wahrscheinlich der Grund. Beschämt ließ Shania den Kopf hängen. Sie schlüpfte aus ihren Schuhen – schwarze Converse Chucks – und rannte schnurstracks ins Schlafzimmer, um sich aufs Bett zu werfen, den Kopf ins Kissen zu drücken und zu heulen wie ein Schlosshund.
Shania musste die ganze Zeit an Raven denken und daran, dass er versucht hatte, sie zu küssen. Sie hatte den Kuss verwehrt. Den Kuss eines attraktiven Mannes, den wohl jede normale Frau verfallen würde. Aber sie hatte ihn weggestoßen und war aus seinem Haus gestürmt, wie eine Furie. Verzweifelt drehte sich Shania herum, warf sich auf den Rücken, nahm das Kopfkissen und drückte es in ihr Gesicht. >>Ich bin so ein Vollidiot!<< Die Tatsache, dass sie anfing Selbstgespräche zu führen, zeigte, wie schlimm es um sie stand. Wieder und immer wieder kamen ihr die Bilder von Raven in den Kopf, wie er vorgebeugt vor ihr stand, sein Gesicht nur wenige Zentimeter vor dem ihren, seine Lippen zum Küssen bereit und seine Augen, die ihr ihre Seele raubten, auf sie gerichtet. Ihre Haare stellten sich bei den Erinnerungen immer wieder auf, heiße Glut floss durch ihre Adern und sie presste ihre Schenkel unwillkürlich zusammen. Es wurde ungeheuer heiß und feucht in dieser Region. Sie nahm das Kissen und klemmte es zwischen ihren Schenkeln. Sie drückte es gegen ihre empfindlichste Stelle und es tat so gut, dass sie sogar leicht aufstöhnen musste. Sie dachte daran, wie es wohl wäre, wenn Raven sie dort anfassen würde und erneut durchzuckte es sie an ihrer intimsten Stelle. Sie drückte das Kissen fester und stöhnte 51
erneut auf. Ihre Brüste wurden hart und stellten sich auf.
Noch nie zuvor hatte sie so etwas gefühlt gehabt. Nie so eine Erregung gespürt. Niemals ein solches Verlangen, das sie drohte aufzufressen. Sie könnte jetzt in seinen Armen liegen, dachte sie sich. Von ihm berührt und überall geküsst werden und endlich ihre Unschuld verlieren. Nun, sie hatte es sich selbst zuzuschreiben. Schließlich hatte sie diesen Kuss verweigert.
Wahrscheinlich
war
es
ja
auch
das
Vernünftigste, das sie tun konnte, aber ihr Herz und ihr Verlangen sagten etwas anderes.
Und so wurde aus der sexuellen Erregung, die sie gerade noch verspürte, wieder pure Verzweiflung und Shania sank abermals schluchzend in ihrem Bett zusammen.
Nach einer halben Stunde endlosen Weinens – sie hatte schließlich wohl doch keine Tränenflüssigkeit mehr – war sie so erschöpft, dass sie einschlief.
Plötzlich klingelte es an der Tür. Erschrocken riss es Shania aus dem Schlaf und sie fuhr hoch. Sie sah auf die Uhr. Es war bereits nach Zehn. Verdammt. Saya wollte ja mit ihrer neuen Freundin vorbeikommen, erinnerte sie sich. Schnell stand sie auf, machte das Bett einigermaßen zurecht, eilte zum Spiegel, um die verschmierten Stellen ihres Make-ups 52
zu entfernen und ihr Haar zu kämmen und dann rannte sie zu Tür, um diese zu öffnen.
Vor ihr stand ihre Freundin mit dem braun-roten Haar, dass ihr wellig und locker über die Schultern hing. Sie trug eine helle Jeans, darauf ein rotes luftiges T-Shirt und – oh là là –
sehr schicke Stiefeletten in einem braun, das perfekt zu ihr passte. Sie grinste sie an, umarmte ihre beste Freundin und schritt voran, schnurstracks in Richtung Wohnzimmer.
Shania sah ihr nach, dann wandte sie sich der Person zu, die direkt vor ihr stand. Es war eine sehr nett wirkende junge Frau, die aussah, als wäre sie in ihrem Alter – vermutlich war sie aber wahrscheinlich einige hundert Jahre alt – und sie freundlich anlächelte. Sie war nicht recht groß, aber dennoch machte sie einen sehr selbstbewussten Eindruck.
Ihre schwarz-braunen Haare waren gerade geschnitten und ihre braunen – nein grünen – Halt! Moment! Jetzt hatten sie einen blauen Ton angenommen – Augen waren dunkel geschminkt und auch der restliche Look dieser Frau war eher dunkel gehalten. Ja, so stellte man sich einen Vampir vor. Eine hübsche Gothic-Lady in komplett schwarzem Outfit. Obwohl sie ihr doch ein wenig zu lieb für einen typischen Vampir vorkam. Das täuschte selbstverständlich, das wusste Shania. Sie hatte einmal einen Vampir richtig wütend erlebt und das war wirklich kein schönes Erlebnis.
Sie kratzte sich am Dekolleté, wo die Narbe, die sie von dem damaligen Ereignis davongetragen hatte, immer noch zu sehen war. Als sie die junge Vampirin ausreichend gemustert hatte, streckte sie ihr ihre Hand aus. >>Hallo! Ich 53
bin Shania.<< Die Vampirin lächelte weiterhin, ergriff ihre Hand und schüttelte sie. >>Freut mich. Ich bin Aniola.<< Shania war sichtlich erstaunt von dieser erwachsenen Stimme, die aus dieser niedlichen – wenn man einen Vampir als niedlich bezeichnen konnte – kleinen Frau heraus kam.
>>Aniola? Hübscher Name. Hat der eine Bedeutung?<< Shania interessiere sich sehr für Sprachen Kulturen und Bedeutungen von Namen und ähnlichem. >>Aniol ist Polnisch und heißt Engel.<< Wie passend! Obwohl sie wohl er ein schwarzer Engel war, dachte Shania. Dann erst fiel ihr auf, dass sie noch immer an der Türschwelle standen.
Manchmal vergaß sie einfach, dass man Vampire erst herein bitten musste, damit sie ein Haus betreten konnten. Diese Tatsache konnte wirklich praktisch sein, wenn böse Vampire sich auf einen stürzten wollten, was allerdings selten der Fall war. Schließlich war es ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass es keine Angriffe von übernatürlichen Wesen gibt und falls es doch mal zu Meuchelmorde und Blutbäder kommen sollte, packte sie ihre Waffen zusammen und machte sich auf die Jagd. Falls es noch nicht erwähnt worden sein sollte, Shania war auch eine Jägerin. Mit ihren Kräften und Fähigkeiten als Hexe, war sie die einzige, die Vampire und Gestaltwandler noch aufhalten konnte, wenn diese auszuflippen drohten.
Nun trat Shania zur Seite und gab den Weg für Aniola frei.
>>Komm doch herein!<< Dies reichte als Einladung vollkommen aus und so trat die junge Vampirin über die 54
Schwelle und folgte ihrer Artgenossin ins Wohnzimmer.
Shania schloss die Tür und gesellte sich zu den Beiden.
>>Also<< begann Aniola mit ihrer zarten, aber dennoch sehr erwachsenen Stimme das Gespräch <<< Shania, die sich auf die Lehne des Sessels gesetzt hatte, nickte. >>Hmm. Verstehe. Ich würde mir das gerne mal ansehen.<< Anstatt etwas zu erwidern, stand Shania auf und bedeutete Aniola, ihr zu folgen. Sie gingen in Shanias Labor, wo sich das Glas mit dem Wolfsblut befand.
Shania holte das Glas aus dem Regal und reichte es Aniola, die es sofort unter ihre Nase hielt und daran roch. Sie roch immer wieder daran und schwenkte das Gefäß mit der zäh roten Flüssigkeit, wobei sie es kritisch und mit hochgezogenen Augenbrauen betrachtete. Ungeduldig stand Shania da und wackelte mit dem Fuß. Ihr kam es vor, wie eine Ewigkeit, die Aniola damit verbrachte, das Blut zu betrachten und zu beschnuppern.
Nach einer Weile dann, stelle die junge Vampirin das Glas auf den Tisch und schaute die beiden Freundinnen mit einem entschlossenen Ausdruck auf dem Gesicht an. >>Hast du was herausfinden können?<< Das war die erste Frage, die Shania über die Lippen ging. Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, wusste sie auch schon, dass diese total 55
sinnlos waren, denn sie hatte ja bereits an Aniolas Gesichtsausdruck erkannt, dass sie etwas feststellen konnte.
>>Allerdings<<. Die Antwort des schwarzen Engels war kurz und knapp. Shania fuchtelte mit ihren Händen herum, was
Aniola
als
Aufforderung
verstehen
sollte,
weiterzureden. >>Ich habe in dem Blut des Werwolfs Reste von Drogen ausmachen können. Dazu muss ich sagen, dass die Dosis nicht gerade gering war.<< Erstaunt und mit offenem
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