„Auf meinem Schiff ist mein Wort das Gesetz. Was die anderen Kapitäne machen ist nicht mein Bier. Wer sich anschickt bei mir hineinzureden, hat auf meinem Schiff nichts verloren.“
„Wenn das mal gut geht, Kapitän, die Hiesigen sind sehr konservativ.“
„Mach dir keine Sorgen Tom. Das Schiff wird bald fertig sein, dann bunkern wir ordentlich Proviant und stechen gleich in See. Somit ersparen wir uns den Ärger mit den hiesigen Leuten.“
„Darf ich fragen, Kapitän, wo die Reise hin gehen soll?“
„Das darfst du, aber erfahren werdet ihr es erst, wenn es so weit ist, Tom. Ich muss noch einiges recherchieren, bevor ich eine Reiseroute festlege.“
Es dauerte eine gute Stunde bis die Yacht am Slip gesichert und mit großen Holzklötzen auf der Plattform abgestützt war. Dann wurde die Plattform mit der großen Winsch und armdicken Tauen aus dem Wasser gezogen. Die Werftarbeiter brachten lange Steigleitern, damit die Crew von Bord zu der Plattform hinunter steigen konnte. Don schaute sich die Yacht in ihrer ganzen Pracht von unten an. Erstaunlicherweise war der Bewuchs von Algen und Muscheln am Rumpf sehr gering, jedoch am Stahlkiel und den Schrauben beachtlich. Als die Arbeiter gleich mit zwei Hochdruckpumpen anrückten, um das nasse Schiff vom Bewuchs abzustrahlen, ging Don direkt zu dem Verwaltungsgebäude. Er wunderte sich, dass weder Jerry noch Arthur am Slip auf ihn warteten.
Das alte Verwaltungsgebäude wirkte von der Zeit gezeichnet. Don öffnete die schwere Tür, betrat einen großen Raum der als Empfangsraum diente. Ihn überraschten die vielen Schiffsmodelle die hier aufgestellt oder aufgehängt waren. In der Hoffnung dass sich bald irgendeine Menschenseele blicken lassen würde, wanderte er in der Zwischenzeit von einem zum anderen Modell. Die kleinen Hinweisschilder mit Namen und technischen Daten gaben einen Überblick, was im Laufe der letzten sechzig Jahre in der Werft gebaut worden war. An den Wänden hingen viele vergrößerte Fotos von stolzen Eignern, Kapitänen und den Schiffsbauern aus längst vergangenen Zeiten. Don suchte sich eines der alten Schiffsmodelle aus und versteckte einen kleinen VIRDULA Diamanten.
Als auch nach zehn Minuten Wartezeit kein Anzeichen eines Lebens in diesem Gebäude hörbar oder sichtbar wurde, ging er den Flur entlang, klopfte an die erste Tür die er auch gleich öffnete. Niemand war zu sehen, deshalb kehrte er gleich wieder in den Ausstellungsraum zurück, dachte kurz nach und verließ das Gebäude.
„Wie hat es Ihnen in unserem Museum gefallen, Mr. Don?“, fragte ein bärtiger Mann, der unmittelbar vor der Tür stand. Don kapierte sofort den Witz, schlug dem Mann mit beiden Händen auf die Schulter und beide brachen in schallendes Lachen aus.
„Dieses Witztheater machen wir seit Jahren mit jedem neuen Kunden, weil wir uns kein Verwaltungsgebäude dieser Größe mehr leisten können. Alleine die Heizkosten im Winter hätten uns die Butter vom Brot gefressen. Gar nicht lustig, nicht wahr?“
„Habt ihr nie etwas von einem Holzspäne-Kanonenofen gehört, ihr Witzbolde?“, lachte Don. „Schon lange hat mich keiner so köstlich geleimt wir ihr beiden Schiffsbauer Ganoven.“
„Ich bin Arthur, der Eigner dieses Museums und der Werft. Am besten lacht man über sich selbst, wenn einem nicht mehr viel übrig geblieben ist, als die leere Magengrube.“
„Einer, der absolut nichts zu verlieren hat, kann über sich selbst und den Rest der Welt am Besten lachen“, meinte Don und streckte ihm seine Hand entgegen.
Wer zuletzt lacht, lacht am besten , pflegte mein Großvater zu sagen. Jede Generation meiner Familie erlebte mindestens drei Pleiten, sind aber wie durch ein Wunder immer wieder aus der Asche auferstanden. Ist Ihnen etwas Außergewöhnliches in dem Museum aufgefallen, Mr. Don?“
Don dachte kurz nach, konnte aber nichts Außergewöhnliches finden. Dabei fiel sein Blick auf die halbnackte Brust von Arthur. Dort hing ein Maori-Amulett an einem dünnen ledernen Riemen. Er wusste sofort, was Arthur meinte.
„Ihr Großvater ist nie dazu gekommen ein Kruzifix aus gutem Holz zu zimmern, wenn es das ist, was Sie meinen.“
„Genau das meine ich, Don. Die hiesigen Priester dürfen sich nicht einmal in der Nähe der Werft aufhalten. Sie verbreiteten Geschichten über meinen Großvater, dass er ein eingefleischter Antichrist sei, weil er eine Maori geheiratet hatte. Er war berühmt-berüchtigt für seine kernigen Sprüche über diesen jüdischen Gott. Einmal stand er vor der Kirche und schrie die Leute an:
„Ihr dummes Volk, ihr betet einen jüdischen Gott an, der Jahrtausende die himmlische Schule geschwänzt haben muss. Er erschien dem Abraham und versprach ein gelobtes Land für sein auserwähltes Volk, wusste aber nichts von Neuseeland, dass es überhaupt existiert. Wenn er ein gebildeter Gott wäre, hätte er den Juden gleich zeigen können wo es lang geht. So wie euer Gott ungebildet ist, so seid auch ihr alle dumme Schafe.“ Als die Männer mit Stöcken auf ihn einschlugen, schrie er: „Seht ihr Mörder! Ein Gott, den die Römer für sich beanspruchen, ist ein mörderischer Gott. Euch fällt auch nichts Besseres ein, als gleich die Stimme der Wahrheit zu verprügeln.“
„Seitdem fürchteten sich die Menschen vor meinem Großvater, wie vor dem Teufel. Jemand der sich bei meiner Familie um einen Job bewarb, musste das Kruzifix zuhause lassen. Nicht, dass er etwas gegen Jesus gehabt hätte, er meinte nur, es sei alles erlogen und erstunken, was die Priester über Jesus erzählen.“
„Wie Recht ihr Großvater hatte, mehr als Sie sich denken können. Lassen wir dieses Thema vorerst. Wo ist Jerry verblieben?“, wollte Don wissen.
„Jerry sitzt in unserer Baubude mit dem Anwalt Clearance. Sie schreiben unseren neuen Gesellschaftervertrag. Hätte er bloß mit der Susi einen Vertrag gemacht, wäre er heute kein gerupftes Huhn.“
„Jerry wird allmählich weise, Arthur. Ein Vertrag steht uns allen gut zu Gesicht, auch wenn wir lieber einen Handschlag vorziehen, was die Geschäftsverträge anbelangt. Im Allgemeinen gibt es drei Typen von Geschäftsleuten, die sich nie an Verträge halten, auch wenn sie noch so klug verfasst sind. Erstens: Der verlogene Partner, der von Anfang an geplant hat, dich übers Ohr zu hauen. Zweitens: Den Kneifer, der bei der geringsten Schieflage gleich seine sieben Sachen packt. Drittens: Der wahre Held, der auch dann weiter hilft und ackert, wenn der Karren hoffnungslos in der Scheiße steckt. Ich bin keiner von diesen dreien, daher schlage ich auch immer eine Partnerschaft fünfzig zu fünfzig vor, weil wir uns gegenseitig nie überstimmen und von Anfang an eine Pattsituation haben. Nur ein Weg steht uns für die Zukunft offen, nämlich vorwärts weiter machen in Eintracht.“
„Jerry hat sich heute Morgen gleich bei der Bank nach ihrer Kreditwürdigkeit erkundigt. Nehmen Sie es ihm nicht übel. Er ist oft genug geleimt worden. Es ist für uns beide äußerst beruhigend einen aufrichtigen Partner zur Seite zu wissen.“
„Das ist das Mindeste, was man bei einem neuen Kunden und Partner tun soll, alles überprüfen und regelmäßig kontrollieren.“
Als die beiden den Eingang der Baubude erreichten, fügte Arthur noch hinzu: „Der Anwalt, Mr. Clearance ist ein junger Mann frisch von der Uni. Vielleicht sollten wir uns die Paragraphen genau anschauen, bevor wir alle Verträge unterschreiben.“
Sie betraten eine geräumige Baracke mit großen Dachluken, jedoch ohne Fenster. Stattdessen hingen an den Wänden große Kartons, auf denen Zeichnungen angebracht waren, die die wahre Größe der Baukomponenten darstellten. Nach diesen Plänen wurden die Sperrholzschablonen angefertigt. Ein ganzer Berg dieser Schablonen lag ordentlich in dem hinteren Teil des Raumes aufgestapelt. Der Boden der Bude war sauber, plangeschliffen, so dass alles was gebaut werden sollte auf dem Boden gezeichnet werden konnte. In der vorderen Ecke, rechts vom Eingang, befand sich die Schreibbude, die durch Sperrholzwände und große Fenster von dem Konstruktionsbüro getrennt war. Die Schreibbude etwa acht mal sechs Meter beinhaltete alles, was die Werftverwaltung für Schreibarbeiten und Kommunikation mit der Außenwelt so brauchte, inklusive einer kleinen Kochecke. Jerry und der junge Anwalt sprangen auf, begrüßten Don und Arthur aufs herzlichste, als beide den Raum betraten.
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