Hetty genügte es schon, dass ihr Gegenüber eine leichte Röte auf die Wangen bekam und auf einen Punkt hinter ihr starrte, als er erwiderte. »Nein, alles war wie immer.«
Man merkte ihm an, dass er dachte, damit hätte er es überstanden und dass er nur noch darauf wartete, endlich gehen zu können.
Die nächste Frage von Hetty sorgte dann allerdings dafür, dass er leichenblass wurde und sie mit weit aufgerissenen Augen anstarrte.
»Ach so, dann ist es bei ihnen also die übliche Vorgehensweise, mit einem attraktiven, weiblichen Gast ins Bett zu springen?«
Hetty legte den Kopf schief und hakte nach. »Machen sie das wirklich immer? Oder war das dann doch eine Ausnahme von der Regel?«
Der Mann hatte inzwischen rote Hektikflecken auf den Wangen bekommen und schnappte nach Luft.
Da er sich aber, nach wie vor, nicht zu ihrem Vorwurf äußerte, schlug sie mit der flachen Hand auf den Tisch und beugte sich vor. »Spucken sie es schon aus! Ihre Frau wird nichts davon erfahren und auch sonst keiner. Aber vielleicht geht ihnen momentan langsam ein Licht auf, warum die Frau sie so anziehend fand.«
Ihr Gegenüber war bei dem lauten Geräusch, welches die aufklatschende Hand verursachte, erschreckt zusammengezuckt und als sie zum Ende ihres Satzes kam, schlug er die Hände vor dem Gesicht zusammen.
Zwischen den Fingern ertönte ein leises Murmeln. »Was habe ich nur getan – was habe ich nur getan?«
Hetty stand auf und klopfte ihm auf die Schulter. »Na ja, sagen wir mal so. Ich an ihrer Stelle hätte auch zugegriffen, denn so wie es aussieht, muss diese Frau ein ganz heißes Eisen sein und wer da Nein sagt, ist nicht von dieser Welt.«
Sie öffnete die Türe. »Ich hole jetzt meinen Partner, der soll sich mit dazusetzen. Und dann erzählen sie uns in aller Ruhe und ohne weitere Selbstvorwürfe, was los war. Keine Angst – die Sache wird unter uns bleiben, sie haben nichts zu befürchten.«
Als keine merkliche Reaktion von dem Mann kam, fügte sie hinzu. »Ich bringe ihnen einen Schluck zum Trinken mit, ich glaube, den haben sie jetzt nötig.«
Auf dem Weg zur Bar, klopfte sie bei Kais Vernehmungsraum an und teilte ihm mit. »Wenn du hier fertig bist, dann bräuchte ich dich mal für eine Weile. Ich besorge gerade Getränke, willst du auch etwas?«
Kai hatte registriert, dass sie in der Mehrzahl sprach und schlussfolgerte, dass ihr Opfer vermutlich etwas zur Wiederbelebung eingeflößt bekam. Sie würden also zu dritt weitermachen und so wie er vermutete, endlich zum Kern der Sache vorstoßen können. »Ich bin gleich soweit, nimm mir einen Whiskey mit.«
Als Hetty das Besprechungszimmer wieder betrat, hatte sich der Mann soweit gefasst, dass seine Hand nur noch leicht zitterte, als er das Glas entgegen nahm. Mit Sicherheit hatte dabei auch ihr Hinweis geholfen, dass sie nicht weitererzählen würden, was er ihnen mitteilte.
Doch als Kai den Raum betrat, war die ganze mühsam aufgebaute Gelassenheit wieder beim Teufel.
Der runzelte die Stirn, als er sah, dass der Mann sich richtiggehend duckte und sein rechter Mundwinkel hob sich. »Das Schlimmste haben sie schon hinter sich, es kann nur noch besser werden.«
Seine ruhige Stimme sorgte dafür, dass sich der Herr des Zentralschlüssels etwas entspannte. Kai setzte sich und kippte seinen Stuhl zurück, damit er bequem sitzen konnte. Gleichzeitig zeigte er mit dieser entspannten Körperhaltung an, dass er nicht auf Angriff gehen würde, sondern zuhören wollte.
Er wechselte einen kurzen Blick mit Hetty und meinte dann. »So, dann beginnen sie mal damit, was man als den Anfang ihres heutigen Elends bezeichnen könnte. Nur zu – immer frei von der Leber weg, wir werden nicht schockiert sein und sie auch nicht verurteilen. Fehler macht jeder mal, aber jetzt müssen wir einen Weg finden, die Sache wieder ins Lot zu bringen und dabei brauchen wir ihre Hilfe.«
Das Häufchen Elend seufzte tief auf und meinte. »Können sie sich vorstellen, dass mir bis vor ein paar Minuten noch nicht mal der kleinste Gedanke gekommen ist, dass ich hereingelegt wurde?«
Kai musterte ihn und nickte mit dem Kopf. »Warum sollte man auch hinterfragen, wenn man endlich mal das bekommt, was man schon immer haben wollte? Jemanden, der hinter die Fassade schaut und den wunderbaren Menschen sieht, der man eigentlich ist?«
Der Mann starrte ihn an und stammelte. »Genau so war es. Woher wissen sie das?«
Kai gönnte ihm ein leises Lächeln. »Solche Frauen wissen ganz genau, wie ein Mann tickt. Und diesen Wunsch, so geliebt zu werden, wie man tatsächlich ist, hat jeder Mensch. Also nutzen sie diesen inneren Traum aus, um das zu bekommen, was sie haben wollen. Im Prinzip verhalten sie sich wie Edelprostituierte – der Preis den man zahlen muss, ist sehr hoch, dafür bekommt man aber exklusive Ware.«
Hetty runzelte die Stirn. Woher wusste Kai das? Wenn sie viel glauben konnte, aber nicht, dass er schon jemals im Leben dafür bezahlt hatte, eine Frau im Bett zu haben.
Kai hatte mitbekommen, dass seine Freundin grübelte. Der Mann vor ihm war nicht der erste, der in so eine Falle getappt war und er würde auch nicht der letzte sein. Und seine Sicherheitsfirma war dafür bekannt Spezialaufträge zu erledigen, die manchmal besondere Methoden erforderten. In seinem kleinen schwarzen Büchlein für Notfälle, standen ein paar Herren, die jetzt in Ruhe schlafen konnten, weil er sich darum gekümmert hatte, dass sie nicht mehr länger erpresst oder sonst wie belästigt wurden. Und die hatten ihm alle immer das Gleiche erzählt, wenn sie erklären wollten, warum sie so blind gewesen waren.
Aber jetzt fing das derzeitige Opfer mit seinem Bericht an und als der Mann endlich mit dem Erzählen begonnen hatte, hielt er sich auch nicht mehr damit auf, irgendetwas zu verheimlichen. »Die Frau war seit zwei Tagen im Hotel, dann hat sie ihren Safeschlüssel verlegt. Ich wurde geholt und habe ihn mit meinem Zentralschlüssel geöffnet. Während ich in ihrem Zimmer war, hat sie mich in ein Gespräch verwickelt und dabei haben wir festgestellt, dass wir viele gemeinsame Interessen haben.«
Er sah Kai an. »Sie wollen sicher eine Beschreibung der Dame. So um die 1.75 Meter groß, schlank, aber gut proportioniert, schwarze halblange Haare, braune Augen und ansonsten keine besonderen Merkmale. Sehr gut und teuer gekleidet, der Schmuck in ihrem Safe war von der edelsten Sorte. Sie hat eine der besten Suiten gemietet und gesagt, sie wäre eine gestresste Geschäftsfrau, die sich endlich mal Erholung gönnen möchte.«
Der Mann verzog den Mund. »Sehr attraktiv, überaus nett und einnehmend. Zugegebenermaßen war ich hin und weg, als ich feststellte, dass es ihr anscheinend tatsächlich ein Vergnügen war, sich mit mir zu unterhalten. Und ich habe ihr in zehn Minuten mehr über mich erzählt, als anderen Menschen in meinem ganzen Leben. So eine tolle Frau und sie zeigte Interesse an mir. Es genügte mir völlig nur reden zu können, doch als ich das Zimmer verließ, konnte ich nur noch an sie denken. Ob ich sie wohl nochmal treffen würde und ich begann zu überlegen, was ich für einen Grund finden könnte, nochmal bei ihr vorzusprechen.«
Er lachte leicht verzweifelt auf. »Ich war verliebt, wie ein Teenager. Und während ich am nächsten Tag noch grübelte, wie ich es anstellen könnte, sie wieder zu treffen, da kommt sie auf mich zu und strahlt übers ganze Gesicht. »Ich habe sie überall gesucht. Stellen sie sich vor, ich habe meinen Schlüssel wieder gefunden. Jetzt brauchen sie sich keine Sorgen mehr zu machen, da schauen sie – hier habe ich ihn.«
Dann hat sie gemeint. »Ich muss das jetzt feiern. Was ist – leisten sie mir an der Bar Gesellschaft? Da sind sonst nur lauter langweilige Leute und mit ihnen kann ich mich so gut unterhalten.«
Seine Zähne knirschten vernehmlich. »Natürlich habe ich Ja gesagt. Ich war im siebten Himmel. Wahrscheinlich habe ich ausgesehen wie ein Vollidiot, als ich neben ihr saß und sie angehimmelt habe. Und ich bin keine Sekunde auf den Gedanken gekommen, dass sie es nicht ehrlich meint. Sie hat von ihrer Firma erzählt – die sicher frei erfunden ist – und von dem Stress und diesen nur auf Geldverdienen bedachten Männern, mit denen sie es die ganze Zeit aushalten musste. Die wären doch alle ohne Niveau und hätten keine Interessen, außer ihre Aktiengewinne und die schnellen Autos.«
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