„Fürstliche Gnaden, das wird eine bittere Pille sein, die Oxenstierna schlucken muss. Er legt sehr viel Wert gerade auf die Provinz Mecklenburg.“
„Das muss er sehen, wie er die Bedingung akzeptiert“, sagte Wallenstein energisch, „aber bitte, richte der Herr doch dem Schweden auch sehr klar aus, dass ich seine Worte und seinen Friedensvorschlag bedenke, nicht, dass ich ihm zustimme.“
Damit musste sich Arnim zufriedengeben. Noch bis spät in die Nacht hinein versuchte er, eine sicherere Antwort besonders über die Absichten Wallensteins zu erhalten, allein, der General hielt sich bedeckt. Nein, das könne er nicht jetzt entscheiden, nicht heute und morgen und nicht diese Woche. Er werde sich mit Arnim in Verbindung setzen, wenn er wisse, wohin er wolle.
Damit schied Hans Georg von Arnim aus Gitschin.
„Hat der Herr alles gehört, was gesprochen wurde?“, fragte mich der General, als der Besucher weg war.
Ich hatte mir, so gut es gehen wollte, einzelne Notizen gemacht, erschwert dadurch, dass die hohen Herren fast alle Lichter gelöscht und im Halbdunkel verhandelt hatten. Auf dem Schreibtisch, in dessen Nähe ich gesessen hatte, war nur eine einzige Kerze angezündet worden.
„Ich habe alles gehört, Fürstliche Gnaden“, antwortete ich, „das Protokoll werden Sie morgen früh auf dem Schreibtisch finden.“
„Ist der Herr wahnsinnig?“, polterte er, „nichts wird auf den Schreibtisch gelegt, der Herr wird sich morgen um neun bei mir melden und mir das Papier direkt in die Hand geben. Er wird auch keine Kopie schreiben, etwa für das Archiv oder für andere Zwecke, ich hoffe, der Herr hat das verstanden?“
Ich nickte, raffte meine Papiere zusammen und ging unter tiefer Verbeugung rückwärts aus dem Raum.
In meinem kleinen Zimmer angekommen, machte ich sofort Licht und setze mich an die Arbeit. Zuerst schrieb ich das Protokoll, das Wallenstein verlangt hatte und das ich ihm morgen früh in die Hand geben sollte. Dann saß ich da und dachte nach. Hatte nun der General seinen Kaiser verraten oder nicht? Im Grunde hatte er weder in dem Austausch der Boten noch in den Besprechungen gestern und vorgestern sich zu den Vorschlägen des Schweden geäußert, also einen Verrat noch nicht begonnen. Auch hatte der Vorsichtige nur mündliche Botschaften ausgetauscht, kein geschriebenes Papier gab es über die Verhandlungen, nichts, was nachweisbar gewesen wäre.
Andererseits: Allein die Tatsache, dass Wallenstein sich die verräterischen Vorschläge der Schweden angehört hatte, war das nicht schon Verrat am Kaiser? Zwar hatte er sich in der Göllersdorfer Vereinbarung zu seinem zweiten Generalat ausdrücklich ermächtigen lassen, auch diplomatische Verhandlungen mit ausländischen Mächten zu führen, aber der Hof in Wien war misstrauisch gegen den General, immer gewesen. Wenn der Kaiser oder seine Ratgeber von dem Besuch Arnims und den Verhandlungen erfuhren, würden sie Wallenstein mehr als jemals zuvor misstrauen. Der Kaiser müsste ihn absetzen, dafür würden schon der Bayer und die anderen Edlen am Hofe sorgen. Und dann wäre der Friede auf Jahre hinaus unmöglich, weil die Schweden mit dem Kaiser nicht verhandeln wollten.
Aber wie sollte der Kaiser, wie seine Ratgeber von diesen geheimen Verhandlungen erfahren? Arnim würde schweigen, ebenso der schwedische Kanzler und mein Herr, der General. Ich war der einzige außer ihnen, der davon wusste und ein Stümper wäre ich, wenn ich dieses Wissen nicht nutzte, den Frieden zu verhindern. Die Frage war nicht, ob ich meinen Herrn verriet, sondern an wen.
Es verbot sich von selbst, dass ich unvorsichtiger als der General war, natürlich durfte auch von mir nichts Schriftliches existieren. Aber an wen konnte ich mich wenden, wenn ich nicht schrieb? Dass ich an den kaiserlichen Hof reiste, um dort von den Verhandlungen Wallensteins zu berichten, kam nicht in Frage, eine solche Reise hätte ich nicht rechtfertigen können. Also musste ich hier, in Gitschin, jemanden finden, dem ich mich anvertrauen konnte. Ich ging in Gedanken die Menschen in der Umgebung des Herzogs durch:
Die Generale Ihlo und Kinski kamen nicht in Frage, zu treu waren sie dem Herzog, zu oft hatte ich sie über die kaiserliche Politik herziehen hören. Das gleiche galt für Piccolomini den Älteren: Er war ein sehr guter Freund Wallensteins und wäre daher schwer zu überzeugen gewesen. Andererseits war gerade Piccolomini nicht nur meinem Herzog, sondern auch dem Kaiser in Wien treu ergeben.
Und dann waren da die offenen Neider meines Herrn, die Generale Aldringen und Gallas. Sie arbeiteten am Hofe gegen Wallenstein, wo sie nur konnten und wären sicher begeistert sofort nach Wien abgereist, wenn ich sie informiert hätte. Aber würde man ihnen in Wien trauen, würde der Kaiser Wallenstein absetzen nur, weil Gallas und Aldringen, seine Feinde, ihn anklagten? Zu oft schon hatten sie sich über den General beschwert. Nein, überlegte ich, es kam hinzu, dass ich die beiden für sehr beschränkt hielt. Sie mochten für ihre Stellen als Truppenbefehlshaber genügend Verstand haben, aber eine Intrige einfallsreich auszuführen, das würden sie nicht können.
Also Piccolomini.
Hin und her überlegte ich, wog immer wieder die Argumente ab. Sein Sohn galt als zukünftiger Schwiegersohn meines Herrn, und dann hatte Wallenstein den Piccolomini erst kürzlich wegen seiner Verdienste in der Schlacht bei Steinau zum General befördert. Grund genug also für den frischgebackenen General und zukünftigen Schwiegervater, Wallenstein treu zu sein.
Ich musste ihm daher sehr deutlich machen, dass ich, gäbe er meine Information nicht an den Kaiser weiter, andere Wege finden und dann auch seine Verstrickung nennen würde. Nur: Wenn Piccolomini nicht zum Kaiser, sondern zum Herzog von Friedland gehen würde, dann wäre zwar nicht mein Leben gefährdet, ans Leben konnte mir keiner dieser Menschen, aber meine Mission wäre kläglich gescheitert.
9.
Kurz nach dem Besuch Arnims brachen wir auf von Gitschin nach Pilsen, wo Wallenstein den Winter verbringen wollte. Ein riesiger Tross zog durch das Land, nach Südwesten, an Prag vorbei, bis Pilsen, wo der Hof des Herzogs Anfang Dezember ankam und sich einrichtete.
Am Morgen nach der Ankunft war ich entschlossen. Ich wusste, dass Piccolomini Ende der Woche in Pilsen angekommen war, um dem Herzog Bericht zu erstatten.
Schon die Reise war beschwerlich gewesen, der Winter hatte in diesem Jahr sehr früh, schon Mitte November eingesetzt. Wallenstein hatte die Schweden im Oktober trotz der laufenden Verhandlungen noch einmal geschlagen, bei Steinau an der Oder, und den gefürchteten schwedischen Heerführer Heinrich von Thun gefangen genommen, ihn nach kurzer Zeit allerdings zum Entsetzen seiner Generale und des Kaiserhofes wieder freigegeben. Er hatte seinen Vertrauten Oktavio Piccolomini zum Hof geschickt, um Bericht zu erstatten und der war nach kurzer Zeit wieder zurückgekommen.
Am Mittag suchte ich ihn daher in seinem Haus, das er in Pilsen bewohnte, auf.
„Herrn General Piccolomini möchte ich sprechen“, sagte ich seinem Diener nur. Ich war zu bekannt hier, als dass ein Diener mich abweisen würde und so stand ich nach kurzer Zeit vor dem frisch beförderten General.
„Nun, Rheidt“, sprach dieser mich leutselig an, nachdem er das Schriftstück, an dem er arbeitete, mit seiner Unterschrift versehen hatte, „was führt Sie zu mir? Schickt Wallenstein Sie?“
„Nein, Herr General“, antwortete ich langsam, „ich komme in einer sehr persönlichen Angelegenheit, die die Zeit des Herrn General in Anspruch nehmen wird.“
„Na, dann setzen wir uns doch“, sagte er, erhob sich hinter seinem Schreibtisch und führte mich zu dem Tisch, der am Fenster stand. General Oktavio Piccolomini war in der Zeit Mitte der fünfzig, ein korpulenter Herr von etwas lärmendem Wesen, aber freundlich und verständnisvoll, wenn er nicht in der Schlacht war. Um seine Augen hatten sich tiefe Lachfalten gebildet, die darauf hindeuteten, dass er gerne fröhlich war.
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