1 ...6 7 8 10 11 12 ...20 „Stichwort die anderen Mädchen. Wie war denn das Verhältnis zwischen Angela und ihren Kolleginnen? Gab es Unstimmigkeiten? Man könnte sich vorstellen, dass ihre Kolleginnen ihr bei ihrer exponierten Stellung auch mit Neid begegneten.“
„Meine Frau und ich dulden keine Streitigkeiten im Salon. Käme so etwas vor, würden wir sofort dazwischen gehen. Das wissen die Angestellten. Das impliziert aber auch, dass ich Ihnen nichts Sinniges darüber sagen kann, ob es nicht doch Eifersüchteleien gegeben hat.“
„Sie gingen also davon aus, Frau Jahn wollte zum ersten März aus Ihren Diensten treten, um sich fürderhin besser ihrem zukünftigen Gatten widmen zu können.“
„Aber sicher doch,“ zeigte sich Zeisler ungehalten. „Der Mann hat doch genug Geld, eine Frau unterhalten zu können, von der er erwarten darf, dass sie rund um die Uhr für ihn da ist.“
„Interessante Einstellung,“ äußerte sich der Hauptkommissar. „Also ist bei Ihnen nie der Verdacht aufgekommen, die Frau Jahn könnte sich als Frisöse selbständig haben machen wollen?“
„Wie kommen Sie denn darauf? Mit einem einigermaßen begüterten Ehemann wäre das doch bestimmt abwegig, da überflüssig gewesen.“
„Finden Sie? Da bin ich aber anders informiert.“ Es schien Harald zu erheitern, dem Coiffeur einen mittelgroßen Schock zu bescheren, wenngleich er sich nicht sicher war, ob dieser nicht schon längst im Bilde war. „Frau Jahn hat ihren Tagesjob auf einen Halbtagsjob reduziert, weil sie mehr Zeit für organisatorische Tätigkeiten benötigte. Und die Kündigung hat effektiv damit zu tun, dass sie zum ersten März unweit von Ihrem Salon einen eigenen Salon eröffnen wollte. Das sollen Sie nicht mitbekommen haben?“
Der Meister war oder tat verwundert. „Angela sich selbständig machen? Dazu gehört doch mehr, als nur das Fach des Hairstylisten zu beherrschen. Wirtschaftliche Kompetenz, vertrauenswürdiges Personal, einen Anfangsbestand an Klientel…“
„Eben Maître, das scheint sie wohl alles allmählich und minutiös in die Wege leiten haben wollen. Dass sie geschäftstüchtig war, haben Sie ja selber gerade zum Ausdruck gebracht. Hätte sie sonst etwa Ihren Salon während Ihrer Abwesenheit leiten dürfen? Mehr beschäftigen mich da die beiden anderen Komponenten, die Sie hervorgehoben haben, nämlich das anzuwerbende Personal und die ersten Kunden. Wäre ich an ihrer Stelle gewesen, hätte ich mich zuerst dort umgesehen, wo ich mich am besten auskenne, in dem Laden, in dem ich beschäftigt bin. Und schon wieder komme ich auf eine Ihrer Aussagen von vorhin zurück. Frauen, - gemeint war in diesem Fall Ihr weibliches Personal, nehme ich an -, können selten etwas für sich behalten. Bleiben Sie also dabei, nichts von Frau Jahns Vornehmen gewusst zu haben?“
Zeisler hob beide Arme mit ausgestreckten Händen in die Höhe. „Mein Gott, wenn ich so etwas geahnt hätte, hätte ich sie doch zur Rede gestellt. Wenn sich so etwas bewahrheitet hätte, hätte ich sie sofort entlassen, wenn nötig mit Fortzahlung ihres Gehaltes bis zum Tag des offiziellen Ausscheidens, wie es die Arbeitsgesetze vorsehen.“
„Womit Sie sich ihrer künftigen Konkurrenz immer noch nicht entledigt hätten,“ konkludierte Steiner und erntete dafür einen Blick, der ihn, wenn es machbar gewesen wäre, getötet hätte.
Heinz Schmidt kehrte von seinem Rundgang durchs Präsidium ins Assistentenbüro zurück und berichtete Ralf und Monika, was er dabei so alles gewahr geworden war.
„Der Name Heiko Nille ist den Kollegen von der SOKO Autodiebstahl nicht unbekannt. Sie werden des Kerls aber nicht habhaft. Sein Name ist hier und dort schon mal im Zusammenhang mit Autoaufbrüchen und Autodiebstählen gefallen. Aber alle Hinweise auf ihn waren so vage, dass man es sich nicht erlauben konnte, Hausdurchsuchungen bei ihm zu veranstalten. Man weiß auch, dass er beim Finanzamt mit einer weißen Weste dasteht. Das wiederum entnahm der Staatsanwaltschaft jegliche Möglichkeit, Nilles Telefone abhören zu lassen. Kurzum, man vermutet seine Beteiligung an Autodiebstählen, hat aber keine Handhabe, ihm auf die Schliche zu kommen.
„Hat man denn wenigstens seine Konten überprüfen können?“ fragte Frisch.
Heinz hielt seine Hand rechts von seinem Mund, als wollte er etwas mitteilen, was andere als seine beiden Kollegen nicht vernehmen sollten. Dabei waren sie sowieso unter sich. „Eigentlich hätten die von der SOKO das auch nicht gedurft, haben es aber trotzdem gemacht. Was über seine Konten läuft, ist clean. Natürlich hat man ihn auch einige Zeit observiert. Aber der Bursche bewegt sich einfach nicht. Will sagen, er lebt nach außen hin in den Tag hinein, ohne irgendwie ansonsten in Berührung mit der Ware zu kommen, die er verhökert.“
Nun erzählte Monika, von ihren Gesprächen mit den Eltern und rundete ihren Bericht mit den Worten ab: „Der alte Jahn ist allen Ernstes Vornehmens, nach Köln zu kommen, um uns bei unseren Ermittlungen auf die Finger zu schauen.“
Heinz brach in schadenfrohes Lachen aus, an dessen Ende er gluckste: „Da wird sich unser Chef aber richtig freuen. Vermutlich wird er ihn an die Unkel verweisen, damit die sich mit ihm abplagen muss.“
Der Kommissariatsleiter hatte sich von Maître André sämtliche Adressen seines Personals geben lassen, aber darauf verzichtet, die im Salon anwesenden Angestellten direkt zu befragen. Er zog es vor, zu Fuß bis zu Nilles Wohnung zu pilgern, um diesen erneut zu vernehmen, obwohl ihm noch nicht klar war, was er ihn denn überhaupt fragen wollte. Schließlich war noch immer nichts Neues aufgetaucht, worüber Nille eventuell nähere Auskunft hätte geben können.
Nille war immer noch mit einem Morgenrock bekleidet, als er dem Hauptkommissar die Wohnungstür öffnete. Sein Äußeres wirkte auf den Hauptkommissar, wie das eines gerade aus dem Bett Geklingelten, seine Fahne wie die, eines gerade erst ins Bett Gegangenen. Passend zu beiden Optionen Heikos Reaktion.
„Oh, Sie, Herr Kommissar! Ist was passiert?“
Steiner schnaubte. „Was passiert ist, dürfte ja wohl reichen,“ und spazierte unaufgefordert durch die Tür den Gang hindurch bis ins Wohnzimmer, wo er sich genauso uneingeladen in einen Sessel setzte. Nille war ihm hilflos und perplex gefolgt, fand aber nicht die Kraft, irgendwie gegen Steiners selbstherrliches Auftreten zu opponieren, sondern ließ sich selber auf sein Sofa nieder. Harald erfasste mit einem Augenaufschlag den Grund für Nilles Zustand, der auf dem Salontisch stand. Daher seine Bemerkung: „Sie scheinen schwer an Frau Jahns Tod zu tragen.“
Fast schon über diese Feststellung Steiners erleichtert, antwortete Heiko: „Ja, das sehen Sie richtig.“
„Nun, ich bin nicht hier, um Ihnen über Ihren Schmerz hinwegzuhelfen. Dazu fehlen mir augenblicklich das Feingefühl und die Zeit. Ich bin hier, um Sie zu bitten, mir Einblick in Angelas privaten Nachlass nehmen zu lassen, eventuell auch mir zu erlauben, mir wichtig erscheinende Dinge daraus mitzunehmen. Wären Sie damit einverstanden? Ich darf doch annehmen, dass sie ihre gesamte Habe bei ihrem Einzug bei Ihnen eingelagert hat.“
Heiko zögerte und überlegte. Angela hatte nie mitbekommen, womit er sein Geld machte. Für ihre geschäftlichen und privaten Papiere hatte er ihr ein verwaistes Schlafzimmer zur Verfügung gestellt, das so zu ihrem Arbeitszimmer geworden war. Die Möbel aus ihrer alten Wohnung hatte er in eine der beiden hinter dem Haus befindlichen Garagenboxen einlagern lassen. Einige kleinere Utensilien hatten eine vorläufige Bleibe auf dem Dachboden gefunden. Nur ihre Kleider und ihr Make-up hatte sie in ihrem zum gemeinsamen Schlafgemach gewordenen Zimmer untergebracht. Im Badezimmer befanden sich auch noch einige Sachen von ihr. Unter dem Strich gab es keinen Grund, dem Ermittler diesen Wunsch zu verwehren, zumal in allen diesen Räumen nichts zu finden war, was auf Heikos Geschäfte hinwies. So kurz diese Reflexionen auch waren, Harald hatte sie irgendwie unausgesprochen wahrgenommen.
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