Sie hatte Zuhause neun jüngere Geschwister, eine ältere Schwester arbeitete hier in Frankfurt im Puff, aber Binary würde es besser treffen. Sie besaß das Zeug dazu.
Bei Binarys Methode war ich mir unsicher, wer hier wen ausnutzte.
Sicher war nur, betrogen wurde allemal.
Ivoco aber besaß nicht Binarys asiatisch- stählernes Lächeln.
Ivoco hatte ein Gesicht mit einem Ausdruck darin, an dem ich nicht schuld sein wollte, aber nicht wußte, ob das auch so war.
Ivoco suchte sich mit dem untrüglichen Instinkt einer Motte immer haargenau die Typen aus, die sich mit dem Austrinken ihres Bieres verpissen würden.
Ivoco sprach diese Studenten an, jenen sauberen, adretten, blitzgescheiten Typ, der nach zehn Minuten genau wußte, was Sache war. Die Hälfte der Kerle lächelten ihr Sonny- Boy- Lächeln und verschwanden mit ihren Kumpels in der nächsten Kneipe.
Die andere Hälfte verschwand erst, nachdem sie es geschafft hatten, den Ausdruck in Ivocos Gesicht tiefer einzuprägen.
Vielleicht gaben sie ihr Geld, aber sie nahmen ihr jedes Mal ein Stück von ihrem Leben.
Ich fragte Ivoco nichts, mir reichte, was ich so sah.
Selbst wenn sie in Deutschland bleiben konnte, musste sie noch ihre Schulden abarbeiten.
Ich befürchtete, diese Schulden gehörten zu denen, die immer mehr als weniger wurden.
Wer mal mit Prostitution anfing, kam so schnell nicht mehr raus.
Was würde passieren, wenn sie keinen Deppen fand, der ihr Leben hier legalisiere?
Würde sie Don Sandros Angebot annehmen, heimlich, still und leise für ihn zu arbeiten?
Ganz und gar von ihm abhängig zu sein?
Oh, nein, Don Sandro brauchte keine Prügel und Drogen und Keller, er schickte die Mädchen auf den Strich und sie waren ihm noch dankbar.
Er schickte mir Mädchen, damit sie sich in meiner Kneipe einen Ehemann besorgen konnten und ich war dankbar, das ich ansonsten in Ruhe gelassen wurde.
Alles paletti!
Also betrachtete ich die gleichmäßige Maske meines Gesichtes im Gläserspiegel und gab Benny keine Antwort.
Irgendeiner der Gäste sagte gerade:
”Ich wünschte, ich wäre ein Hund. Hunde müssen nicht arbeiten, kriegen ihr Futter und alles. Hunde haben es doch gut, oder?”
Ich brachte ihm ein neues Bier, ein neues Korn.
”Nicht in China,” erwiderte ich abwesend.
Diesmal lachte Benny, aber er hörte sofort damit auf, als er meinen fragenden Blick bemerkte.
Es war überhaupt auch kein Lachen gewesen, das die Augen groß mitmachen ließ.
”Isabelle, kannst du mir mal sagen, warum das Bier gegenüber zehnmal teurer ist?” fragte Karl, ein Stammkunde. Er stemmte seine Ellenbogen auf das glattpolierte Holz, dass ich so oft abwischte, wie Pilatus seine Pfoten wusch.
Alle Kerle sahen mich gespannt an. Im Lokal gegenüber servierte man Oben- Ohne.
”Klar kann ich dir das sagen,” sagte ich.
”Drei von den zwanzig Mark fürs Glas sind fürs Bier, den Rest
brauchen die Mädchen für Hustenbonbons.”
Der Witz war so alt wie der traurige Job, der drüben ablief.
Karl hieb grölend vor Lachen auf den Tresen.
Ivoco kam gerade mit einer Platte frischer Buletten rein und betrachtete ihn erstaunt. Ich glaube, sie hätte auch nicht verstanden, was Karl so komisch fand, wenn sie Deutsch verstünde.
Ich zapfte gerade Bier hoch, als ein Pärchen zur Tür reinkam. Die männliche Besetzung kam mir bekannt vor.
Dies schien wirklich einer dieser Abende zu werden, die man getrost vergessen konnte.
Der Mann war Joachim, mein kleiner Disco- Ausrutscher.
Er schmetterte mir einen so arroganten Blick hin, das ich beinahe den Sinn seines Kneipenbesuches erriet.
Er war der Typ des ewig trotzigen Jungens. Niedlich, nett, aber unfähig, den Mülleimer rauszutragen, ohne zu motzen.
Die Frau neben ihm war hübsch, schlank, trug eine Brille und sah eigentlich intelligent genug aus, um sich zu gut für eine : Das- ist- meine- Neue- und- sie- hat- viel- größere- Möpse- als- du- Show herzugeben.
Ich nahm es aber keinen von beiden Übel und servierte das Bier mit gleichgültigem Lächeln.
Joachim war ein großer, cool aussehender Junge, der den Erwartungen, die ich in sein Heavy- Outfit gesetzt hatte, nicht gerecht wurde. Er war Buchhalter von Beruf und ein Illusionist der Liebe.
Mann, ich musste so was von besoffen gewesen sein!
Sich mit ihm einzulassen und sei es nur für einen Fick, war ein großer Fehler gewesen.
Ich hatte in einer Disco wild abgetanzt, in einer, in die Blondinen ohne Eintritt hineinkamen. Da hätte man doch erwarten können, dass der Junge einen Plan hatte.
Nicht Joachim.
Ich hatte ihn auf dem Rücksitz seines Wagens gefickt, mehr war da nicht. An dem Abend hatte ich mir nicht mal seinen Namen gemerkt. Wirklich, in solche Lokale ging man nur, wenn man Spaß haben wollte. Man konnte von den Typen dort nicht erwarten, das sie sich für Freundschaft, Partnerschaft, oder, würg, die große Liebe eigneten.
Joachim sah das anders. Er suchte mich und fand mich schließlich in meiner Kneipe.
Klasse.
Fast ein halbes Jahr hing er fast täglich am Tresen, sah mich mit verletzten Rehkitzaugen an und versuchte mir zu erklären, das er in mich verliebt sei, mich liebte, ich die einzige war, die ihm was bedeutete.
Nicht lachen. Bloß nicht. Er meinte das Ernst!!!!!
Solchen Sachen war ich immer aus dem Weg gegangen.
Joachim hatte sexy und cool ausgesehen, aber wenn ich gerade mal Lust auf einen knackigen Hintern hatte, hieß das noch lange nicht, dass ich jemanden suchte, um die Miete zu teilen.
Joachim konnte es nicht fassen, das wir keine Beziehung, sondern nur einen Fick gehabt hatten.
Er hatte sich auf die Frau fixiert, die ihn entjungfert hatte (das war mir echt peinlich, abgesehen davon, dass ich nichts davon hatte).
Ich versuchte auch gar nicht, es ihm zu erklären.
Erstens war es menschlicher, Männer gleich zu erschießen, als ihnen zu sagen, dass sie als Liebhaber durchgefallen waren.
Er hatte zwar einen schönen, steifen Schwanz gehabt, den ich gut benutzen konnte, aber ansonsten keinerlei Raffinesse aufzuweisen. Aus so einem wurde bestenfalls ein guter Rammler, aber kein erfahrener Liebhaber.
Jungs mit kleineren Schwänzen gaben sich wesentlich mehr Mühe.
Und Joachim hatte nicht mal ein Kondom dabei gehabt, das sagte doch wohl alles, oder?
Zweitens glaubten Männer doch, falls eine Frau sich auf eine Diskussion einließ, sie wäre irgendwann doch noch zu überreden.
Ich hatte versucht, Joachim mit Ivoco zu verkuppeln, er hätte eine bessere Partie gemacht, als ihm je klar geworden wäre, aber das scheiterte.
Ivoco betrachtete mich als Freundin ( Gott alleine wusste, warum ) und hätte mir nie den Lover abspenstig gemacht, selbst wenn ich sie auf Knien angefleht hätte.
Und ich hätte beide auf Knien angefleht, wenn Hoffnung bestanden hätte, ehrlich.
Aber beide waren einfach doof. Jeder auf seine Art. DOOF.
Die Frau neben Joachim war hier, um den lächerlichen Versuch zu starten, mich eifersüchtig zu machen, (seine Schwester?) und ich konnte es mal wieder nicht fassen.
Der Junge lebte echt in einer anderen Welt und kapierte es einfach nicht.
Ich machte gerade doppelten Espresso für zwei Russen, sie spielten bereits seit Stunden Schach, als das Telefon klingelte. Ich hob ab.
Zuerst verstand ich kein Wort, jemand flüsterte praktisch in den Hörer. Also steckte ich den kleinen Finger ins andere Ohr und gab dem Kerl noch eine Chance, bevor ich auflegen würde.
Schließlich kapierte ich, das meine Mutter am anderen Ende der Leitung war. Wahrscheinlich war sie wieder mal betrunken, das erklärte vieles.
So wie ich es sah, war meine Mutter seit meinem elften Lebensjahr betrunken.
Wenn es zwischen Rausch und Kater andere Phasen gab, hatte ich sie jedenfalls nicht mitbekommen.
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