Weiter geht es zu den Gepäckbändern. Von weitem sehen wir schon einen Haufen von Gepäckstücken neben dem Gepäckband liegen. Da wir über eine Stunde für die Immigration benötigt haben, wurde das Band schon für den nächsten ankommenden Flieger gebraucht. Unsere Radkartons sehen wir sofort. Nur die Suche nach den Taschen benötigt etwas mehr Zeit. Ein engagierter Flughafenmitarbeiter ist Elke behilflich, während ich auf die Räder aufpasse.
Aber wir sind immer noch nicht durch. Ein weiteres Hindernis sind drei weibliche Beamte in adretten Uniformen, die ich jetzt nicht genauer begutachten kann. Sie kontrollieren stichprobenartig die Ankömmlinge und ihr Gepäck beim Verlassen des Flughafens. Während Elke die Toilette aufsucht warte ich. Dabei beobachte ich, wie ein Mann mit einem Karton mit ähnlicher Größe der unseren auf die Kontrolleurinnen zusteuert. Er sieht südländisch aus und wird aufgehalten. Es wird sogar nach einem Spezialbeamten gerufen und er muss seinen Karton öffnen. Es wird eine sehr genaue Inspizierung durchgeführt. Ich denke mir „Super, wir haben jetzt aber keine Zeit für so etwas“. Wie lange wird die Autovermietung wohl auf uns warten?
Es ist kurz nach 22 Uhr als wir das Flughafengebäude verlassen. Auf den ersten Blick kann ich das Büro der Mietwagenfirma nicht sehen. Bis ich jemanden finde, den ich fragen kann, werde ich von mindesten fünf Leuten mit einem fragenden „Taxi?“ angesprochen. Ich frage einen Mann nach den Autovermietern und erhalte die Auskunft, dass wir zweihundert Meter weitermüssen. Mein Spanisch ist für solche Situationen ausreichend. Notfalls wird es auf Englisch probiert. Sollte das nicht reichen, kann Elke mit fließenden Italienisch nachlegen. Diese Sprache ist dem Spanischen sehr ähnlich. Außerdem kann sie viel besser Englisch als ich. Sprachlich haben wir auf der Reise sicher keine Schwierigkeiten.
Abseits der Ankunftshalle gibt es mehrere Autovermieter. Nachdem ich nicht gleich erkenne, welches für uns zuständig ist, frage ich mich wieder durch. Auf jeden Fall brennt überall noch Licht. Das beruhigt mich. Vorgedrungen zu meiner Ansprechpartnerin, lege ich meine Unterlagen vor. Sie ist sehr freundlich und hat extra auf uns gewartet. Sie dachte schon, dass wir uns verspäten. Was folgt ist ein Schwall an Verhaltenstipps für das Autofahren auf Kuba. Das Fahren im Dunkeln ist zu vermeiden, da die meisten Verkehrsteilnehmer nicht beleuchtet sind. Das gilt für Pferdefuhrwerke, Radfahrer, Reiter und Fußgänger. Als Fahrzeugunterlagen bekommen wir die Kopie des Vermietungsvertrages. Es ist ein kaum leserlicher Durchschlag in rosa Farbe. Der ist sehr wichtig. Wir dürfen ihn nicht verlieren. Sollten wir einen Strafzettel von der Polizei bekommen, dürfen wir diesen nicht in bar an die Polizisten zahlen. Sie würden das Geld selbst einstecken. Die Strafe muss von der Polizei auf dem rosa Zettel notiert werden und wird am Ende bei Rückgabe an die Mietfirma bezahlt. Sollten wir den rosa Zettel verlieren, wird eine saftige Gebühr fällig. Man könnte ja allerhand Strafen kassiert haben und den rosa Zettel „zufällig verlieren“. Falls wir eine Reifenpanne haben, ist das Ersatzrad zu montieren. Hört sich logisch an. Allerdings stutze ich, als mir erklärt wird, dass die Chance für eine Reifenpanne sehr groß ist. Die gute Frau vom Vermietbüro schätzt die Wahrscheinlichkeit als gering ein, dass wir die 3 Wochen ohne Panne überstehen. Im Schadensfall soll der defekte Reifen bei der nächsten Tankstelle repariert werden. Die Kosten liegen um die 10 Euro. Außerdem gibt es eine Menge Kleinunternehmer, die ausschließlich nur Reifen und Schläuche flicken. Das Geschäft scheint wirklich zu brummen, wenn ein eigener Geschäftszweig davon leben kann. Die Straßenverhältnisse werden als sehr schlecht beschrieben. Es gibt eine Menge Schlaglöcher und viele Straßen sind nicht geteert. Umsichtige Fahrweise ist angebracht. Aufpassen muss man auf die vielen Verkehrsteilnehmer unterschiedlichster Geschwindigkeiten. Da kann es schon mal vorkommen, dass man für ein langsames Pferdefuhrwerk auf einer großen „Bundesstraße“ stark bremsen muss. Für den Fall einer größeren Panne bekomme ich eine Notfallrufnummer. Es kann aber schon ein paar Stunden dauern, bis dann Hilfe vor Ort ist. Bei einem Unfall ist immer die Polizei zu rufen und ein Protokoll anzufertigen.
Das waren viele Informationen. Aber bis auf die hohe Wahrscheinlichkeit für einen platten Reifen nichts Ungewöhnliches, wie ich meine. Den Mietwagen haben wir mit Ausnahme der Vollkaskoversicherung von zu Hause aus bereits bezahlt. Nur die Versicherung wird jetzt vor Ort mit der Kreditkarte beglichen.
Der Tank ist voll. Den Sprit muss ich aber bar zahlen. Da wir vom Einwanderungsschalter und der Gepäckausgabe direkt hierhergekommen sind, hatten wir noch keine Möglichkeit Geld zu tauschen. Mir ist nur in Erinnerung, dass ich vor dem Flughafengebäude einen Schalter aus dem Augenwinkel gesehen habe, an dem sich eine elend lange Menschenschlange gebildet hat. Das muss die Wechselstube gewesen sein. „Ach du liebe Zeit, das fehlt uns gerade noch, dass ich jetzt eine Stunde am Bankschalter anstehen muss. Wann werden wir heute wohl im Bett liegen? Und wenn wir noch länger brauchen, bekommen wir heute überhaupt noch ein Bett?“ denke ich. Unsere Vermieterin wird dann schon in den Träumen liegen und ich sehe uns im Auto in einer dunklen Gasse übernachten. Ich muss meine Phantasie aber nicht mehr weiter strapazieren. Die nette Autovermieterin gibt mir den Tipp, dass es in der Halle für die Abflüge noch einen zweiten Schalter gibt. Dort stehen in der Regel weniger an, weil er nicht so bekannt ist. Es ist schon nach halb elf. Langsam pressiert es wirklich.
Während meines Aufenthaltes im Vermietbüro passt Elke draußen auf unsere Sachen auf. Dabei wird sie von dem Besitzer des Restaurants nebenan dauernd angesprochen. Ob sie nicht ein Bier will, ob wir noch etwas essen wollen und so weiter.... Sie hält der Belagerung stand. Immerhin waren wir schon in Ägypten, da ist man bezüglich aggressiver Verkäufer abgehärtet. Ich rufe ihr kurz zu, dass ich zum Geld tauschen muss und suche den Schalter in der Abflughalle. Die Schlange an der Wechselstube draußen ist immer noch gut 50 Meter lang. Die Leute stehen schon auf dem Gehsteig, an dem die Taxis warten. Da würde ich sicher eine weitere Stunde brauchen, bis ich dran bin. Derweil bekäme Elke Plattfüße. Ich drücke mich durch die Menschenmenge und bahne mir den Weg zur Abflughalle am anderen Ende des Flughafengebäudes.
Zu so später Stunde fliegen nicht mehr allzu viele Maschinen ab. Daher befinden sich nur wenig Menschen in dem Gebäude. Den besagten Wechselschalter sehe ich sofort. Es ist nur eine Person vor mir. Eine Minute später bin ich an der Reihe. Ich lege 250 Euro auf den Tisch. Es folgt die Umrechnung in CUC. CUC bedeutet: „Peso Cubano Convertible“ und ist seit 1994 neben dem einheimischen „Peso“ die zweite Währung in Kuba. Dieses "künstliche Geld" ist im Verhältnis 1:1 an den US-Dollar gebunden. Nachdem der Wechselkurs des Euro zum Dollar derzeit auch circa 1:1 beträgt, ist das Umrechnen für uns sehr leicht.
Warum gibt es diese zweite Währung? Das hat geschichtliche Gründe. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, die ein wichtiger Partner der Kubaner bis Ende der 80er Jahre war, ging es mit Kubas Wirtschaft stark bergab. 1993 legalisierte die kubanische Regierung den US-Dollar als Zahlungsmittel, welcher schon vorher die eigentlich verbotene Schwarzmarktwährung war. Anfangs war der CUC ein Mittel, mit dem Touristen Luxuswaren in speziellen Läden einkaufen konnten. Kuba hatte jetzt Devisen mit denen es wiederum Importware aus dem Ausland bezahlen konnte. Später wurde es jedem Bürger Kubas erlaubt in diesen Geschäften einzukaufen. Das System ähnelt den Intershop-Läden in der ehemaligen DDR. 2004 hat Kuba das Zahlen mit US-Dollar untersagt. Seitdem müssen alle Besucher und Handelspartner die Devisen, egal ob Dollar, Euro oder andere Währungen bei staatlichen Banken oder Wechselstuben, in CUC tauschen. Die Transaktionsgebühren fließen ausschließlich an kubanische Banken und damit dem Staat zu. Das ist schlau.
Читать дальше