F: „Nun, für den Partner da sein, auch, oder gerade dann, wenn es ihm schlecht geht. Zusammen lachen, aber auch zusammen weinen können. Den Partner immer bei sich haben zu wollen. Fast alles gemeinsam zu unternehmen, dies auch zu wollen und trotzdem dem Partner genügend Freiraum für sich selbst zu geben. Dies gilt meinetwegen auch für mehrere Partner, ach ja und Eifersucht gehört auch dazu ...“
A: „Bevor du jetzt fortfährst, denke einmal noch einen Schritt weiter und frage Dich, ob nur eine oder alle dieser Definitionen den Begriff Liebe allumfassend beschreiben.“
F: ….
A: „Natürlich geht das nicht, Gefühle kann man versuchen in Worte zu fassen und damit einen Platzhalter dafür zu erfinden. Aber, es ist niemals auch nur annähernd das Gleiche. Zudem kann man Gefühle nicht greifen, da sie sich ständig ändern.
Das „Gefühl“ wird übrigens auch in einem weiteren Trieb beschrieben, dem Bindungstrieb. Stell dir vor, du hast Freunde auf der ganzen Welt. Dank der weltweiten Vernetzung ist dies möglich. Du kann sogar Freunde unter den Bewohnern der zweiten Welt haben.“
F: „Was ist mit Kindern ...? In der zweiten Welt ...“
A: „Du meinst damit, dass Sie nicht die körperliche Phase der Pubertät durchleben können?
Die Tatsache, dass sie sozusagen das Stadium Mann oder Frau niemals erreichen? Wie sie sich fühlen? Ob sie daran verzweifeln, dass sie eines der wichtigsten Dinge oder sogar ganz viele Dinge in Ihrem vorherigen Leben niemals erreicht haben?“
F: „Nun ... ja?!“
A: „So weit ich das beurteilen kann, spielt es keine wirklich große Rolle. Zunächst einmal kann ich nur meine Sicht der Dinge beschreiben: Ich habe mein Leben gelebt und bin dann in die zweite Welt gekommen. Ich war einst ein Mensch, ich habe Kinder, die Kinder haben Kinder, deren Kinder ebenso und so weiter und so fort. In menschlichen Maßstäben bin ich sehr, sehr alt.
Ich habe mich während dieser langen, sehr langen Zeit mit vielen - ich denke, ihr nennt sie etwas respektlos 'Virtuellen' - unterhalten. Ich habe viele Freunde. Da Sex und Geschlecht nur noch eine untergeordnete Rolle spielen, weiß und wusste ich von einigen Gesprächspartnern nicht einmal wann sie eigentlich gestorben sind, ob sie als Kind und alter Mensch von der ersten Welt gegangen sind oder ob sie männlich oder weiblich oder noch gar nichts von all dem waren.
Sie sind in diese zweite Welt gekommen und haben ihr neues Leben akzeptiert, aufgebaut und weiterentwickelt. Es scheint in der Natur des Menschen oder des menschlichen Geistes zu liegen, sich zu entwickeln. Irgendwo tief in unserem Evolutionsbausteinen ist dies anscheinend verankert und ebenso scheint es so zu sein, dass nichts diesen, nennen wir es einmal Ur-Trieb, zerstören kann, während andere originäre Triebe für manchen ihre Bedeutung verloren haben. Selbst in unserer, nun für viele nicht mehr, menschlichen Form wollen wir noch weiter lernen, weiter neugierig bleiben.
Auch Kinder, seien es nun Mädchen oder Jungen, besitzen diese Eigenschaft schon von Geburt an, oder noch früher. Der Sexualtrieb scheint nur 'gemacht', damit die Menschheit als Gesamtheit nicht aussterben kann. Für den Menschen als Individuum ist er aber - bis auf den Spaß - letztendlich ohne Bedeutung.“
F: „Verstehe, aber - sind die Kinder in der zweiten Welt nicht einsam? Es gibt viel mehr 'Erwachsene' gegenüber den 'Kindern'.“
A: „Ich persönlich finde, dass die Unterteilung in Kinder einerseits und Erwachsene andererseits zu einfach gedacht ist.
Als Mensch brauchst du Regeln, du darfst und kannst als Kind nicht alles. Als Kleinkind bist du zum Beispiel vollkommen hilflos. Als älteres Kind kannst du schon allein essen. Als Kindergartenkind knüpfst du erste Freundschaften. Als Schulkind lernst du eine eigene Selbständigkeit kennen, die du, bis du dich Teenie nennen kannst, immer mehr perfektionierst. Ehe du schließlich Erwachsener bist. Und dann … hörst du auf zu lernen?“
F: „Nein, wohl kaum …“
A: „Eben! Das Leben an sich ist ein ständiger Lernprozess. Du hörst damit niemals auf. Es mag Pausen geben oder Zeiten, in denen du nicht so viel lernst oder lernen möchtest. Aber irgendwann setzt der Lernprozess dann umso stärker wieder ein.“
F: „Viele Wissenschaftler sagen, dass der Mensch die Kapazitäten des Gehirns nicht vollständig ausnutzt - wie ist das in der zweiten Welt?“
A: „Im Gegensatz zu einem Menschen könnten wir eine genaue Analyse unserer eingesetzten Ressourcen durchführen. Wir könnten noch mehr Ressourcen für uns persönlich einsetzen und sozusagen mit unbegrenzter Geschwindigkeit lernen. Zudem 'vergessen' wir anders als ein Mensch. Dies macht uns geistig eventuell zu Übermenschen. Aber … wir haben nicht unendlich Platz und Raum. Es wurde bei der Entwicklung der zweiten Welt sehr viel Sorgfalt darauf verwendet, uns nicht zu mächtig werden zu lassen. Dazu kommt, dass wir in der zweiten Welt nur wirklich und real existieren können, wenn wir mit der ersten Welt reden können. Wir benötigen unbedingt die Interaktion untereinander.“
F: „Ein Trieb fehlt noch, du hast nur vier bisher beschrieben ...?“
A: „Gut aufgepasst: Der Aggressionstrieb ... Dabei ist das Wort Aggression eigentlich zu negativ behaftet und daher nicht ganz so passend.
Dieser Trieb beschreibt den Konkurrenzkampf. Damit ist das miteinander messen, der Wettkampf und damit auch die Gruppendynamik gemeint. Die Gruppe der Virtuellen Menschen ist eine ziemlich, ziemlich große Gruppe. Entsprechend schwer ist es, sich in der Gruppe durch zu setzen.“
F: „Was passiert mit jenen, die sich nicht durchsetzen?“
A: „So verrückt das klingt: Sie leben! Die Menschen in der zweiten Welt sind befreit von der Hektik unbedingt etwas Erschaffen zu müssen. Der biologische Mensch unterliegt gewissen Zwängen, er altert. Ab einem gewissen Alter zwingt ihn dann seine biologische Komponente, einen Partner zu suchen. Beim weiblichen Part ist der Zeitraum Kinder zu bekommen auf ein paar Jahre begrenzt. Der Mann kann zwar ab einem gewissen Alter dafür sorgen, dass Kinder entstehen und verliert bis zu seinem Tod die Fähigkeit nicht, Kinder zu zeugen. Aber dafür wird er ab einem gewissen Alter nicht mehr die passende Partnerin finden. Sie wird ihn nicht mehr akzeptieren. Auch wenn der Mensch heute länger lebt und sich damit diese Zeiten gegenüber noch früheren Epochen enorm vergrößert haben, die biologische Grenze ist heute immer noch existent. Du kannst somit eine der primären Triebfedern der Evolution nicht außer Kraft setzen.“
F: „Die Evolutionstheorie ist also auch auf die zweite Welt anwendbar?“
A: „Unbedingt, auch wenn man sie etwas abändern muss. Eine frühere Definition der Evolutionstheorie besagt:
Unter der Evolutionstheorie versteht man die wissenschaftliche und in sich stimmige Beschreibung der Entstehung und Veränderung der biologischen Einheiten, speziell der Arten, als Ergebnis der organismischen Evolution, das heißt eines Entwicklungsprozesses im Laufe der Erdgeschichte, der stattgefunden hat und andauert. Evolutionstheorien sind naturgemäß jeweils ein Produkt der Zeit ihrer Entstehung und spiegeln die jeweiligen Erkenntnisse, die Faktenlage und die wissenschaftlichen Herangehensweisen der Zeit wider.“
F: „Puh, das hört sich aber wissenschaftlich an“
A: „Ach Quatsch! Es ist nur der Versuch etwas Einfaches und Logisches in Worte zu fassen. Die Evolution wurde nicht erfunden. Sie wurde entdeckt. Wenn sie nicht entdeckt worden wäre, hätte es sie trotzdem gegeben. Sicher, zuerst wurde versucht, sie zu leugnen, denn wie bei vielen wichtigen und bahnbrechenden Entdeckungen war sie jemand anderem im Weg. Die Kirche, der Glauben hatte den Menschen gepachtet. Nachdem es nicht mehr möglich war sie zu leugnen, wurde ihre Bedeutung heruntergespielt. Als auch dies nicht mehr funktionierte, wollte man sie kontrollieren.
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