemerkte er einen Druck auf den Oberschenkeln und wurde flach auf den Boden des Schlauches gepresst. Erwin hatte sich auf ihn gehechtet. Bernd konnte das Helle am Ende des Schlauches sehen. Aber die Luft wurde knapp. Mit den Fingernägeln zog er sich unter Erwin weiter. Dem Lichtschein entgegen. Seine Beine begannen unter Erwin durchzurutschen. Über seinem Kopf befand sich einer der Holzringe. Erwin bemerkte, dass Bernd unter ihm unter den Holzring entglitt und sprang auf, eine bessere Position zwischen den beiden nächsten Ringen zu erreichen. Er schlug mit dem Tampen wie wild auf die Persenning, wie Bernd über das Rauschen des Wassers zu hören vermochte. Dann war er wieder auf ihm, erwischte jedoch nur die Unterschenkel. Das Licht war jetzt hell. Bernd sah den Wasserschlauch, der ihm Wasser in die Nasenlöcher trieb und er sah, dass er nur noch zwei Ringe von der Öffnung entfernt war. Aber Luft hatte er keine mehr. Offenbar unzufrieden mit seinem Halt sprang Erwin erneut hoch und gab die
Читать дальше