Ka nickte gezwungen und presste ein kurzes "Sicher" hervor. Lisa erschien alles verzaubert.
Sara bewunderte die Aussicht.
Ka sah dies alles, hatte aber dafür keinen Blick, sie versuchte an Lisa vorbei aus dem Fenster zu schauen, und an irgendetwas anderes zu denken als an die Spinnen, als sich plötzlich eine weitere ähnlich große Spinne direkt vor ihr von der Decke herabließ. Zum Glück lief die Spinne auch zu Lisa welche sie mit Begeisterung in ihren Streichelzoo aufnahm.
Kurz glaubte Ka zu sehen, wie sie alle eingesponnen an der Decke hingen, hilflos darauf wartend, von den Spinnen verschlungen zu werden. Sie wischte den Alptraum beiseite, doch ihre Hand zitterte, obwohl es hier warm war.
Sara, die am wenigsten von all dem beeindruckt war, bemerkte, dass ihre Freundin wie gelähmt stocksteif an der Wand stand, und sich nur mit Mühe zusammenriss. Sie wusste, dass Ka, die sonst kaum etwas einschüchtern konnte, Spinnen fürchtete, obwohl Ka dies niemals eingestanden hätte. Sie drehte sich zu Kolja um: "Ich glaube, wir haben genug gesehen."
Lisa wollte protestieren, doch auch Kolja schien Saras Meinung zu sein. "Wollt ihr was trinken?"
Ka nickte sofort. Lisa zögerte etwas. "Was hast du denn zu trinken?" Ihrer Frage war Unsicherheit anzuhören. In Gedanken sah sie sich schon vor einem großen Glas dunklen Blutes sitzen und meinte die Schreie der Opfer zu hören. Sie wollte lieber weiter die Spinnen streicheln.
Doch Kolja war völlig unbekümmert.
"Meine Eltern haben öfter Menschen zu Gast, insofern steht im Kühlschrank alles was ihr wollt."
"Was machen denn deine Eltern?"
"Sie sind Diplomaten, sie gehören zur UNO-Vertretung der Vampire. Die meiste Zeit sind sie auf Kongressen und irgendwelchen wichtigen Treffen. Ab und zu sind aber auch hier im Schloss größere Empfänge. An sich sind meine Eltern ganz in Ordnung, aber sie sind halt selten da. Die meiste Zeit lebt nur meine Urgroßmutter hier mit mir und die diversen Dienstgeister und natürlich Tii", bei diesem Namen verzog Kolja das Gesicht, "ein Katzendämon, meine Urgroßmutter hat ihn schon vor langer Zeit aufgenommen."
Ka sah ihn überrascht an. "Ich habe noch nie von Vampiren in der UNO gehört".
"Das ist auch geheim, obwohl eine Reihe von Vampiren dafür ist, das Geheimnis zu lüften. Aber die Mehrheit der Vampire will, dass es geheim bleibt. Und die Vampiraufsicht würde am liebsten jeden Kontakt mit Menschen unterbinden.
Sie achten sorgsam darauf, dass die Existenz von Vampiren und anderen Nachtwesen unter Menschen nicht allgemein bekannt wird. Dabei gibt es in der Realität immer mehr Zusammenarbeit.
Urgroßmutter hält diese Geheimnistuerei für Schwachsinn und legt sich regelmäßig mit ihnen an. Meine Eltern meinen, das müsste diplomatisch gelöst werden."
Ka sah etwas besorgt aus: "Ist es dann nicht verboten, uns das alles zu zeigen und zu erzählen?"
Kolja überlegte kurz: "Ich finde, meine Urgroßmutter hat Recht. Und zu einzelnen Menschen ist der Kontakt auch nicht verboten, wenn sie zusagen, das Geheimnis zu wahren."
Ka fragte lieber nicht, was die Vampiraufsicht mit ihnen machen würde, falls sie ihr Versprechen brechen würden.
Kolja hatte sie inzwischen zur Küche geführt.
Von hier aus hatten sie einen guten Blick in den Park, alte Bäume beschatteten das Schloss. Ka war immer noch etwas verwirrt. "Aber hier hinter dem Haus stehen doch weitere Reihenhäuser".
"Das beginnt alles wieder hinter der Parkmauer, die Parkmauer endet im Hinterhof des Reihenhauses. Ihr könnt euch das nachher noch ansehen."
Irgendwie führte bei Ka der Versuch sich das vorzustellen zu einem Knoten im Gehirn. Dies war nur die kleinere Küche, die alltäglich benutzt wurde, hatte Kolja gerade gesagt. Zumindest war es hier ganz gemütlich, der Raum war auch etwas wärmer und der Duft einiger alter Äpfel lag in der Luft.
Am alten Holztisch ließ es sich bequem sitzen. Durch die großen Fenster fiel das Licht, nur gebrochen durch die alten Bäume im Park. Doch einige helle Strahlen spiegelten sich in den Töpfen und Pfannen, die von der Decke hingen, und tanzten als helle Flecken durch die Küche. An einer Schnur hingen Kräuter und auf einem Regal standen Flaschen. Weiter hinten in einer Ecke brummte der Kühlschrank. Der Apfelgeruch kam von einigen verschrumpelten Äpfeln, die in einer Schale lagen.
Ka sah sich um. "Wo sind eigentlich eure Dienstgeister?"
"Die arbeiten nur nachts. Jetzt schlafen sie, falls ich sie wecken würde, wäre um diese Zeit nichts mit ihnen anzufangen. Deshalb sind die Empfänge meiner Eltern immer erst um Mitternacht. Tagsüber müssen wir uns selbst um alles kümmern, aber den Abwasch lasse ich einfach stehen. Außer mir ist hier sowieso niemand am Tag wach.
Ich kann einfach morgens häufig schlecht einschlafen und dann stehe ich lieber auf, als wach im Sarg zu liegen. In der Nacht bin ich dann müde und muss mir das Generve meiner Lehrer anhören: 'Du sollst tagsüber nicht immer so lange aufbleiben', 'Kein Wunder wenn du dich nicht konzentrieren kannst.' 'Meinem Kind würde ich das nicht erlauben.' Na, und so weiter."
Kolja verzog das Gesicht zu einer Grimasse und zuckte mit den Schultern. Dann stellte er ihnen einige Flaschen und Gläser auf den Tisch, so dass sie sich selbst bedienen konnten. Für sich holte er ein blutrotes, sprudelndes Getränk aus dem Kühlschrank und schenkte sich ein großes Glas ein. Das Getränk roch nach Holunder. Lisa starrte fasziniert auf das sprudelnde Glas, sie nahm allen Mut zusammen, um ihre Frage zu stellen. "Hm, Kolja, darf ich dich was fragen?"
"Klar!"
"Was trinken und essen Vampire denn?"
Kolja schien Lisas Befangenheit gar nicht zu bemerken und zeigte auf sein Getränk. "Na, Blutoka zum Beispiel. Obwohl meine Eltern regelmäßig sagen, das sei zu ungesund und ich solle auch mal was anderes trinken."
"Und was ist da drin?"
"Kunstblut, Wasser, Eisen und ungesunde Zusatzstoffe, wie meine Mutter sagen würde. Außerdem ist zu viel Eisen ungesund."
"Und wie bekommt ihr das?"
"Das bringt der Tiefkühl-Lieferservice."
Sara musste lachen. "Ich glaube, es ging Lisa darum, dass in vielen Büchern Vampire menschliches Blut trinken."
"Nicht ohne Einwilligung der Menschen, das ist seit über 500 Jahren verboten. Das finde ich auch richtig.
Aber viele Vampire wollen inzwischen das Blutsaugen ganz verbieten, nur weil sie sich vor warmem, frischem Blut ekeln. Sie trinken nur noch Kunstblut, wegen übertragbarer Krankheiten und so. Das ist völlig absurd. Sie haben alle möglichen albernen Regeln erlassen. Viele haben einen richtig absurden Hass auf das Blutsaugen entwickelt.
Außerdem haben viele Vampire Angst, dadurch könnte unsere Existenz allgemein bekannt werden.
Und Blutoka würden sie am liebsten auch verbieten, weil es ungesund ist. Die schlimmsten sind die von der Aufsichtsbehörde."
"Ach so". Sie schwiegen einen Augenblick lang.
Nach einer Weile sah Lisa Kolja etwas verunsichert an: "Und du findest es richtig, menschliches Blut zu trinken?"
"Wieso nicht, wenn die Menschen zustimmen. Obwohl die Aufsichtsvampire das nicht gerne sehen.
Und manche möchten ja auch Vampire werden."
"Hast du schon menschliches Blut getrunken?"
Kolja sah sie gleichgültig an. "Ja, ich finde, es schmeckt etwas streng."
Lisa schluckte: "Du hast einen Menschen gebissen?"
Kolja schüttelte den Kopf. "Nein, dass du Milch trinkst, heißt doch auch nicht, dass du schon mal eine Kuh gemolken hast."
Ka trat Kolja unter dem Tisch. "Ich bin keine Kuh!"
Kolja hob abwehrend die Hände. "Das war nicht so gemeint. Es gibt Menschen, die für Vampire Blut spenden und gut dafür bezahlt werden, abhängig von der Qualität.
Der Geschmack des Blutes wird stark durch die Ernährung beeinflusst. Urgroßmutter sagt immer, die heutigen Blutspenden würden nach nichts mehr schmecken als nach Zucker, früher wäre das Blut viel schmackhafter und vollmundiger gewesen, bitter und säuerlich. Ich glaube, dass bildet sie sich nur ein. Sie hat auch noch den ganzen Keller voller alter vergorener Blutjahrgänge."
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