Atmosphärische Zirkulationstypen
Die atmosphärische Zirkulation entsteht im Wesentlichen durch die unterschiedlich starke Erwärmung der Erde am Äquator und an den Polen. Über dem Äquator steht die Sonne das ganze Jahr über nahezu senkrecht, also im Zenit. Die Regionen dort werden daher stärker erwärmt als die Polregionen, dort scheint die Sonne im Winter gar nicht und im Sommer aus einem flachen Winkel. Dadurch entsteht ein Temperaturgefälle von den niederen Breiten zu den Polen. Die warme Luft am Äquator steigt auf und die kalte Luft an den Polen sinkt ab. So bildet sich am Boden ein Tiefdruckgebiet am Äquator und ein Hochdruckgebiet an den Polen. In der Höhe ist es genau umgekehrt. Dort bilden sich ein Hochdruckgebiet am Äquator und ein Tiefdruckgebiet an den Polen. Diese Druckunterschiede müssen ausgeglichen werden. Deshalb strömt die bodennahe Luft von den Polen in Richtung Äquator und die Luft in der Höhe vom Äquator in Richtung der Pole. Wenn die Erde sich nicht drehen würde und nicht über den Polen viel weniger Platz für die Luft wäre, als über dem Äquator, würde nur diese eine große Zirkulation vom Äquator bis zu den Polen entstehen .
Die Kombination mit der Erdrotation bewirkt dann, dass sich global sechs Zellen bilden (jeweils drei auf der Nord- und drei auf der Südhalbkugel), die sich gegenseitig beeinflussen. Der deutschsprachige Raum befindet sich zwischen dem 30- und 60- Breitengrad und wird somit wettertechnisch durch die sogenannte Ferrel-Zelle beeinflusst (Hedley-Zelle vom Äquator bis zum 30-Breitengrad; Polarzelle vom 60-Breitengrad bis zum Nordpol).
Zugbahnen von Tiefdruckgebieten
Tiefdruckgebiete, die das Wetter in West-, Mittel- und z.T. auch Osteuropa bestimmen, ziehen üblicherweise vom Atlantik herkommend von West nach Ost.
Dringt nun eine Kaltfront von Norden weiter als üblich nach Süden vor, wird ein Atlantiktief nach Süd-Ost abgelenkt. Es zieht dann über Südfrankreich / Spanien zum Mittelmeer, wo es sich durch das warme Wasser verstärkt und stark mit Feuchtigkeit auflädt. Auf dem weiteren Weg nach Nordost über Italien, Slowenien, Tschechien nach Polen / Osteuropa müssen die Luftmassen an den Gebirgen aufsteigen, wodurch sie sich abkühlen, was häufig Starkregen verursacht. Treffen die wasserreichen Wolken auf die nach Süden vorgerückte Kaltfront, kommt es meist zu sintflutartigen Niederschlägen.
Durch Langzeit-Beobachtung der Zugbahnen von Tiefdruckgebieten erkannte der deutsche Meteorologe Wilhelm Jacob van Bebber in dieser Zugbahn ein wiederkehrendes Muster, das er dann mit der Kurzbezeichnung Vb (V = römische Ziffer für "5", daher auch "5b-Wetterlage") katalogisierte.
Die 4 großen Hochwasserkatastrophen in Europa (Oderflut 1997; August 2002 im Oberlauf der Elbe und in Österreich / Bayern; August 2005 in der Alpenregion und Rumänien; Juni 2013 in Mitteleuropa an Donau und Elbe ) liefen nach diesem Vb-Muster ab, wobei allerdings die Orte der stärksten Niederschläge um einige hunderte bis zu etwa tausend Kilometern variieren können. Dieses ist abhängig von der jeweiligen Zugbahn des Tiefdruckgebietes. Verläuft die Zugbahn weniger stark östlich, müssen die Luftmassen an den Alpen aufsteigen. Das führt dann zu Starkregen in den Alpen, wie beim Alpenhochwasser 2005 .
Tiefdruckgebiete auf der Nordhalbkugel drehen sich aus physikalischen Gründen grundsätzlich linksherum. Typischerweise bewegen sich Tiefdruckgebiete auf der Vb-Zugbahn in Südeuropa nur langsam vorwärts. Durch ihre ständige Linksdrehung transportieren sie dann tagelang gewaltige mit Feuchtigkeit angereicherte, warme Luftmassen nach Norden und sorgen dadurch für lang anhaltenden Starkregen. Die betroffenen Regionen werden oft doppelt belastet: sie müssen bei den Niederschlägen Spitzenwerte in kurzer Zeit und auch in der Summe über mehrere Tage durchleiden .
In ungünstigen Fällen, wie beim Alpenhochwasser 2005 , können die Wassermassen sogar auf zwei unterschiedlichen Wegen über die Orte hereinbrechen: Über die Wasserscheiden in den Alpen fließt ein Teil des dort niedergehenden Starkregens oberflächig nach Norden in das Flußsystem Österreichs / Südbayerns ab. Durch die Rotation des Tiefs können die feuchten Luftmassen außerdem z.T. östlich um die Alpen herum geführt werden. Dort treffen sie dann mit ihrer Kreisbewegung von Nordosten herkommend auf den Nordrand der Alpen, was noch einmal heftige Niederschläge verursachen kann .
Auswirkungen des Klimawandels in Bezug auf Starkniederschläge (Wetrax)
Im Jahr 2015 wurde das Projekt Wetrax nach rund dreijähriger Bearbeitung in Zusammenarbeit von deutschen und österreichischen Wissenschaftlern fertiggestellt. Der Name des Projektes steht für „Weather Patterns, Cyclone Tracks and related precipitation Extremes“, also Auswirkungen des Klimawandels auf großflächige Starkniederschläge in Süddeutschland und Österreich und ist Analyse der Veränderungen von Zugbahnen und Wetterlagen.
Beteiligte an dem Projekt waren der Lehrstuhl für Physische Geographie und Quantitative Methoden der Universität Augsburg (Prof. Dr. J. Jacobeit, Dr. A. Philipp, Dr. C. Beck, Dipl. Geogr. M. Homann), die ZAMG - Zentralanstalt für Meteorologie und Klimatologie (Mag. M. Hofstätter) in Wien, die Bundesanstalt für Gewässerkunde in Koblenz und das Bayerisches Landesamt für Umwelt in Augsburg.
Die Wissenschaftler untersuchten die Veränderung von großräumigen Starkniederschlagsereignissen im Klimawandel für den Zeitraum von 1951 bis 2100. Das Untersuchungsgebiet umfasst Süddeutschland, Österreich und angrenzende Teile der Schweiz sowie Tschechiens .
Das Projekt bezieht sich ausdrücklich nicht auf lokal auftretende Starkregenereignisse, sondern auf großräumige Zirkulationstypen, also Wetterlagen und auf Zugbahnen von Tiefdruckgebieten. Diese beiden grundlegend unterschiedlichen methodischen Ansätze wurden durch die Wissenschaftler erstmalig miteinander kombiniert.
Es besteht nun die Möglichkeit durch die quantitative Bestimmung der Starkniederschlagsrelevanz von Zugbahnen von Tiefdruckgebieten und von großräumigen Zirkulationstypen, also Wetterlagen, die Hochwasservorhersagen besser zu unterstützen.
Ein Ergebnis dieses Projektes ist, dass viele großräumige Starkniederschläge in Mitteleuropa mit nur wenigen Zugbahnen und Zirkulationstypen erklärt werden können. Das bedeutendste Muster dabei ist ein persistentes (lang anhaltendes) Höhentief über dem Alpenraum in Verbindung mit einem Bodentief, das sich von Oberitalien aus in Richtung Polen verlagert und große Wassermengen aus dem Mittelmeerraum auf den Kontinent transportiert .
Vb- Zugbahnen sind vor allem im Sommerhalbjahr (Mai-Oktober) in den Einzugsgebieten von Donau, Oder und Elbe relevant. Im Winterhalbjahr (November-April) nimmt diese Zugbahn eine spezielle Rolle in den Regionen im Bereich des Alpenostrandes ein. Zugbahnen des Typs TRZ oder Atlantik sind vorwiegend für die Flüsse Rhein, Ems und Weser von Bedeutung, dabei gibt es keine jahreszeitlichen Unterschiede.
Der schlimmste Fall tritt für Mitteleuropa ein, wenn ein Tiefdruckgebiet in höheren Luftschichten stationär über dem Alpenraum liegt und das dazugehörige Bodentief entgegen dem Uhrzeigersinn von Oberitalien über den Alpenostrand hin zum Oberlauf der Elbe bzw. Oder zieht. Das Tiefdruckgebiet muss dazu ebenfalls stark ausgeprägt sein und die Atmosphäre ein hohes Temperatur- und Feuchteniveau aufweisen.
Für die letzten 60 Jahre zeigen sich die deutlichsten Veränderungen bezüglich des Niederschlagsverhaltens im Herbst: in fast allen Regionen haben sowohl die Starkniederschlagshäufigkeit als auch die Starkniederschlagssummen signifikant zugenommen .
Sturzflutenwetter
Hohe Intensitäten werden durch konvektiven Niederschlag erreicht.
Ein konvektiver Niederschlag entsteht durch heftige vertikale Luftströmungen bei einer instabilen Luftschichtung der Atmosphäre. Durch die Erwärmung bodennaher Luftmassen bildet sich ein vertikaler Auftrieb mit hoher Kondensation, wenn die aufsteigende Luft einen hohen Feuchtigkeitsgrad aufweist. Es entstehen Turmwolken. Die Intensität dieser als Schauer- oder Gewitterregen auftretenden Niederschläge kann für kurze Zeit sehr hoch sein. Dabei können in kleinen Einzugsgebieten große Abflüsse in Fließwegen auftreten, die vorher noch nicht bekannt waren und sogar Überschwemmungen verursachen.
Читать дальше