»Ich denke an nichts anderes, Adda. Versprochen«, lachte Edgar und warf die Autotür zu.
Adda lächelte Edgar honigsüß an. »Danke für alles, Edgar. War richtig schön, bei Kommissars zu Gast zu sein.«
Er lächelte ebenfalls, winkte, und ging zurück zur Haustür und zu Waltraud, die dort auf ihn wartete, während auch sie den beiden nochmals zuwinkte.
Elfriede startete den Wagen und fuhr los. »Das war knapp, Adda. Verdammt knapp.«
»Was du nur immer hast! Ist doch gar nichts passiert. Hast ja gehört, Edgar ruft sogar an, wenn er wieder ‘ne Leiche hat. Was kann ich mehr wollen?«
»Hoffen, dass du nicht erwischt wirst.«
»Geh, warum sollte ich aufliegen? Mir fällt doch immer was ein. Hast’e doch vorhin gemerkt. Die haben nicht den geringsten Verdacht, dass ich nicht echt bin.« Wie viel Schiss sie jedoch vorhin gehabt hatte, als auch sie geglaubt hatte, aufgeflogen zu sein, das verriet sie ihrer Tochter nicht. Das hätte nur unnötigerweise dazu geführt, dass Elfriede sie weiter bedrängt hätte, den Kontakt zu Kommissar Edgar Braun aufzugeben. Und das wollte sie auf gar keinen Fall. Immerhin, sie hatte immer noch keinen Mord gehabt. Und auch immer noch keine Leiche, die auf heimtückische Weise ums Leben gekommen war. Nee, solange sie das nicht hatte, so lange würde sie auch den Kontakt zu Edgar nicht abbrechen lassen.
Immerhin, um die Miss Marple von Mannheim zu werden, brauchte sie auch einen echten Mordfall, mit einer richtigen, niedergestreckten Leiche!
Adda schaute kopfschüttelnd zum Kalender hin. Unterdessen waren zwei Wochen vergangen, ohne, dass sie etwas von Edgar gehört hatte. Auch nichts im Polizeifunk, den sie jeden Abend anmachte und den Durchsagen, neben dem Fernsehen, lauschte. Doch außer bei Soko 5113 und Der Alte waren keine Morde passiert. Aber was nutzten ihr Fernsehmorde? Alles gestellt, das Blut mit künstlichem Blut dargestellt, und all so ’nem Kram. Nee, solche Morde suchte sie nicht. Sie brauchte einen echten, einen richtigen, einen handfesten Mord, mit einer tatsächlichen, einer richtigen Leiche. Doch gab’s so was? Nein! Es war gerade so, als hätten sich alle Mörder gegen sie verschworen und Urlaub genommen. Dabei, sie wollte Justitia doch nur unter die Arme greifen und beim Lösen eines Verbrechens behilflich sein. Zeigen, was sie konnte. Wie viel kriminalistischer Spürsinn in ihr steckte.
Sie überlegte, ob sie vielleicht den Kommissar anrufen sollte? Nicht, dass er sie womöglich vergessen hatte. Doch im selben Augenblick fiel ihr ein, dass sie für heute zugesagt hatte, am Pommesstand auf der Mannheimer Oktobermess‘ zu helfen. Seufzend zog Adda die Schultern hoch, um sie auch gleich wieder sinken zu lassen. Also würde es heute wieder nichts mit einer Leiche werden.
Adda frühstückte, anschließend packte sie zusammen, was sie später brauchen würde. Kurz danach verließ sie ihre Wohnung und lief zu Fuß zum Messplatz.
Als sie an Fred Maiers Frittenbude ankam, winkte ihr Mathilde bereits schon zu.
»Adda, schön, dass du’s nicht vergessen hast.«
»Mathilde, du weißt doch, dass ich meine Versprechen halte.« Adda ging um den Wagen herum und betrat die Frittenbude, während sie sich umschaute, als suchte sie jemanden. »Wo ist denn Fred?«
Mathilde winkte ab. »Im Krankenhaus.«
»Im Krankenhaus? Ist er denn krank?« Bestürzung überschattete urplötzlich das Gesicht der älteren Dame. »Was fehlt ihm denn? Auf mich hat er immer einen total gesunden Eindruck gemacht. Nein, für krank hätte ich Fred niemals gehalten. Wird doch hoffentlich nichts Schlimmes sein.« Ihre Sorge war unverkennbar.
Mathilde Maier schüttelte den Kopf. »Nee, der Manne, den hat’s erwischt.« Sie kramte ein Taschentuch aus ihrer Kittelschürze und schnäuzte sich.
Adda machte große Augen. »Den Manne hat’s erwischt?« Das durfte doch nicht wahr sein! Ein Mord, und sie war nicht dabei. Und das auch nur ein paar Hundert Meter von da entfernt, wo sie wohnte! Unerhört!
»Was war’s? Ein Messer oder ‘ne Knarre?«
Überrascht hob Mathilde den Blick und schaute sie unverständlich an. »Messer oder …, was? Ich versteh nicht …«
»Na das Tatwerkzeug. Das Ding, mit dem man Manne ermordet hat. Das Tatwerkzeug!«
»Tatwerkzeug? Ermordet?« Mathilde schüttelte den Kopf. Was redete Adda da nur? »Sein Herz, es ist sein Herz«, flüsterte sie, und wieder schnäuzte sie sich.
Adda atmete erleichtert auf, aber nur Mannes wegen, nicht etwa deshalb, dass es keine ermordete Leiche gab. »Ach, es war kein Mord?« Sie mühte sich, ihre Enttäuschung darüber, nicht allzu sehr heraushören zu lassen.
»Mord? Nein! Wie kommst du nur darauf? Mannes Herz, es hat einfach schlappgemacht. Gerade, als er ein Ticket verkaufen wollte, wurde er ganz bleich und kippte um. Zum Glück war Fred dabei. Hat ihn sofort ins Krankenhaus gefahren. Ja, und da ist er noch. Sieht nicht gut aus, für den Manne.« Mit dem Taschentuch wischte sie die Tränen aus den Augenwinkeln.
»Wenn’s nur das ist.« Adda ging auf sie zu. »Geh, wenn es dir hilft und sieh nach den beiden. Ich halte hier schon die Stellung.«
»Wird dir das nicht zuviel? Du wärst die nächsten Stunden ganz auf dich alleine gestellt. Ich habe niemanden, den ich sonst noch dazu holen könnte.«
»Hör mal, ich arbeite von morgens bis nachmittags in meinem Imbisswagen, muss zudem noch jeden Morgen mit der Bimmel, mit Brötchen und allem Möglichen bepackt, nach Käfertal fahren, dann noch eine ewige Strecke laufen … Da hab ich auch keinen, der mich unterstützt. Von daher, glaubst du allen Ernstes, dass ich da mit eurem Stand nicht klarkomme?«
»Du hast ja Recht, Adda. Wie konnte ich nur so blöd fragen.« Sie zögerte immer noch, und ihr Blick ruhte weiterhin nachdenklich auf Adda. »Du bist ganz sicher, dass ich dich alleine lassen und gehen kann? Ich beeil mich auch mit dem Wiederkommen.«
»Jetzt mach dich schon ab. Und hetz dich nicht. Ich krieg das schon hin.«
Kurz danach verließ Mathilde Maier ihre Pommesbude und machte sich auf den Weg ins Krankenhaus.
Adda richtete unterdessen so einiges, um einem etwaigen Ansturm gewachsen zu sein.
Gegen Abend war Mathilde zurück. Die mittägliche Anspannung war von ihr gewichen. Das Krankenhaus hatte ihr und Fred mitgeteilt, dass Manne überm Berg war. Er musste zwar diese Nacht noch, zur Beobachtung im Krankenhaus bleiben, morgen früh aber, konnte er dann allerdings schon wieder entlassen werden. Wie sich bei der Untersuchung herausgestellt hatte, war es nicht, wie anfänglich angenommen, ein Herz- sondern nur ein Schwächeanfall. Von daher gab es keinen weiteren Grund, sich um Manne zu sorgen.
Kurz vor Messeschluss, bestellte ein älterer Mann eine Currywurst mit Pommes und ‘ne Coke .
Adda bediente den Mann, nahm sich selbst eine Wurst und setzte sich zu dem Alten auf die Bank, der seinen gegenüber, und unterhielt sich mit ihm über den Tisch hinweg. Sie sah dem Mann an, dass er anscheinend nie großartig jemanden zum Reden hatte. Von daher tat sie dies gern, zumal sie ihre Pflicht und Schuldigkeit für heute an der Frittenbude getan hatte.
»Ich bin Edgar«, stellte sich der Mann, zwischen Trinken und Kauen, vor.
Adda neigte den Kopf. »Edgar, hm? Ich kenne auch einen Edgar. Ist ein Kommissar. Bist du auch ein Kommissar, Edgar?«
»Bei Weitem nicht.« Der alte Mann winkte ab. »Bin Arzt gewesen, aber das ist schon lange her.« Er schob sich ein Stück Currywurst in den Mund. Pommes hinterher.
»Dir schmeckt’s, wie?«
»Ja, immer.« Edgar bestellte nochmals eine Coke . »Eigentlich darf ich die Dinger«, er zeigte auf die Fritten, und schlug sich gegen den Bauch, »gar nicht essen. Viel zu fettig.« Mit der Hand fuhr er seinen Bauch entlang. »Meine Bauchspeicheldrüse«, erklärte er ihr.
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