Mitgefühl empfindet die moderne Gesellschaft nur dann, wenn der mediale Fokus sich gerade mal wieder auf bestimmte Missstände richtet. Ansonsten ist sie zu beschäftigt, sich über aussterbende Afrikaner oder kranke Südostasiaten Gedanken zu machen. Umso schöner, dass du es gerade tust und dich darüber hinaus frei dafür entschieden hast. Denn wenn keiner etwas tut, tut sich auch nichts. Dabei gibt es zahlreiche offene Fragen zu unserer Existenz und Zukunft. Fragen, denen wir uns, wenn du willst, nun aber gleich intensiv widmen können, um in einer Gesellschaft von Richtern und Henkern nicht weiter unwissend auf der Seite der Henker zu stehen.
Globale Probleme fordern globale Lösungen
Als verantwortungsbewusste Bürger und mitfühlende Wesen können wir uns gemeinsam auf die Suche nach Antworten machen und uns mögliche Lösungswege für die prekäre Situation auf Erden erschließen. Wir können uns über Wissen und die bewusste Steuerung unseres Konsumverhaltens dazu befähigen, selbst einen Beitrag zur Verbesserung der Situation leisten zu können, anstatt immer nur von anderen, Politikern, Bänkern oder Göttern zu erwarten, dass sie es für uns tun.
Ja, lass uns aktiv werden und die Fragen nach den Ursprüngen von Leid angehen. Eins ist mir nämlich klar geworden: So wie bisher kann es nicht weitergehen und wir müssen unbedingt versuchen etwas zu ändern, damit unsere Kinder nicht auf einem verwüsteten Planeten aufwachen, auf dem Arme gegen Reiche kämpfen.
Tatsächlich vollzieht unsere Zivilisation gerade einen Drahtseilakt und balanciert am Abgrund einer multidimensionalen Krise. Dass du dich als Vorreiter einer neuen Denkart dazu bereit erklärst, aktiv etwas dagegen zu tun, ist eine mehr als noble Entscheidung. Denn nicht nur das Ungleichgewicht zwischen Nord und Süd macht uns heute zu schaffen; es gibt noch ganz andere Probleme, die ich bisher kaum gewagt habe zu thematisieren, weil sie uns so existenziell bedrohen, dass sie von den meisten erst gar nicht wahrgenommen werden wollen. Zum allgemeinen Leid der Welt gesellt sich heute nämlich eine immer deutlicher werdende Erderwärmung, der immer mehr Naturkatastrophen und Wetterextreme wie Erdbeben, Wirbelstürme, Taifune, Hurrikans, Tsunamis, Überschwemmungen, heftiger werdende Regengüsse, Mega-Fluten, Vulkanausbrüche, Kälte- und Hitzewellen, schmelzende Gletscher, steigende Meeresspiegel, Dürreperioden, Wüstenbildungen und natürlich Dramen wie das von Fukushima oder das von den Philippinen mit sich bringt, deren wahre Ursache wir selbstverständlich noch ermitteln können. Von den Energiekrisen, humanitären Desastern, Flüchtlingsströmen und Katastrophenszenarien, die mit dem Klimawandel einhergehen, ganz zu schweigen.
Es sind globale Probleme, die uns eigentlich alle etwas angehen müssten und uns als Weltgemeinschaft normalerweise enger zusammenrücken lassen sollten, in Wirklichkeit aber genau das Gegenteil bewirken. Nicht nur, dass Flüchtlinge eher als lästige Parasiten, denn als hilfsbedürftige Menschen angesehen werden, die man loswerden will, auch dass viele heute vornehmlich nur noch an sich denken und versuchen sich irgendwie durchzuboxen, ist ein Phänomen, das sich in den letzten Jahrhunderten massiv verstärkt herauskristallisiert hat und zu einer ernsthaften Bedrohung für Werte wie Solidarität, Zivilcourage, Mitgefühl und Nächstenliebe geworden ist.
Geht man tiefer bemerkt man, dass fast alle gesellschaftlichen Bereiche vor ihrem Kollaps oder zumindest vor bahnbrechenden Veränderungen stehen. Nehmen wir beispielsweise das Bildungs- und Schulsystem, den Energiesektor oder das Gesundheitswesen. Es sind alles gesellschaftliche Systeme, die revolutioniert werden müssen, wenn sie nicht zusammenbrechen und nachhaltig das Überleben der Menschheit gefährden sollen. Oder besser gesagt: Es sind Probleme, die gelöst werden müssen, wenn wir in eine friedfertige, glückliche und gesunde Zukunft gehen wollen.
Na, da bin ich mal gespannt, wie wir das alles unter einen Hut bekommen.
Das kriegen wir hin. Oberflächlich scheint das zwar alles zusammenhanglos, doch in Wirklichkeit liegt das einzig wahre Problem des Menschen in seiner Wahrnehmung der Wirklichkeit, seiner Geisteshaltung und den daraus erwachsenden Vorstellungen, Haltungen und Neigungen. Was jetzt noch zusammenhanglos, unveränderbar und statisch scheint, kann durch das nötige Hintergrundwissen blitzschnell in Bewegung gebracht werden.
Hoffen wir es, denn in der Welt läuft gerade einiges mächtig schief. Wenn der Großteil der Weltbevölkerung unter menschenunwürdigen Bedingungen perspektivlos vor sich hinvegetiert, kann an dem herrschenden System und den Wertvorstellungen von uns Menschen irgendetwas nicht stimmen.
In der Tat.
Im Ego liegt der Hund begraben!
Wie Verhaltensforscher und Neurologen jüngst beobachten konnten, strebt die überwiegende Mehrheit der Bewohner der westlichen Hemisphäre nur noch nach materiellen Werten wie Geld, Statussymbolen und persönlichem Reichtum. Weisheit, das Denken an andere, hat nirgendwo auf gesellschaftlicher Ebene noch einen hohen Stellenwert — weder in der Politik noch in der Wirtschaft oder den Wissenschaften.
Dieser allgemeine Werteverfall und der sich ausbreitende Egoismus, Gier und Machthunger haben zu einem ideologischen Vakuum und zu ethisch-moralischen Vorstellungen geführt, die es dem Individuum erlauben, reinen Gewissens auf Kosten anderer zu leben, ohne das Schicksal anderer Menschen zu achten. Daraus ist eine Lebensart entstanden, die uns in eine eklatante Weltlage gebracht hat, die droht in Form von Wirtschaftskrisen, Umweltkatastrophen und den verschiedensten Krisensymptomen zu eskalieren. Es ist, als wolle die Erde dem Menschen zeigen, dass er so nicht weitermachen kann und, solange er nur den Mammon des Geldes anbetet, auch nicht länger das Recht hat, auf ihr zu wohnen. Alles, was wir der Erde und unseren Mitmenschen antun, kommt nämlich eines Tages auf uns zurück. Eine universelle Gesetzmäßigkeit, die indische Schriftgelehrte und Mystiker aller Regionen als »Karma« oder »Resonanzgesetz« bezeichnen und deren Gültigkeit wir noch eingehend prüfen werden.
Wollen wir wirklich so unbewusst weitermorden?
Natürlich hat Stalin recht mit seinem berühmten Satz: "Der Tod von Tausenden ist nur eine Statistik und der Tod des Einzelnen eine Tragödie", doch ist der Mensch wirklich so gefühlsroh, emotional ertaubt und anteilnahmslos dem Schicksal anderer gegenüber geworden, dass er tatsächlich zusehen kann, wie täglich Tausende unschuldige Menschen den Hungertod sterben? Einen Tod, der weiß Gott kein Zuckerschlecken ist, wie der ehemalige UN-Sonderbeauftragte für das Recht auf Nahrung, Jean Ziegler, aus eigener Erfahrung nur allzu gut zu berichten weiß und uns das in seinem Bestseller »Wir lassen sie verhungern — Die Massenvernichtung in der Dritten Welt« ganz genau beschreibt, damit wir langsam aufwachen und etwas gegen diesen Massenmord tun: "Ein erwachsener Mensch kann in der Regel drei Minuten leben, ohne zu atmen, drei Tage, ohne zu trinken, drei Wochen, ohne zu essen. Mehr nicht. Dann beginnt der körperliche Verfall. Bei unterernährten Kindern kündigt sich der Todeskampf sehr viel früher an. Zunächst verbraucht der Körper seine Reserven an Zucker, dann an Fett. Die Kinder werden lethargisch. Sie verlieren rapide an Gewicht. Das Immunsystem bricht zusammen. Durchfälle beschleunigen die Auszehrung. Mundparasiten und Infektionen der Atemwege verursachen schreckliche Schmerzen. Dann beginnt der Raubbau der Muskeln. (...) Ihre Arme baumeln kraftlos am Körper. Ihre Gesichter gleichen Greisen. Dann folgt der Tod." (Quelle: Jean Ziegler, Wir lassen sie verhungern — Die Massenvernichtung in der Dritten Welt)
Ja! Ich kenne diese Bilder aus dem Fernsehen. Aber ich habe mich nie dafür verantwortlich gefühlt und das nicht als mein Problem gesehen.
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