An so einer staatlichen Wechselstube stehe ich nun. In letzter Sekunde überlege ich, ob ich eine höhere Summe umtauschen soll. Als ich den Wunsch äußere sehe ich in einen nicht begeisterten Gesichtsausdruck. Ich drücke das jetzt wohlwollend harmlos aus. Gleich ziehe ich meinen Antrag zurück. Den Gesichtsausdruck kenne ich irgendwo her? Ach ja, am Einwanderungsschalter hat mich die Beamtin auch so angesehen. Einen staatlichen Job zu haben macht anscheinend nicht glücklich. Aber ich will das nach einer Stunde in Kuba nicht behaupten und warte die nächsten drei Wochen ab, ob sich diese These bestätigt.
Mit meinen Peso Convertible mache ich mich auf den Weg zurück zum Vermietbüro. Ich habe nur 10 Minuten benötigt. Schritt für Schritt nähern wir uns dem ersehnten Bett. Für die Tankfüllung berappen wir 78 CUC. Das sind 60 Liter Tankinhalt multipliziert mit 1,30 CUC pro Liter Superbenzin. Das mit dem Benzin ist auch ein „bauernschlaues“,… äh „kubaschlaues“ System. Die Mietwagenfirma oder dessen Angestellte können den Sprit für etwa 1,00 CUC kaufen. Das ergibt einen Gewinn von 30 %. Deswegen muss ich auch in bar bezahlen. Außerdem sagt mir die Dame, ich kann den Wagen ohne vollzutanken wieder abgeben. Das ist zwar recht praktisch, aber die Firmen rechnen damit, dass man nicht mit dem letzten Tropfen zurückkommt. Der Rest im Tank ist quasi geschenkt. Macht nichts, ich habe das im Vorfeld bereits gelesen und weiß, dass ich mich darauf einlassen muss.
Jetzt gehen wir nach draußen, um den Wagen zu inspizieren. Es handelt sich um einen Renault Fluence, ein Fahrzeug, welches ich bei uns in Deutschland so noch nicht gesehen habe. Es ist ein geräumiger Mittelklassewagen mit Stufenheck. Das hatte ich befürchtet. Es erschwert ein wenig das Verladen unserer Räder und der Kartons. Mit der Angestellten gehen wir die Schäden am Auto durch. Er hat 65.000 Kilometer auf dem Buckel. Ein paar große Schrammen werden im Bericht eingetragen. Auf den Hinweis, dass er ringsherum kleinere Schrammen aufweist, markiert sie das gesamte Auto auf dem Formblatt. Nach der Zeichnung müssten wir praktisch einen Totalschaden produzieren, um bei Rückgabe eine Reklamation zu bekommen. Beruhigt erhalte ich den wichtigen rosa Durchschlag des Dokumentes ausgehändigt. Zwei Minuten später ist das Büro verschlossen und die Dame braust vom Parkplatz. Sie hat tatsächlich extra auf uns gewartet und ihren Feierabend verschoben.
Ich hole mein Mulitfunktionstaschenmesser aus dem Gepäck und schneide die Kartonagen der Räder auf. Immer noch redet der Besitzer des Restaurants von nebenan auf uns ein, ob wir nicht doch noch etwas trinken wollen. Wir ignorieren ihn einfach. Trotzdem versetzt er uns in eine leichte Hektik. Und wir wollen zumindest noch vor Mitternacht bei unserer Unterkunft ankommen. Es ist schon 23 Uhr. Um 22 Uhr wollten wir bereits dort sein. Das treibt uns zur Eile an. Die Rückbank ist umklappbar und wir schlichten die Räder aufeinander in den Kofferraum. Es funktioniert. Dann noch die Reisetaschen und die gefalteten Kartonagen der Räder irgendwie in das Auto gestopft und los kann es gehen.
Mit Bedacht fahren wir die ersten Kilometer vom Flughafen Richtung Matanzas. Was haben wir gelernt? Eigentlich soll man als Tourist in der Nacht nicht Autofahren. Die ersten Kilometer lenken wir durch dunkle Einsamkeit auf einer guten Straße. Trotzdem halten wir immer Ausschau nach wilden Schlaglöchern. Vorsicht ist die Mutter der Reifenpannen und der Schutzengel der unbeleuchteten Fußgänger und Radler!
Als wir die Stadtgrenze von Matanzas erreichen, wird es spannend. Werden wir die Adresse unserer Unterkunft gleich auf Anhieb finden? Immerhin ist Matanzas Hauptstadt der gleichnamigen Provinz und hat über 150.000 Einwohner. In Google Maps habe ich versucht die Adresse zu lokalisieren und einen Ausdruck erstellt. Ob der amerikanische Informationsdienst aber so genaue Daten vom "Feindesland" hat, um eine Adresse mit Straße und Hausnummer einer exakten Stelle zuzuordnen? Wir müssen zum „Hostal Alma". Die Unterkunft wird von einer Dame geführt, die privat ein paar Zimmer vermietet.
Die Stadt besteht aus vielen engen Straßen. Da zwei Fahrspuren recht knapp wären, gibt es viele Einbahnstraßen. Elke hat die selbst erstellte Karte in der Hand und lotst mich ins Zentrum. Man muss sehr gut aufpassen und vorsichtig fahren. Die vielen unbeleuchteten Verkehrsteilnehmer und Fußgänger wären wirklich leicht zu übersehen. Autos fahren so gut wie keine um diese Uhrzeit. Als wir der markierten Stelle ganz nahe sind, ist kein Hinweis auf unsere Unterkunft zu sehen. Die Häuser sind alle aneinandergebaut. Ein Straßenzug ist wie eine lange Mauer. Alle paar Meter sind schmale, hohe Türen. Straßenschilder und Hausnummern sind nicht zu erkennen oder wir können sie im schwachen Licht nicht lesen. Bald ist es Mitternacht. Wir wollen schon aus Höflichkeit nicht noch später kommen. Die Frau will ja auch einmal schlafen gehen. Hoffentlich ist sie es nicht schon….
Nachdem wir einen Block zweimal umrundet haben, wird es mir zu dumm. Ich halte den Wagen an und steige aus. Mit meinen Unterlagen gehe auf eine paar junge, dunkelhäutige Typen zu. Sie stehen gerade vor einem Laden, an dem noch Getränke verkauft werden. Ich frage auf Spanisch, wo sich die Adresse befindet. Gleich prescht einer von ihnen aus der Gruppe heraus, um mir zu helfen. Er schaut sich kurz meinen Zettel an und gibt zu verstehen, dass unser Ziel gleich dort vorne sei. Er zeigt auf die nächste Straßenecke. Er will mitgehen. Natürlich sehe ich in seiner Hilfsbereitschaft auch die Möglichkeit, dass er einem Trinkgeld nicht abgeneigt ist. Er hätte es auch redlich verdient, wenn er uns hilft, endlich ins Bett zu kommen.
An der nächsten Seitenstraße hält er inne und sieht sich fragend um. „Aha, er weiß also doch nicht genau, wo er hin muss“, denke ich mir. Gleich spricht er ein paar andere Passanten an und fragt nach der Adresse. In deren Gestik sehe ich, dass es doch weiter entfernt ist. Elke habe ich einfach alleine gelassen. Hoffentlich macht sie sich keine Sorgen, weil ich so lange nicht zurückkomme. Zum Absprechen war keine Zeit mehr. Ich dachte schließlich, es wären nur 50 Meter....
Nach einer weiteren Abzweigung erreiche ich mit meinem Helfer eine Tür mit einem kleinen Schild. Es trägt die Aufschrift „Hostal Alma“. Wir läuten. Es wird spannend. Nach einer halben Minute meldet sich jemand. Ich sage, dass ich der deutsche Urlauber bin. Kurz darauf summt der Türöffner und ich betrete das alte Kolonialhaus. Der Flur ist eng und mit alten, bunten Fließen verkleidet. Die Treppe besteht aus massiven Steinplatten. Sie führt ein Stockwerk nach oben. Dort empfängt mich eine Dame um die 60 Jahre mit einem freundlichen Lächeln. Der Tag, beziehungsweise die Nacht ist gerettet. Ich mache klar, dass ich mit dem Auto etwas weiter weg stehe und gleich zum Ausladen des Gepäcks komme. Sie weist mich noch an, anschließend das Fahrzeug auf einem nahegelegenen Platz abzustellen. Vor dem Haus ist in der Nacht das Parken verboten.
Meinem Helfer drücke ich ein Trinkgeld in die Hand. Er würde mir auch beim Gepäck helfen, aber ich mache ihm klar, dass wir es alleine schaffen. Etwas unzufrieden sucht er das Weite. Er hätte sich gerne ein zweites Trinkgeld verdient. Ich laufe den Weg zum Auto zurück. Es sind ungefähr 500 Meter. Dabei merke ich mir, wie ich zu Alma fahren muss, um keine Einbahnstraßenregelung zu missachten. Elke berichte ich vom Geschehenen. Ein paar Minuten später haben wir das Gepäck ins Haus getragen, genauer gesagt in das Wohnzimmer unserer Vermieterin.
Die Hauswirtin ist sehr nett. Alles ist sehr sauber. Sie geht mit uns auf die Terrasse in den Innenhof. An der Seite befinden sich die Gästezimmer sowie die dazugehörigen, benachbarten Badezimmer. Die schön bepflanzte Terrasse lockt mit zahlreichen Sitzgelegenheiten und morgen gibt es hier Frühstück. Unsere Zimmer und das Badezimmer sind einfach und alt, aber picobello sauber. Es gibt sogar heißes Wasser betont die alte Dame und sieht uns durch ihre dicken Brillengläser freundlich an.
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