Charlotte Meyer
Liebe und Tod am Meer
Die Legendenfrau
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Inhaltsverzeichnis
Titel Charlotte Meyer Liebe und Tod am Meer Die Legendenfrau Dieses ebook wurde erstellt bei
Kapitel 1 LIEBE UND TOD AM MEER Kapitel 1 LIEBE UND TOD AM MEER Lauf, Mädchen, vom hohen Berg bis zum Meer, unterwegs, manchmal der Tod, manchmal das Leben. von Charlotte Meyer Text : Copyright by Charlotte Meyer Cthinnesmeyer@gmail.com Alle Rechte vorbehalten Eins, zwei, der Drache ist erwacht. Drei, vier, er ist auf Jagd nach dir. Fünf, sechs, du musst schneller sein als er. Sieben, acht, hat er dich, wehr dich. Neun, zehn, sieh hin .... und zerspring.
Kapitel 2 Leben und Leben lassen
Kapitel 3 Briefe meiner Schwester
Kapitel 4 Der Drache und das Meer
Kapitel 5 Traurige Pflicht
Kapitel 6 Was man am Strand findet, darf man behalten
Kapitel 7 Legenden und Wahrheiten
Kapitel 8 Abschiede und Fluchten
Kapitel 9 Gegen den Drachen muss man Kämpfen. Alle Mann, jederzeit.
Impressum neobooks
Kapitel 1 LIEBE UND TOD AM MEER
Lauf, Mädchen,
vom hohen Berg bis zum Meer,
unterwegs,
manchmal der Tod, manchmal das Leben.
von Charlotte Meyer
Text : Copyright by Charlotte Meyer
Cthinnesmeyer@gmail.com
Alle Rechte vorbehalten
Eins, zwei,
der Drache ist erwacht.
Drei, vier,
er ist auf Jagd nach dir.
Fünf, sechs,
du musst schneller sein als er.
Sieben, acht,
hat er dich, wehr dich.
Neun, zehn,
sieh hin .... und zerspring.
Kapitel 2 Leben und Leben lassen
Das Lied hatte ich geträumt, ich erinnerte mich beim Aufwachen deutlich daran.
An das helle Kinderlachen.
Das fröhliche, unbeschwerte Lachen dreier Mädchen.
Drei Schwestern, die heiter beim Seilspringen Abzählverse sangen.
Blitzlicht zuckte auf.
Es war, als sähe ich die spielenden Kinder durch das Objektiv einer Fotokamera. Im flirtendem Blitzlicht wurden die Bewegungen, die Gesichter, das Lachen für die Ewigkeit eines Augenblickes eingefroren.
Klick, Klick, die Mädchen sprangen, die blonden Zöpfe flogen.
Klick, Klick, am Rande des runden Kamerablickes formte sich ein dunkler Schatten.
Schwarze, diffuse Dunkelheit, die sich träge, aber unaufhaltsam in den Blick des Beobachters hinter der Kamera schob.
Daran erinnerte ich mich.
Ich war im Traum in meine Kindheit zurückgekehrt, spielte Seilspringen mit meinen Schwestern und sang den Drachenvers.
Es war wie eine herausgeschnittene Szene. Gab es ein Davor oder ein Danach, so erinnerte ich mich nicht daran.
Das wunderte mich nicht.
Ich erinnerte mich nur an wenige meiner Träume, vielleicht, weil ich mich nur selten an meine Kindheit erinnern mochte.
Meinen Lebensunterhalt verdiente ich durch den Betrieb einer Kneipe in Frankfurt.
Um sechzehn Uhr eröffnete ich.
Um siebzehn Uhr wurde es schon dämmerig.
Es waren kurze, regnerische Dezembertage. Die Dunkelheit schien sich zuerst in den engen, fensterarmen Seitenstraßen zu bilden. Die Nacht schaffte es noch nicht, auf die heftig befahrene Hauptstraße zu schwappen. Sie wurde zurückgedrängt von aufflammenden Scheinwerfern, von taghell erleuchteten Schaufenstern, von zuckenden Blitzlichtern der Reklamen, der beweglichen Helligkeit der Straßenbahnen.
Zu früh knipsten sich die Straßenlaternen dazu.
Bald würde daraus das matschige Halbdunkel der Großstadt werden.
Dieses nie- richtig- Dunkel und auf- gar- keinen- Fall- ruhig.
Nachdem ich bereits drei Jahre in Frankfurt lebte, verbrachte ich nach der Hochzeitsfeier meiner jüngeren Schwester die letzten Nachtstunden im Haus meiner Mutter.
Sie wohnte im alten Teil des Dorfes. Dort war ich geboren worden.
Inzwischen waren zwei Neubaugebiete hinzu gekommen. Leute, die dort wohnten, aber nie richtig heimisch wurden. Sie waren zu wenige, um in den Gemeinderat gewählt zu werden, oder gar zum Bürgermeister. Weder sprachen, noch verstanden sie den heimischen Dialekt, der sie ausschloss von den Kneipengesprächen am Bauernstich, den Winzerstammtisch und dem Klatsch der älteren Frauen.
Das Dorf mochte sich verjüngt haben.
Es gab neuerdings einen Supermarkt, die Kirche wurde vom Pfarrer der Nachbargemeinde versorgt, aus der alten Schule war ein Kinderhort geworden.
Aber die Klüngelei der Dorfleute war geblieben.
Ein malerisches Bächlein schlängelte sich zwischen braven weißen Häuschen, grün- bunten Vorgärten, mit richtig netten, properen Durchschnittsbürgern.
Es ging das Gerücht, das Leute, die ihr Haus lila strichen, vom Vorstandskomitee für genehme Farbgestaltung standrechtlich erschossen würden.
Wahrscheinlich lachten die Zugezogen über solche Gerüchte.
Ich nicht.
Frühmorgens fuhr ich mit einem Schrei hoch, voller Angst, im Schlaf erblindet zu sein. Ich erinnerte mich nicht mehr daran, ob ich einen Alptraum hatte, oder ob es nur dieses einzigartige Gefühl des Sturzes, blind und hilflos, gewesen war.
Um mich herum war es DUNKEL und STILL.
Vielleicht war es auch das Abflauen des Cocktails aus Sekt und Valium, den ich mir verpasst hatte. Sonst trank ich keinen Tropfen Alkohol, in meinem Job wär’s ja auch eine Katastrophe, aber an diesem Tag hatte ich es einfach gebraucht.
Ich schluckte zwei Valium, alleine, um den Schock über den zartgelben Farbton des Hochzeitskleides für schwangere Bräute zu überleben.
Der Sekt brachte mich am Tisch über die Runden.
Ich saß zwischen meiner Mutter und meiner älteren Schwester Yvonne, die sich an einem riesigen, hölzernen Kreuz festhielt, das die unter reizlosen braunen Stoff versteckten Rundungen ihrer Brüste begrub, so gut, als habe sie tatsächlich die Gelübde abgelegt und den Schleier genommen, wie sie es einmal vorgehabt hatte.
Durch den Wodka schaffte ich es, das Geschwätz zweier Tanten zu ertragen. Sie erzählten niedliche Geschichten, was für aufgeweckte, fröhliche und hübsche Kinder wir gewesen waren. Ich konnte mich an keine einzige dieser Fabeln erinnern. Die Tanten waren uralt, deshalb nahm ich an, dass sie uns mit irgendwelchen Cousinen verwechselten. Außerdem hätte ich gar nichts mehr sagen können, ich musste zur Toilette, mich übergeben.
Ich verstand es einfach nicht!
Ich war dreizehnjährig von Zuhause abgehauen, vorher hatte ich durchaus versucht, auf meine Probleme aufmerksam zu machen. Aber die plappernden Tanten ignorierten das, oder schienen es tatsächlich vergessen zu haben.
Selektives Gedächtnis nannte man das.
Sollte massenweise nach dem zweiten Weltkrieg aufgetreten sein, sobald das Wort JUDE erwähnt wurde.
Ha.
Vielleicht war es auch eine jener Nächte, in denen man nicht schlafen konnte, selbst wenn man eine ganze Packung Valium eingeworfen hatte.
So eine Nacht, in der man hochfuhr und mit entsetzten Augen ins Dunkle starrte, unsicher, ob der Traum zu Ende war, oder weiterging.
Eine Nacht, die einem schwer auf dem Magen lag, selbst wenn man seine Seele im Weihwasserbecken hinter den Beichtstühlen ausgewaschen hatte, um sie zur Ruhe zu bringen.
Eine Nacht, um Drachen aufzuwecken.
Schließlich stand ich auf, griff meinen Koffer und machte mich davon, noch bevor Mama aus ihrem Glücks- Koma erwachen konnte.
Die Häuser waren dunkel, nur in einem ging ein schwaches Küchenlicht an. Ich begegnete lediglich den Fegern, die den Bürgersteig blitzblank machten und rechtzeitig vor dem ersten Licht des Tages unsichtbar wurden.
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