Das Problem bei Gabi war, dass sie alles ausprobiert hatte, bei namhaftesten Spezialisten war. Alle Medikamente halfen praktisch nichts mehr, wenn sie früh um vier mit ihrer Migräne aufwachte. Da ließ sie sich auf Anraten eines Frauenarztes die Gebärmutter herausnehmen, weil dort Hormone gebildet würden, die ihre Migräne möglicherweise auslösten, sagte man ihr. Danach kamen leider noch mehr Anfälle. Da wurde sie frühpensioniert.
Bei uns war Gabi auch nicht gleich anfallsfrei. Ich war damals gewohnt, praktisch jeden Anfall spontan auszulöschen. Bei ihr schaffte ich es nicht. Es blieb immer noch ein kleiner Rest oder es dauerte viel zu lang, bis Schmerz und Übelkeit bei Null waren.
Als wir uns ihre Schädelbasis mit einem speziellen kernspintomografischen Aufnahmeverfahren genauer anschauten, sahen wir, dass die linke Seite ganz anders beschaffen war als die rechte. Nach diesen Bildern veränderten wir die Injektionstechnik und konnten danach wieder jeden Anfall spontan auslöschen. Gabi war nach gut acht Wochen Behandlungsdauer ihre Migräne los.
+++Karin Pannasch kam schon vor der Wende in den Westen mit einem Kind aus geschiedener Ehe und einer wahren Migräneflut. Sie stopfte Schmerzmittel in sich hinein ohne Ende. Die Ärzte waren machtlos, Karin konnte und wollte nicht aufhören mit den Tabletten. Bis sie ihre Niere soweit ruiniert hatte, dass nur noch ein kleiner Rest funktionierte.
Sie stand kurz vor der künstlichen Niere, als sie zu uns kam. Damals war sie 38. Ihre Migräne hatte sie seit dem siebten Lebensjahr, die Medikamente auch. Das konnte nicht mehr lange gutgehen. Manchmal geht Nierenversagen ganz schnell, dann kann auch die künstliche Niere nicht mehr helfen. Wenn dann keine passende Niere gefunden oder die gefundene wieder abgestoßen wird! Ich habe sie mit dieser harten Wahrheit konfrontieren müssen. Das hat zwar Tränen gekostet, aber geholfen.
Die Röntgen-Spezialaufnahmen ihrer Halswirbelsäule zeigten das für uns typische »Migränebild«, so dass wir Karin in gewohnter Weise behandeln konnten.
Nach vier Wochen war die Behandlung praktisch fertig, da bekam sie einen Rückschlag. Ich merkte, dass hier etwas nicht stimmte und bekam heraus, dass sie Probleme hatte mit ihrem damaligen Freund. Der hatte sie seit ihrer Flucht in den Westen finanziell unterstützt. Sie fühlte sich abhängig und wollte weg, weil sie zu ihm keine echte Bindung fand, traute sich aber nicht. Wir haben sie noch zwei Wochen weiterbehandelt und sie unterdessen von einem sehr guten Psychologen am Ort betreuen lassen. Danach hat sie sich von ihrem Freund getrennt und eine Arbeit als Verkäuferin angenommen.
Sie schreibt uns gelegentlich: Sie hat keine Migräne mehr, ihre Niere hat sich wieder erholt, sie ist rundum glücklich. Drei Jahre ist es her, seit sie bei uns war.
+++Anneliese Binz, eine zierliche kleine Person, hatte keine schöne Jugend. Vater Alkoholiker, gewalttätig, zudringlich, Mutter tablettenabhängig, verständnislos, abweisend. Mit sechs Jahren bekam Anni ihre ersten Kopfschmerzen, mit neun Jahren Unterleibsschmerzen. Zu Hause wurde es immer unerträglicher: Vergewaltigungsversuche, Prügel, Hausarrest. Mit zwölf war Anni von zu Hause ausgerissen, wurde aufgegriffen und in ein Heim gesteckt. Dort blieb sie vier Jahre.
Mit 16 bekam sie ihre erste Blutung und ihre erste Migräne. Die war noch harmlos. Später wurden die Anfälle dann schlimmer: Rasende Schmerzen über dem Auge und in der Schläfe, Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, zusätzlich starke Unterleibsschmerzen. Die hatte sie auch sonst schon oft genug. Deshalb wurde sie zweimal operiert, gefunden wurde jedoch nichts.
Klar war, die Anni hatte einen psychischen »Knacks« weg und der machte Kopf- und Bauchschmerzen. Also wurde Annis Psyche behandelt. Das brachte aber auch nichts. Die Schmerzen blieben, wo sie waren, und kamen so oft wie zuvor.
Wir sahen Anni, als sie 27 war. Zuerst schauten wir nach körperlichen Ursachen. Ursache ihrer Migräne war das Genick, Ursache ihrer Unterleibsschmerzen war die obere Lendenwirbelsäule.
Beides konnten wir gut behandeln. Als die Schmerzen verschwunden waren, wurde aus der traurigen kleinen Anni eine lebenslustige junge Frau. Sie traute sich wieder was und heiratete ein paar Monate später.
Ihre schlimme Jugend wird Anni wohl nie ganz vergessen, ihre Schmerzen schon, denn die sind weg und werden wohl auch nicht mehr wiederkommen. Der vermeintliche »Psycho-Knacks« war es jedenfalls nicht.
+++Bruno Bender war 63 und schon an der Halswirbelsäule operiert, als er zu uns kam. Er hatte jahrelang schwerste Kopfschmerzen, garniert mit Migräne-Anfällen. Dazu kamen noch vorübergehende Lähmungen beider Arme und Taubheitsgefühl. Computertomografie und Kernspin zeigten, was zu erwarten war: die Halswirbelsäule war kaputt, Wirbelgleiten, das Rückenmark in Gefahr. Also musste operiert werden. Die Ärzte hatten Bruno Hoffnung gemacht, die Kopfschmerzen würden danach verschwinden. Bei der Hoffnung blieb es, die Schmerzen waren nach der Operation stärker als zuvor, zwar nicht gleich, aber nach einigen Wochen.
Bruno hatte in seinem Betrieb eine leitende Funktion. Da musste er auch mal am Samstag oder am Sonntag arbeiten. Seine Leute waren auf ihn angewiesen. Krankmachen wegen Kopfschmerzen ging also nicht. So nahm er denn Valoron®. Das ist ein starkes Schmerzmittel, ähnlich wie Morphin. Davon genehmigte er sich zuletzt eineinhalb Fläschchen am Tag. Das ist ungefähr die Dosis einer ganzen Woche. So kam er zu uns.
Wir dachten zuerst: Der ist doch total abhängig. Nach den Spezial-Röntgenbildern war klar, was bei Bruno los war: Die Ärzte hatten die Halswirbel drei bis sechs versteift, und nun war zwischen dem zweiten und dritten ein Knick entstanden, der zweite Halswirbel stand außerdem noch schief. Viel Hoffnung konnten wir Bruno bei dem Befund nicht machen.
Nach den ersten drei Behandlungen staunten wir nicht schlecht: Bruno war das erste Mal schmerzfrei. Da machten wir natürlich weiter und bekamen Bruno tatsächlich hin. Dabei staunten wir noch ein zweites Mal: Als Bruno schmerzfrei war, hörte er sofort mit dem Valoron®auf und hatte dabei nicht die Spur von Entzug.
+++Tamar Albert hatte Migräne schon als Kind, ihre Mutter auch. In Rumänien, wo sie aufgewachsen war, gab es damals keine so guten Migräne-Medikamente. So war jeder Anfall ein kleines Martyrium. Natürlich konnte sie die Anfallsschmerzen dämpfen. Dafür brauchte sie aber jede Menge starker Schmerzmittel, und die wollte sie eigentlich nicht mehr nehmen, wegen der Nebenwirkungen. Andererseits hatte sie eine gute Stelle beim Staat als Ballett-Tänzerin. Da konnte sie auch nicht zwei-, dreimal pro Monat einfach wegen Migräne »blaumachen«. Die hätten sie ganz schnell vor die Tür gesetzt.
Tamar hatte Glück. 1964 ist sie ausgewandert, zog mit einer Konzert-Agentur rund um die Welt und tanzte »Schwanensee«. Die Migräne-Anfälle kamen danach aber immer häufiger, machten ihre Tanzkarriere kaputt. Jetzt arbeitet sie als Ballettlehrerin. Was an den Anfällen aber auch nichts änderte.
45 Jahre Migräne sind eigentlich mehr als genug. Darum hat Tamar unsere neue Therapie ausprobiert. Anfangs war sie schon sehr zufrieden. Wir nicht, weil wir es nicht schafften, ihren Schmerz auf Null zu bringen.
Eines Tages bekam sie einen fürchterlichen Anfall. Ich hatte noch nie zuvor einen Menschen so leiden sehen. Irgendwie kam mir das Ganze aber nicht geheuer vor. Dieses wahnsinnige Erbrechen ohne gleichzeitig stärkste Kopfschmerzen passte nicht ins Bild.
Ich habe ihren Brechreiz mit einem starken Medikament blockiert, ihren Wasser- und Salzverlust mit Infusionen ausgeglichen. Am Tag danach haben wir uns beide die Köpfe zerbrochen und kamen schließlich drauf: Sie trank ab und zu bittere Limonade. Da war Chinin drin. Darauf hatte sie reagiert. Als sie keine bittere Limonade mehr trank, hatte sie keine Probleme mehr.
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