Rother Baron
Hegel, die Dinosaurier und wir
und weitere Essays zum Thema
Natur-und Klimaschutz
Mit Gedichten von Ilona Lay
© Verlag LiteraturPlanet, 1. Auflage 2020
Titelbild: Youm Young Youm: City (Pixabay)
Zur Einführung: Die Energiewende – Dichtung und Wahrheit
I. Klimaschutz und Naturschutz
Das Land. Gedicht
Hegel, die Dinosaurier und wir. Warum Klimaschutz ohne Naturschutz zum Scheitern verurteilt ist
Geist und Natur. Wie wir lernten, die Natur zu verachten
Der Wald. Gedicht
Die Mär vom klimaneutralen Heizen mit Holz
II. Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit
Feierabend. Gedicht
Klimaschutz aus dem Penthouse. Energieversorgung als soziale Frage
III. Klimaschutz und Naturempfinden
Windräder, nachts
Entfremdung und Gewalt. Zur negativen Ästhetik von Windkraftanlagen
Das versunkene Dorf
Heimat im Windstromzeitalter. Überlegungen zu einer kritischen Neubewertung des Heimatbegriffs
IV. Klimaschutz und Wachstumsökonomie
Die Berauschte.Gedicht
Der Laubbläser und der Klimanotstand. Ein Plädoyer gegen die Normativität des technisch Machbaren
Bilanz.Gedicht
Inneres und äußeres Wachstum. Die Paradoxie eines nachhaltigen Wirtschaftswachstums
Meine Braut.Gedicht
Zur Einführung: Die Energiewende – Dichtung und Wahrheit
Ein bahnbrechender Vorschlag zur Eindämmung des Klimawandels …
Im Jahr 2007 unterbreitete die ecuadorianische Regierung der Weltgemeinschaft einen Vorschlag: Ecuador würde auf die Ausbeutung eines im Regenwald gelegenen Erdölfeldes verzichten, wenn das Land dafür Ausgleichszahlungen in Höhe von 50 Prozent der prognostizierten Erlöse aus dem Ölverkauf erhielte.
Diese nach den geographischen Eckpunkten des Erdölfelds benannte "Yasuní-ITT-Initiative" [1] mündete drei Jahre später in eine förmliche Vereinbarung mit den Vereinten Nationen, in der Ecuador die Zahlung der entsprechenden Kompensationssumme zugesagt wurde. Erwartet wurde hierdurch die Einsparung von einer Milliarde Tonne an CO2-Emissionen. Diese unmittelbare Maßnahme zur Eindämmung des Klimawandels sollte noch verstärkt werden durch einen intensiveren Schutz des Regenwaldes, dem eine besondere Bedeutung bei der CO2-Speicherung zukommt.
… und sein Scheitern
Alles sehr vernünftig und zielführend. Leider entpuppte sich das Ganze am Ende als schöner Traum: 2013 verkündete Rafael Correa, der damalige ecuadorianische Präsident, das Scheitern der Initiative. Von den zugesagten Kompensationszahlungen hatte das Land nur einen Bruchteil erhalten. So waren all die hehren Pläne zum Schutz der Naturvölker, der einzigartigen Tierwelt und des fragilen Ökosystems auf einmal Makulatur. Mit großer Mehrheit beschloss das ecuadorianische Parlament, Lizenzen zur Förderung des Erdöls in dem sensiblen Gebiet zu vergeben.
Anstatt als Vorbild für wirkungsvolle Maßnahmen gegen den Klimawandel zu dienen, wurde die Yasuní-ITT-Initiative damit zur Bankrotterklärung der Völkergemeinschaft. Bis heute markiert sie, allen gegenteiligen Bekundungen zum Trotz, den Vorrang nationaler Egoismen vor den Interessen der Weltgemeinschaft.
Ungebrochene Ausbeutung fossiler Rohstoffe
Wo auch immer neue Öl- und Gasvorkommen entdeckt werden, wird deren Erschließung geplant. Die gigantischen Erdgasfelder, die vor den Küsten Israels und Zyperns geortet worden sind, verursachen zwar durchaus Streit. Dabei geht es aber nicht darum, ob, sondern von wem das Erdgas gefördert werden soll. Selbst das Abschmelzen der Polkappen und des grönländischen Eisespanzers, das den Klimawandel durch die abnehmende Lichtreflexion in einem sich selbst verstärkenden Prozess weiter beschleunigt, treibt manchen eher Dollarzeichen als Tränen in die Augen – denn sie träumen schon jetzt von der Ausbeutung der unter dem Eis lagernden Rohstoffe und der Erschließung neuer Schifffahrtsrouten (wie der schon jetzt zeitweise befahrbaren Nordwestpassage).
Auch die Kohleförderung und -nutzung ist keineswegs an ihr Ende gelangt. Während in Deutschland um das Ausstiegsdatum aus der Braunkohleförderung gerungen wird, wird weiter fleißig Steinkohle aus Kolumbien importiert [2] – aus einem Land, in dem weit geringere Umwelt- und Gesundheitsstandards gelten als hierzulande. Und auf Borneo holzen Malaysia und Indonesien mit vereinten Kräften den Regenwald ab, um die darunter lagernden Kohlevorkommen zu erschließen [3].
Wenn aber Kohle, Öl und Gas erst einmal gefördert worden sind, werden sie auch genutzt. Es hilft dann auch nichts, das Schmiermittel der Weltwirtschaft künstlich zu verteuern. Eine solche Maßnahme liegt zum einen durchaus im Interesse der Industrie, da die wertvollen Rohstoffe dann leichter für den Produktionsprozess zurückgehalten werden können. Zum anderen wird bei höheren Ölpreisen auch das kostenintensivere Fracking attraktiv – also jene Form der Ölgewinnung, bei der der Rohstoff durch das Aufbrechen tieferer Bodenschichten aus dem Gestein herausgepresst wird.
Beim Fracking kommen umweltschädliche Gifte zum Einsatz. Außerdem werden durch den hohen Druck, der für das Lösen des Öls aus dem Gestein erforderlich ist, die Bodenschichten instabil, was Erdbeben auslösen kann. So ist diese Methode der Ölförderung etwas, das sich für verantwortungsbewusste Gesellschaften auch ohne drohende Klimakatastrophe verbietet. Faktisch wird sie jedoch speziell von den USA massiv vorangetrieben.
Auch Deutschland, das sich so gerne als Vorreiter in Sachen Klimaschutz präsentiert, macht bei der Heuchelparade keine Ausnahme. Auch hierzulande wird Verzicht gepredigt, während gleichzeitig in die Nutzung fossiler Energien investiert wird. Das Erdgas, das durch die Pipeline "North Stream 2" aus Russland nach Deutschland gelangt, soll bei uns ja schließlich nicht sicher im Boden eingelagert, sondern durchaus – wenig klimafreundlich – in die Luft geblasen werden. Und umstritten ist das Projekt auch nicht in erster Linie wegen einer unglaubwürdigen Klimapolitik, sondern aus politischen Gründen: Die USA wollen in Deutschland lieber Flüssiggasterminals errichtet sehen, über die sie die Produkte ihrer eigenen Öl- und Gasförderung nach Europa verschiffen könnten.
Beschneidung des Naturschutzes
So fragt sich der geneigte Klimaschützer: Wie kann das sein? Warum wird angesichts des immer deutlicher vor Augen tretenden Klimawandels nicht das Naheliegende getan, um ihn einzudämmen – während gleichzeitig unter Verweis auf eben diesen Klimawandel der Naturschutz ausgehebelt wird?
Der "Ausbau der Erneuerbaren Energien" gehört laut der jüngsten Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes (§ 45, Abs. 7) zu jenen "zwingenden Gründe[n] des öffentlichen Interesses", für die von den Regeln des Natur- und Artenschutzes abgesehen werden kann – und zwar ausdrücklich auch bei "Vorhaben privater Träger". Diese Gesetzesänderung dient vor allem den Interessen der Windstrombranche. Windkraftanlagen gelten nicht nur als "privilegierte" Bauwerke, für die kommunale Mitbestimmungsmöglichkeiten beschnitten werden und Umweltverträglichkeitsprüfungen nur in eingeschränkter Form durchgeführt werden müssen. Es wird auch ausdrücklich in Kauf genommen, dass zahlreiche Tierarten durch sie massiv gefährdet sind.
300.000 getötete Fledermäuse durch Windkraftanlagen allein in Deutschland? [4] Bedrohung seltener Vogelarten wie etwa des Rotmilans? [5] Irreversible Bodenversiegelung durch die Betonfundamente der Anlagen? [6] Ungeklärte Entsorgungsfrage für das Verbundmaterial von bislang ca. 30.000 Windkraftanlagen? [7] Gesundheitsbelastung durch Infraschall? [8] Abholzung von Wald für die Errichtung der Anlagen? [9] Na und? Wir müssen die Welt retten, da gibt es eben Kollateralschäden! Wer zum Opfer wird, kann sich damit trösten, als Märtyrer auf dem Schlachtfeld des Kampfes gegen den Klimawandel gefallen zu sein.
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