Dass man in der Gnade Gottes steht, wird gewöhnlich an zwei Dingen deutlich bemerkt werden: zunächst an einer oft ganz plötzlich und ohne äußere Veranlassung eintretenden ganz überirdischen Freudigkeit; sicherer aber noch daran, dass diesen Menschen nie etwas gelingt, was mit Egoismus verknüpft ist (was bei tausend anderen der Fall ist), dagegen Schweres und Ungewöhnliches merkwürdig wohl und leicht.
Im Übrigen ist es müßig, darüber nachzudenken, ob man diese Gnade besitzt, oder nicht. Wer sie aufrichtig wünscht und bereit ist, sie allen anderen Lebensgütern vorzuziehen, der bekommt sie, ohne alle sonstigen Opfer oder Veranstaltungen; ja er hat sie vielmehr schon, und die oben genannten Zeichen werden auch folgen, so dass er bald nicht mehr daran zweifeln kann.
Der Werdegang , den die einzelne Seele in sich erfährt, wenn sie zu einem wirklichen inneren Leben kommt, ist gewöhnlich der folgende:
Zuerst »wendet euch« — von den unbefriedigenden Weltbestrebungen zu Gott; vom Bösen oder von der Gleichgültigkeit zum Guten. Jes 45 22
Sodann »trachtet zuerst nach dem Reiche Gottes«, das heißt vorzugsweise: nicht nebenher oder koordiniert mit anderem Streben. Mt 6 33
Hierauf folgt die Zuversicht, alles wirklich Nötige und Wohltätige stets haben zu können. Joh 15 7, Joh 16 24
Daraus entstehen am Ende zwangsläufig der beständige innere Friede und die Überwindung der Welt, in der nichts als Angst und Sorge ist, selbst in den besten Schicksalen. Joh 16 33
Das Leben ist ein beständiges Überwinden oder Überwundenwerden; einen anderen Weg gibt es nicht, für keinen auf Erden.
Am Jordan
( 5 Mos 10, 5 Mos 11) O Mensch, der recht gesunden will, Halt ohne Arbeit endlich still Und sprich: O Herr, nun nimm mich hin, Obschon ich nicht gebessert bin. Vertilg die stolze Frömmigkeit, Des eignen Willens Trieb und Streit, Und lass die falsche Lust der Welt Mir werden ganz und gar vergällt. Durch eigne Kraft werd ich nicht rein, Ich muss zuvor erst selig sein; Dann schenkest du mir voll Geduld Für Liebe freundlich alle Schuld. Ich stell mein' Sach auf deine Wahl Und werf das Netz zum andern Mal; Die Liebe sei mein letztes Ziel, Nun, Herr, beginn dein Liebesspiel. (Nach Woltersdorf, GBG 233)
Schlechte Lektüre ist noch gefährlicher als schlechter Umgang. Nur ein Gebilde der Fantasie, aber kein wirklicher Mensch kann das ausschließlich Schlechte und Verkehrte in sich verkörpern und dabei noch schön erscheinen. Außerdem ist man von schlechten Menschen auf natürliche Weise getrennt und vor ihnen auf der Hut, während es beinahe unglaublich ist, was für Bücher, Feuilletons und Theaterstücke selbst in den Gesichtskreis gesitteter Frauen und Kinder gelangen. Ein Buch kann oft das Unglück (aber auch das Glück) eines ganzen Lebens herbeiführen.
Lass den Glauben, dass der Mensch in Naturanlage und Lebensbestimmung dem Tier ähnelt, nicht zu einer Überzeugung werden. Wehre dich mit aller Kraft gegen diese moderne Anschauung, die doch im günstigsten Falle nicht mehr ist als eine wissenschaftliche Hypothese, deren Beweis aussteht und immer ausstehen wird.
Mit einer solchen Anschauung geht das Bedeutendste verloren, was uns vom Tier unterscheidet — soweit ist die Hypothese vielleicht richtig —, und der Rest ist nicht mehr viel wert. An dieser Klippe scheitert jetzt das Glück vieler Menschen, zeitweise ganzer Völker. Bloße Kirchlichkeit kann nicht dagegen helfen, wenn sie ganz unvermittelt neben jener Anschauung gepflegt wird. Es muss vielmehr eine feste, das Leben beherrschende Überzeugung dem Darwinismus entgegenstehen.
Ich konnte nie bemerken, dass die Menschen unserer Zeit auf dem Weg des bloßen philosophischen Nachdenkens zu einem festen Gottesglauben gelangten, oder dadurch, dass sie die moderne Naturwissenschaft mit der Religion zu verbinden versuchten. Weitaus öfter geschieht dies auf dem Weg des praktischen Bedürfnisses, weil ein anderer Weg zum äußeren Glück und vor allem zur konstanten inneren Befriedigung gar nicht zu finden ist. Für einzelne hochstrebende Seelen ist der Glaube an ein solches Geisteswesen, das dem weitestgehenden Idealismus entspricht, und an eine Welt, die durch die höchsten Ideen (und nicht durch die schlechtesten Instinkte der menschlichen Natur) regiert wird, ein dringendes Lebensbedürfnis. Ohne diesen Glauben könnten sie ihre eigene Existenz nicht verstehen und angesichts alles Schweren, das ihnen das Leben bringt, frohen Mutes fortführen. Ihnen sagt eine englische Schriftstellerin unserer Zeit:
Nay, falter not — 'tis an assured good
To seek the noblest — 'tis your only good,
Now you have seen it: for that higher vision
Poisons all meaner choice for evermore.
(George Eliot)
Du sagst aber vielleicht noch, du könnest nicht an Gott und an Christus glauben, dein Verstand stelle sich solchen metaphysischen Anschauungen entgegen. Tatsächlich ist vielleicht beides wahr; aber es ist dennoch nicht der Verstand, sondern in erster Linie eine Neigung anderer Art, die zwischen dir und einer solchen übersinnlichen Gedankenwelt steht. Der Verstand muss bloß rechtfertigen, was der Wille schon beschlossen hat. Im umgekehrten Falle wird man über die Verstandesbedenken immer hinwegkommen.
Daher sagt die Bibel, die Sünde sei der Menschen Verderben. Sünde ist aber jede Neigung, neben der ein Gedanke an Gott nicht bestehen kann.
Das steht zwischen dir und deinem Lebensglück; glaube es nur, suche es auf und beseitige es, dann kommt der Glaube ziemlich leicht und ganz von selber.
Es bedarf keiner besonderen Stunden, Zeiten, Stellungen oder Gebärden zum Verkehren mit Gott. Im Gegenteil: Die einfachste Art des Sprechens, oder auch bloß des Denkens, ist dazu vollkommen genügend, und viele äußere Veranstaltungen sind oft eher hinderlich. Das Beste ist der beständige Gedankenzusammenhang mit unserem Herrn, den der Apostel Paulus das »Beten ohne Unterlass« nennt, den manche »Beter« aber gar nicht kennen. 1 Thes 5 17
Man muss nicht bloß einfach, aufrichtig und ohne jeden Formalismus bitten (was bei unserer religiösen Erziehung schon eine recht seltene Kunst geworden ist), sondern auch die Antwort hören können. Dazu gehört ein feines, vom Geräusch des Tages und der Eigenliebe ganz unbehindertes inneres Ohr.
Viele sogenannte »Beter« dagegen sagen nur ihren Spruch her und gehen nachher davon oder tauchen den Löffel in die Suppe, als wenn gar nichts Wirkliches geschehen oder eine Antwort überhaupt zu erwarten wäre.
Viel hängt davon ab, welches morgens beim Erwachen deine ersten bewussten Gedanken sind. Überlässt du dich der augenblicklichen »Stimmung«, die allerlei zufällige Ursachen haben kann, oder willst du dein Leben selber fest in die Hand nehmen? Willst du gleich wieder mit den Sorgen und Nöten des Augenblicks beginnen oder mit Dank für den neuen Lebensmorgen? Willst du den Bund mit Gott erneuern oder selbstherrlich den »Kampf ums Dasein« wieder aufnehmen? Danach entscheidet sich das Schicksal des Tages.
Die wahrhaft hilfreichen Menschen in der Welt sind jene, die »bei der ewigen Glut wohnen können«; die anderen helfen uns nicht mehr, als wir uns selbst helfen können.
Jes 33 14
»Sorget nicht für den morgigen Tag; ein jeder Tag hat genug seiner eigenen Plage.« In diesem berühmten Wort ist der Nachsatz so offenkundig, dass die meisten auch gern dem Vordersatz zustimmen würden, wenn sie ihn nur für ausführbar hielten; das Leben würde dadurch ja um vieles leichter. Er ist ausführbar, aber nur in Gottes Führung, die viel klüger ist und Dinge rechtzeitiger ausführt als die größte menschliche Klugheit. Der Mensch verkennt meist die Umstände und die eigene Kraft, und oft stellt er »seinen Fuß in einen noch zu großen Schuh.«
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