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Der abtrünnige Priester und Gotteskrieger Donovan machte sich ähnliche Gedanken auf dem langen Flug nach Rabaul. Man muss nicht unbedingt eine Intelligenzkanone sein, um den Sinn im Unsinn seiner Bruderschaft zu durchschauen. Jede kriminell orientierte Organisation baut bei der Ausbildung ihres Nachwuchses auf die Sensibilisierung animalischer Instinkte der wehrlosen Zöglinge auf. Mit geschickten Methoden kann man sogar Gras fressende Schafe so abrichten, Menschen gegenüber aggressiv zu wirken.
Das menschliche Wesen dagegen ist von Natur aus mit allen denkbaren Instinkten ausgestattet, dessen Sensibilisierung auf vielfältige animalische Verhaltensformen anpassbar ist. Je nach körperlicher und mentaler Situation lassen sich Waisenkinder in den isolierten Zuchtschulen in jede denkbare Richtung formen. Donovan war nur einer von vielen solcher chancenloser Kreaturen. Einer, der seinem Peiniger für jeden Peitschenschlag in seiner kindlichen Phantasie den Tod wünschte.
Er und seinesgleichen, die Peitschenhiebe statt Streicheleinheiten erfahren mussten, kannte aus eigener Erfahrung wie grausam der Gott war, zu dem sie gezwungen wurden um Gnade und Vergebung zu bitten. Gnade, für Taten die sie nicht begangen hatten, Vergebung für ihr Schicksal, in Obhut der Stiefmutter Kirche geboren worden zu sein. Eine Kirche die vorgibt im Namen eines gütigen himmlischen Vaters zu handeln, dessen Zuchtmethoden es sind, aus unschuldigen Engeln auf perfideste Weise blutdürstige Bestien zu schmieden. Diesem himmlischen Vater glaubte Donovan kein einziges Wort, obwohl er nie dazu kam ihn sprechen zu hören.
„An den Taten werdet ihr die Bösen erkennen und nicht an den Gebeten die sie auswendig gelernt herunterleiern“, flüsterte ihm eine alte von Leid gezeichnete Nonne heimlich ins Ohr, als sie versuchte den weinenden Jungen zu beruhigen. Der damals zehnjährige Donovan beichtete am nächsten Tag diesen Spruch seinem Peiniger. Die alte Nonne sah er nie wieder, aber ihr flüstern im Ohr hörte er jede Nacht vor dem Einschlafen.
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Der Pilot der gecharterten Maschine kündigte den Anflug auf die Landepiste von Rabaul an. Donovan war der einzige Fluggast. Laut Charterauftrag, ein Vertriebsdirektor einer Spielzeugfirma aus Hongkong, die sich auf neumodische batteriebetriebene kleine Roboter und Astronauten spezialisierte. Sogar eine Kontaktadresse und Hotelreservierung hatte er parat, falls die Zollbeamten am Flughafen neugierig werden sollten.
Während der Zollabfertigung wurde Donovan routinemäßig nach zollpflichtigen Waren gefragt. Er öffnete die zwei braunen Koffer und sah eine Warenliste die obenauf lag. Sie diente als Dokument für die Abrechnung der Zollgebühren. Die Beamten erwarteten eines dieser Spielzeuge als Geschenk zu bekommen. Donovan dachte nicht daran den Mann und seine Familie ins Unglück zu stürzen. Er überhörte einfach die plumpe Anspielung des Beamten. Nachdem alles Formelle geklärt war, hing er wortlos seine Reisetasche um den Hals, ergriff die braunen Koffer und schleppte sie mit Mühe zum Taxistand. Der Taxifahrer bemühte sich ebenfalls mit großer Anstrengung die schweren Koffer im Kofferraum zu verstauen.
„Wo soll’s denn hingehen mein Herr?“, fragte der schnaufende Taxifahrer. Donovan nannte den Namen des Hotels und setzte sich auf den Beifahrersitz. Er vermutete dass ihn jemand aus seinem Verein beobachtete. Diese Leute ließen nie etwas geschehen ohne einen Aufpasser, der die Abläufe genau kontrollierte. Donovan schaute zum Ausgang in der Hoffnung, einen Aufpasser zu entdecken. Er wusste allerdings nicht, dass die Aufpasser längst mit einer Yacht aus Rabaul getürmt waren. Auf diesen Gedanken kam er erst beim Einchecken im Hotel. Während der Concierge die Formalitäten erledigte, schaute sich Donovan diskret in der Hotellobby um. Er konnte einen Detektiv oder Geheimdienstler auf Anhieb erkennen.
Zwei alte Damen tranken ihren obligatorischen Nachmittags Tee. Zwei junge sportlich gekleidet Damen winkten ihm vom Barhocker ausgelassen zu. Er fragte sich in diesem Moment wann ihn zuletzt eine sinnliche Erregung übermannte. Oberflächliche Begegnungen mit leichten Damen bereiteten ihm stets Unbehagen. So etwas musste er immer sorgfältig vorbereiten. An seinem Körper klebte ein ganzes Arsenal von nützlichen Dingen, die für seinen beruflichen Einsatz gedacht waren. Ein spontaner Striptease im Hotelzimmer erschien deswegen ausgeschlossen. Eine der Damen merkte sein zögern. Sie sprang vom Barhocker und marschierte schnurgerade zur Rezeption.
„Ich nehme an Sie sind Mr. Donovan?“ Ohne seine Antwort abzuwarten fügte sie hinzu: „Sie werden im Zimmer zweihundertelf erwartet. Um ihr Gepäck kümmern wir uns schon.“
„Woher kennen Sie meinen Namen?“, fragte er freundlich verwirrt.
„Manche Träume sind keine Schäume, Mr. Donovan. Sie wissen was ich meine“, erwiderte sie kokett.
„Und ob ich das weiß“, flüsterte er erleichtert mehr für sich. Die Anspielung an seinen Traum war eindeutig. Er verbeugte sich leicht zu der jungen Frau, schritt schweigend zum Aufzug und wartete gespannt, ob sie ihm folgte. Die Aufzugtür öffnete sich und er stieg ein. Noch bevor die Tür wieder schloss, sah er die beiden Damen an der Bar, die ihm noch einmal zuwinkten. Unterwegs zum zweiten Stock wunderte sich Donovan nicht, dass die junge Dame an der Bar auf ihn wartete. Seine bis dahin verlebten Tage gestalteten sich ziemlich öde und einsam, mit gelegentlichen Maskeraden durch kurze aufregende Aktivitäten, mit extrem destruktiven Ergebnissen. Deshalb erschienen ihm diese letzten Tage bizarr, surreal, befremdend. Er wagte sich nicht weiter nachzudenken, denn nach den Lehrsätzen seiner Ausbilder brauchte er der Menschheit gegenüber für seine Untaten keinerlei Schuldgefühle zu zeigen. Jedoch musste er vor dem Gottvater, im Beisein des schwarzen Prinzen, für jedes noch so kleine Vergehen büßen.
Im zweiten Stock angelangt ging die Aufzugtür auf. Der Flur war leer. Donovan stieg beruhigt aus von niemandem erwartet zu werden, der ihn mit der Pistole unter der Nase zum Zimmer zweihundertelf begleiten wollte. Was ist das für eine Welt in der er eingetreten war. Er träumte oft, wie viele aus seiner Bruderschaft, sich irgendwann aus dem Staub zu machen. Manche versuchten es, sind aber doch wieder erwischt worden. Die Welt die er kannte, von hochintelligenten Psychopathen entworfen, in Jahrhunderten bis ins kleinste Detail optimiert, die Welt der perfektionierten Abartigkeit, Paranoia bis in die Markknochen. Eines war sich Donovan gewiss, dieser demütigenden Welt wollte er entrinnen. Kaum stand er vor der Zimmertür zweihundertelf, ging die Tür von allein auf.
„Seien Sie herzlich willkommen Mr. Donovan“, begrüßte ihn ein sportlich gekleideter junger Mann. Er ging zur Seite und deutete mit einer Handbewegung den Gast einzutreten. Als wenn ihm unbekannte Menschen überall Augen und Ohren hatten, wussten sie genau wer er ist und wo er sich gerade befindet. Das Unbehagen das er im Aufzug verspürte, löste sich auf einmal in Erleichterung auf.
„Mein Name ist Ezra, darf ich Ihnen ein Erfrischungsgetränk anbieten?“
„Ein kaltes Bier wäre mir recht”, lautete kurz seine Antwort.
„Sehr wohl Mr. Donovan, machen Sie es sich bitte auf dem Sofa bequem.“
Während Ezra den Kühlschrank öffnete und zwei Flaschen Bier heraus nahm, wanderten Donovans prüfende Augen durch den Raum. Aus eingefleischter Gewohnheit setzte er sich in die Ecke mit der Sicht zur Tür des Nebenraumes. Ezra brachte auch zwei Gläser mit, öffnete die Bierflaschen und goss beide Gläser aus einer Flasche halbvoll. Mit dieser wohlbedachten Geste demonstrierte Ezra die ehrenhaften Absichten. Sie prosteten einander zu und tranken die Gläser leer.
„Mein allererstes Freibier in Freiheit, verbindlichen Dank Mr. Ezra. Wie soll es weiter gehen?“, fragte Donovan und wischte sich den Schaum vom Mund.
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