Das Bild wechselte jetzt zur bewaldeten Böschung. Ein hagerer dritter Mann war damit beschäftigt die Gewehrhülsen aufzusammeln und Fußspuren mit einem Eukalyptuszweig zu verwischen. Als er damit fertig war zeichnete er mit dem Gewehrlauf zwei kleine Kreuze in den Sand, bückte sich nach unten und spuckte zweimal drauf.
„Schmort in der Hölle ihr Dummköpfe“, flüsterte er als er zurück ging. In einer Hand das Gewehr in der anderen Hand den Eukalyptuszweig. Schließlich verschwand der hagere, grauhaarige Mann im Morgengrauen hinter den Büschen.
„Ich wünschte ich hätte scharfe Fotos von der Szene oder Filmmaterial mit Tonaufnahmen gemacht. Danach würde ich den Scheißkerl an ein Brett wie einen giftigen Käfer annageln“, versuchte Donovan sein Entsetzen in Worte zu fassen.
Noch nie zuvor wurde dem abgebrühten Profikiller und Bombenleger Donovan so kristallklar bewusst, bei welchem schizophrenen, verlogenen Verein er sein ganzes Leben verlebt hatte.
Die Geschichte des römisch - katholischen - jüdischen Reiches ist eine endlose Kette von schizophrenen, obszönen Exzessen jeder denkbaren Art. Nichts, aber auch gar nichts haben diese Männer unerprobt ausgelassen. Alleine die Hexenjagdperiode füllt ganze Bibliotheken von unbeschreiblichen Leidensgeschichten unschuldiger weiblicher Seelen. Dreiviertel aller kirchlichen Gebäude sind durch Beschlagnahme von Wertgegenständen der Hexerei beschuldigten Menschen finanziert worden. Er der Ex-Killer Donovan kannte die Zahlen und Summen, die alleine durch sein Einwirken nach Rom geflossen waren. Er war sich absolut sicher, dass mindestens zwanzigtausend seinesgleichen dabei sind, Milliarden an Geldern auf jede denkbare krumme Weise in die Tresore des Vatikans zu schaufeln.
Donovans kochende Galle hatte lange Übungszeit. Selbst als kleiner Junge, Hausgeburt einer unbekannten Nonne und einem bekutteten Freier, der es bei ihr stellvertretend für den Bräutigam Christi, zwischen den mageren Schenkeln getrieben hat. Selbst ein Kuckucksei-Sprössling, der Peitsche statt Streicheleinheiten erdulden musste, selbst zur Bestie gedrillt, selbst zum Tötungswerkzeug missbraucht, selbst als Teufelssoldat gegen die Ahnungslosen ins Schlachtfeld gezogen. Nicht eine einzige Sekunde seines Lebens konnte der abgerichtete Dobermann Donovan die Präsenz eines gütigen Gottes unter den Gemäuern dieser römischen Teufel erfahren.
Donovan kannte auch andere, zum Schein konkurrierende bekuttete Vereinsbrüder, solche die Turbane trugen, oder sich kleine Käppchen aufsetzten und sonstige heilige Schurken dieser Erde. Diese und jene die subtilere Züchtungsmethoden für ihre kleinen und großen Dobermänner anwandten. Sie alle kämpfen um die Ehre eines Gottes den es nur deswegen geben muss, so lange der letzte Raubritter unter den ahnungslosen Menschen sein Unwesen auslebt.
Für Aufgeklärte wie Donovan galt seit langem die Erkenntnis: Nur ein perfider Teufel konnte einen gütigen Gott erfinden, sich mit seinen unerfüllbaren Versprechungen schmücken, sich als Gottesmann unter die Menschen mischen, die unerfüllbare Gesetze erfinden, unvorstellbare Gräueltaten an der Menschheit in seinem Namen verrichten, im eigenen Haus unstrafbar Sodom und Gomorrha auskosten, die Menschheit als ewig Sündige abstempeln, unsagbare Reichtümer in seinem Namen als Blutzoll kassieren, sich selbst als unfehlbar deklarieren, die Menschheit in ein globales Sklaventum degradieren.
Donovans Lieblingsspruch war: Wer sich im Namen Gottes vom Teufel den Kopf rasieren lässt, dem ist das Sklavenschicksal einprogrammiert.
Andererseits kannte er auch viele fürsorgliche bekuttete Gutgläubige, die genauso veräppelt wurden, wie die gutgläubigen Zivilisten. Nicht jeder Sizilianer ist unbedingt ein Mafiosi, nicht jeder Mafiosi ist unbedingt ein Sizilianer. So verhält es sich in allen Dingen des menschlichen Wirkens, so auch bei den Klerikern.
Donovan kannte sich aus bei den Popanzen die gerne Peperoni und Knallerbsen züchten, damit die Menschheit niemals in paradiesische Gewässer geriet. Wer sollte ihnen sonst die Mogelpackung himmlischen Paradieses zum teuren Preis verkaufen? Hier die Hölle auf Erden, über den Wolken das Paradies, das ist der Formel-1 Rennwagen des Bösen jeglicher Sorte.
Donovan erfuhr die Wahrheit aus erster Hand. Das Kürzel J.P. erst jetzt ging ihm ein Licht auf, es musste Joshua Pantera, bekannt als Jesus Christ gewesen sein, der ihn im Traum so ausführlich aufgeklärt hatte, das der gütige Gott nicht im Himmel sitzt, sondern in jeder menschlichen Seele ist. Dort wird dieses göttliche Wesen vorübergehend durch anhaltende Doktrin der Kleriker unterdrückt. Man muss diese kindlichen Horrorbücher wegräumen und sich der ernsthaften aufgeklärten Literatur der Erwachsenen, nämlich dem bewussten Gott-Mensch-Wesen zuwenden. Noch in seinem Inquisitionsprozess schrie Galilei: „Und die Erde ist doch eine Kugel.”
Donovan dichtete auch seinen letzten Befreiungsschrei, noch bevor dieser Satan auch seine Seele platzen ließ: „Der Mensch ist das wahre Gottwesen im Universum. Ein singulärer himmlischer Gott ist der erbärmliche Sklave des Pluralen Satans auf Erden.“
„Kein schlechter Spruch für einen Ex-Dobermann des Satans“, flüsterte ihm die M.M. zu. Wahrlich ein trefflicher Spruch, der jedem aufrichtigen Zivilisten gut zu Gesicht und Seele stehen werde. Der erleuchtete Donovan beendete seine tiefsinnigen Grübeleien und entschied das letzte Bild auf der Buchseite mit dem Zeigefinger zu berühren.
Das Bild zeigte jetzt den Yachthafen von Rabaul, samt Promenadenpier aus der Vogelperspektive. Vier stattliche Segelyachten dicht beieinander lagen am Pier vertäut. Auf der zweiten Yacht einem alten Schoner wimmelte es von fleißigen jungen Menschen, die damit beschäftigt waren einen Mast aufzurichten. Er war so sehr von der Szene fasziniert, dass er gar nicht merkte wie das Bild allmählich größer wurde. Erst als er die Gesichter der jungen Menschen an Deck deutlich erkennen konnte, sah er die Veränderung. Jetzt dämmerte es ihm welchen Zweck der Auftrag seines Meisters haben sollte. Er betrachtete die Gesichter der jungen Menschen ganz genau. Er, der Ex-Dobermann kannte sich in der Kunst bestens aus, menschliche Charaktere einzuschätzen. Beim besten Willen konnte er nicht einen Hauch von Böswilligkeit bei diesen jungen Menschen entdecken.
Ein völlig anderes ihm bis dahin unbekanntes Gefühl durchströmte seine Brust. Er wünschte sich so sehr einer dieser Jungs zu sein. Unter gewöhnlichen, sorglosen Menschen aufgewachsen zu sein, sich dem Leben jeden Morgen zu erfreuen. Er kannte aus seiner Kinderzeit nur abgemagerte blasse Gesichter der Nonnen, deren flüsternde Stimmen jedoch scharf wie Rasiermesser waren. Ihr vor Enthaltsamkeit vorzeitig ergrauter Geist, deren Zielstrebigkeit es war, die innere Armut ihrer eigenen Kinderzeit auf die wehrlosen Waisenkinder zu übertragen.
Donovans Ausbilder oder Zuchtmeister behaupteten, stets im Dienste eines gütigen Gottes, im Sinne seiner Gesetze zu handeln. Er erkannte keinen Funken Liebenswürdigkeit in den Peitschenhieben. Genauso wenig konnte er begreifen, wozu ein gütiger Gott gehorsame Sklaven brauchte. Nach seiner kindlichen Logik sollte ein liebender Gott den Kindern lauter kleine Nettigkeiten wünschen. Harte Peitschenhiebe vor dem Schlafen, ungenießbare Nahrung, Züchtigung jeglicher Art und zu jeder Tages und Nachtstunde, schmerzhafte Tortouren, statt lieb gemeinter Nettigkeiten. Der gütige Gott kann nur ein Teufel sein, der sich unter falschem Namen in die Welt der kleinen Kinder eingeschlichen hat. Die Priester und Nonnen die ihn traktierten, waren für Donovan die Handlanger dieses Satans.
Bei der Betrachtung der Szene die sich auf dem Deck abspielte, erledigten die jungen Menschen in Harmonie und Freude ihre Arbeit. Sie taten es ohne einen grimmigen Zuchtmeister, der mit einer Peitsche daneben stand. Was er sah, ließ ihm vor Freude eine Gänsehaut den Rücken hinunter laufen. Der erschütternde Gedanke, diesen Hafen samt friedlichen Menschen im Feuer einer gigantischen Explosion für immer auszulöschen, war auch für den Ex-Killer Donovan dann doch zu viel. Wer auch immer sich solch einen abscheulichen Plan ausdachte, kann unmöglich ein geheilter Diener eines gütigen Gottes sein. Während er diese verschwitzten, strahlenden Gesichter der Jugend an Deck des Schoners beobachtete wurde ihm plötzlich klar, dass diese jungen Menschen genau das Gegenteil dessen verkörperten, was seine Zuchtmeister und Auftraggeber vorgaben zu sein. Die schiere Angst seiner Auftraggeber etwas preisgeben zu müssen, musste etwas mit den jungen Leuten zu tun haben. Der einzige Weg dies herauszufinden, sollte ihn zwangsläufig direkt zu diesen Menschen führen.
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