Wer auf dem Floss standhaft bleibt, reicht dem Unterlegenen die Hand und zieht ihn aus dem Wasser heraus. So wechseln die Paarungen in dieser Nacht ab, bis nur noch zwei Fechter
für den Entscheidungskampf anstehen.
Die Zuschauer erfahren erst jetzt wer ins Finale kommt. Da nicht verraten wird, wessen Gesicht sich unterm Helm verbirgt, gibt es immer wieder interessante Überraschungen.
Redner Fritz: „Wir dürfen uns jetzt auf das alles entscheidende Finale freuen. Es wird mit der langen Stange ausgetragen, die Waffe der Meister. Unsere Favoriten heißen Berthold, aus der Leibgarde unseres Königs Lukas den Dritten!“
Die Zuschauer applaudieren.
„Und unser zweiter Finalist dieses Kampfes ist …“ Redner Fritz kostet die Spannung für einen kleinen Augenblick aus. „Fürst Albert von Steinberg!“
Erneuter Beifall.
Die Kontrahenten nehmen gekonnt die liegende Stange vom Boden, indem sie sie auf ihren Fußspann rollen, den Fuß heben und die Stange in ihre Tatzen führen. Eine besondere Ausrüstung schützt die Kämpfer vor den gefährlichen Stößen ihres Kampfpartners. Die Spitzen der lanzenförmigen Waffen werden entzündet. Sie sind mit Lappen umwickelt, welche mit brennbarer Flüssigkeit präpariert worden sind. Das Ende einer Waffe ist aus Sicherheitsgründen kugelförmig gearbeitet.
Der Kampf wird freigegeben. Die Kontrahenten bedrohen einander und suchen Lücken, geben oder provozieren diese. Der erste Kontakt ist hergestellt. Berthold will stark nach vorn, doch Fürst Albert von Steinberg manövriert durch gekonnte Fußarbeit den Angriff aus und pariert. Berthold bekommt das sofort mit und löst sich vom Kontakt. Ohne im Geringsten zu Zögern stößt sein Kampfpartner nach vorn. Berthold rechnet damit, pariert den Angriff und will zur Tatze schlagen. Geschickt bringt Fürst Albert seine Tatzen in Schutz, führt mit einer kleinen Kreisbewegung die Stange seines Kontrahenten nach außen und stößt unerbittlich zu. Berthold kann gerade noch ausweichen und stößt tief dagegen. Der Kampf ist voll im Gange. Einer muss jetzt endgültig die Oberhand gewinnen, um den Kampf für sich zu entscheiden. Der Kampf dauert nur noch wenige Augenblicke und Berthold bekommt einen wuchtigen Stoss zum Kopf, dem er nicht mehr ausweichen kann. Dabei katapultiert es ihn so stark nach hinten, daß es ihn aushebt und er ins Wasser stürzt. Fürst Albert von Steinberg sichert sich nach seiner Stossbewegung ab, so als ob er noch mit einem Angriff rechnen müsse. Im nächsten Augenblick lässt er die Stange fallen und eilt seinem Kampfpartner zur Hilfe, den er noch etwas benommen mit dem Wettkampfrichter aus dem Wasser fischt.
Ich war begeistert. Max lächelte einfach nur. Er bereitete ein leckeres Abendessen vor. Wir unterhielten uns darüber, was wir morgen erledigen müssen. Am Abend ging ich diesmal erst spät zu Bett.
Als ich erwachte, befand ich mich in der Höhle und wunderte mich über meinen Traum. Vor allem, das ich so nahtlos träumen konnte. Ich träumte jeden Abend an der Stelle weiter, wo mein vorheriges Traumgeschehen anhielt. Es war einfach unglaublich. Mir war es jedoch noch nicht möglich zu erkennen, daß ich träume, oder wo ich auch immer zum Zeitpunkt des Träumens sein mag. So erging es mir am kommenden Abend wieder, doch wollte ich dies im Laufe der Zeit ändern.
Am Frühstückstisch bei Max fragte ich ihn woher ich eigentlich komme.
„Von da draußen. Du bist den Berg hoch gelaufen. Und Du sahst hungrig aus.“
„Wo habe ich denn vorher gelebt, bevor ich bei Dir als Gast wohnen durfte?“
„Nun, in einem Land, wo es grau ist“, antwortete er knapp und sah mich so an, daß ich weiter überlegen solle.
Mir viel vorerst nichts ein.
„Lass uns nach draußen gehen. Das wird uns munter machen“, schlug er vor.
Beim spazieren gehen hielt er inne und schaute mich eindringlich an: „Du bist hier bei mir, damit du Dinge lernst, die für alle Menschen gut sind.“
„Wie kommst Du darauf, und woher weißt du das?“, fragte ich, wobei mir auffiel, daß er mich meine Fragen jetzt öfter stellen lässt als vor einiger Zeit.
„Ich sehe in dein Herz. Deine Seele verbindet sich mit meiner Kraft.“
Fragend sah ich ihn an.
„Es wird konstanter Arbeit bedürfen, doch bin ich zuversichtlich.“
Ich überlegte wieder woher ich komme und wie ich zu ihm gelangte.
Er sprach: „Asche! Erinnere dich.“
„Auf dem grauen, von Asche bedeckten Berg! Dort war ich mit dir und auch alleine gewesen!“, schoss meine Antwort heraus.
„Ich träume nur!“, stellte ich überrascht fest.
„Nicht nur“, betonte er ernst. „Deine erste Erkenntnis konnte ich wecken. Ich weiß, du wirst sie verstehen und verinnerlichen.“
Wir schwiegen lange, so schien es mir jedenfalls. Ich wollte in dem Augenblick nicht aufwachen.
„Kleiner Bär! Wir werden uns morgen noch einmal im Traum sehen. Wenn du in deine graue Welt zurückkehrst, dann erfülle sie mit Farbe. Für deine Zukunft gebe ich dir einige Aufgaben an die Hand, damit du einen ersten Schritt für dein persönliches Wohl gehen kannst. In vielen Dingen bist du schon auf den richtigen Weg. Das werden wir vertiefen.“
Er konnte wahrnehmen was ich fühle und sprach weiter: „Wir werden uns noch öfter sehen und dich auf Fordermann bringen, damit du deine Bestimmung erfüllen kannst.“
„Was hast du mit mir vor?“
Seine Worte klangen eigenartig.
Er lächelte nur wissend. Eine Antwort bekam ich nicht. Alles war für heute gesagt. Als ich beschloss mich zu gedulden fragte er: „Kannst du mir beim kochen helfen?“
„Sehr gerne!“
„Am Nachmittag möchte ich nach den Tieren sehen. Interessiert dich das?“, wollte er wissen.
„Ja klar“, gab ich zur Antwort. „Hatten wir ja gestern vereinbart.“
„In Ordnung.“
Das kochen mit ihm machte richtig Spaß. Er verstand es im richtigen Augenblick für guten Humor zu sorgen. Es war seine Art, wie er die alltäglichen Arbeiten anging und mich dabei zum Lachen brachte. Gelegentlich benahm er sich absichtlich albern. Er wechselte bei den alltäglichen Dingen seine Art, seinen Charakter etwas zu erledigen. Zwar blieb er derselbe, doch hatte er ein gutes schauspielerisches Talent. Mal bewegte er sich grobmotorisch, und als ich bemerkte, daß er sich in Wirklichkeit nicht so bewegen würde, wurde er schusselig. Als ich lachen musste fing er an sich sehr penibel und filigran darzustellen. Kaum schüttelte ich mit dem Kopf übertrieb er noch mehr, sog seine Backen ein und spitzte seinen Mund schnabelförmig. Er bewegte sich stolzierend und sehr präzise. Ich musste so Lachen, daß mein Gesicht und mein Bauch schmerzte. Auf einmal begann er sich sehr geschickt zu verhalten. Beim Arbeiten beherrschte er jede Kleinigkeit seiner Bewegungen, als ob er sein Leben lang nichts anderes getan hätte. Darüber war ich wirklich erstaunt. Mir viel auf, daß er sich zum jeweiligen Verhalten in seiner Rhetorik auch verschiedenartig ausdrücken konnte.
Bei der Tierpflege war er sanft und kontrollierte seine enorme Kraft, als er begann die Schafe und Kühe zu begutachten. Gekonnt umging er ihren Starrsinn, wenn sich ein Tier sträuben wollte. Meist gingen sie sowieso von selbst auf ihn zu und ließen sich streicheln.
Er bemerkte mein erstaunen und meinte: „Wenn eine Kuh vorwärts laufen soll, dann ziehe am Schwanz. Soll sie zurücklaufen, so ziehe sie an den Hörnern.“
Als ich früh in meiner Höhle erwachte, war ich in guter Stimmung. Er hatte es tatsächlich geschafft, obwohl ich wusste, daß es ein Traum ist, mich bei Laune zu halten. In mir stieg Hoffnung auf. Max hatte etwas sehr reales an sich. Das diese Erlebnisse auf einer anderen Ebene stattfanden, störte mich nicht.
Das Wetter war mild. Ich bereitete die Ausrüstung vor, um am nächsten Morgen den Rückweg zum Treffpunkt anzugehen.
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