Yasis Miene wird zuversichtlich.
»Ja, vielleicht hast du Recht.« Sie setzt sich auf und grinst. »Er ist doch wirklich ein Traumkerl, findest du nicht?«
Ich verkneife mir gerade noch eine Antwort, die ihm, hinsichtlich seiner Frisur, wenig Schmeichelhaftes angedeihen ließe.
» Ihn würde ich sogar meinen Eltern vorstellen.« Ihre tiefgrünen Augen strahlen mit meiner Schlafzimmerbeleuchtung um die Wette. »Ich glaube ich bin verliebt, Melissa.«
»Ja, du bist verliebt, Yasi«, erwidere ich nachdrücklich. »Sonst würdest du nicht wie eine euphorische Dreizehnjährige alle zehn Sekunden auf dein Handy schauen, in der Hoffnung dein Angebeteter würde sich endlich melden.«
»Tut mir leid, dass ich dich so spät noch damit belästige«, entschuldigt sie sich. »Ich hatte völlig vergessen, dass du morgen früh ein Vorstellungsgespräch hast. Was ist das überhaupt für eine Stelle?«
»Reiche Geschäftsleute, die ein Kindermädchen suchen«, repliziere ich, »…und sie wohnen in einem der nobelsten Düsseldorfer Villenviertel.« Na gut, große Chancen rechne ich mir sowieso nicht aus. »Wenn das klappen würde…stell dir mal vor, Yasi – ich , eine Nanny bei den Superreichen.« Bei diesem Gedanken setze ich ein breites, strahlendes Grinsen auf. »Wär’ das nicht super?«
»Allerdings«, staunt sie.
»Shoppen auf der Kö…, Spaziergänge im Rheinpark…«, schwärme ich überschwänglich.
»Nicht zu vergessen, mit den unerzogenen, verwöhnten Gören im Schlepptau«, erörtert Yasi mit feierlichem Unterton in der Stimme. »Kinder von Reichen sind nicht ohne! Viel Spaß Mel.«
Ach Mann, Yasi kann einem wirklich die Stimmung vermiesen, mit ihrer ständigen Schwarzmalerei.
Da ertönt ihr SMS - Signal. Sie zuckt zusammen und stiert auf’s Display.
»Cengiz...«, informiert sie mich und studiert fiebrig die eingegangene Kurzmitteilung.
»Hallo hübsche Frau. Habe viel zu tun in der Kanzlei. Ich melde mich die Tage« , liest sie laut vor, während sie entgeistert auf ihr Handydisplay starrt. Sie gibt ein unbeherrschtes Geräusch von sich, das fast wie ein Fauchen klingt. »Das ist alles?!« Ihre Augenbrauen ziehen sich grimmig zusammen. Auf meiner Unterlippe kauend, verfolge ich ihren stetig ansteigenden Wutausbruch.
»Nicht zu fassen«, schnaubt sie verächtlich. »Wie kann er so belanglos daher schreiben › Ich melde mich die Tage‹ , tickt der noch ganz richtig?« Mit gewaltigem Schwung landet das Handy in ihrer Handtasche. »Vermisst er mich denn kein bisschen?!« Sie gibt mir keine Chance, mich in ihren unbändigen Monolog zu integrieren. »Daran ist nur diese blöde Kanzlei schuld! Sollen die doch noch jemanden einstellen, wenn es da so viel zu tun gibt, damit die Mitarbeiter endlich ein Privatleben haben.«
Ich kann mich nur über meine Freundin wundern. Immerhin gehört Yasi selbst zu der Sorte Frauen, die nichts als die eigene Karriere im Sinn haben. Bisher waren ihr Beziehungen nie wichtiger, als das Studium und die anschließende Karriere als Journalistin. Gerade macht sie ein Redaktionsvolontariat bei einem Zeitungsverlag, was bis jetzt immer vorrangig war.
Und nun scheint Yasi tatsächlich ernsthafte Absichten bei Schmalzlocke zu haben. So kenne ich sie gar nicht. Sie hat noch nie einem Mann hinterher gejammert. Na, hoffentlich hat sie Glück mit diesem .
»Übrigens Mel. Was ist eigentlich aus dem Typen geworden, der dich neulich im Club pausenlos angeschmachtet hat? Wenn der mal nicht total scharf auf dich war!«
Jetzt übertreibt sie aber.
»Du meinst den Anhang von deinem Rechtsanwalt? Was soll schon mit ihm sein? Nichts! Hab ihm die kalte Schulter gezeigt. Nach der Sache mit Sören, brauche ich erstmal eine Erholungsphase von den Männern!«
»Cengiz hat erwähnt, dass sein Kumpel dich gern kennengelernt hätte.« Belustigt mustert sie meinen rosa Snoopy - Schlafanzug. »Aber im Grunde sind ja alle Männer scharf auf dich, wenn sie dich sehen«, offenbart sie mir mit vorgespielter Langeweile.
»Ach, hör auf.« Es nervt mich, wenn sie mir das ständig vorhält. »Okay, er sah schon zum Anbeißen aus...«, gebe ich zu, »…also von weitem jedenfalls. Aber diese Typen sind doch alle gleich. Die sehen nur eine scharfe Blondine in mir. Mehr nicht. Die wollen sowieso alle nur das Eine!«
»Hach ja, Mel«, seufzt Yasemin theatralisch. »Du hättest natürlich gern, dass er in dir die engagierte UN - Botschafterin oder die großzügige Charity - Lady gesehen hätte, stimmt’s?«
»Ja oder wenigstens die aufopferungsvolle Nanny, deren Arbeitgeber keine Zeit für die eigenen Kinder haben«, füge ich emphatisch hinzu.
»Du bist drollig. Wie hätte er das denn sehen sollen? Es steht dir ja schließlich nicht auf der Stirn geschrieben. Auf den ersten Blick bist du nun mal die scharfe Blondine , für so ziemlich jeden Mann.«
Sie erhebt sich vom Bett und stellt sich vor meinen Schminkspiegel, der an meiner himbeerfarbenen Schlafzimmerwand hängt.
»Und überhaupt«, fährt sie fort, »im Endeffekt bist du genauso oberflächlich. Schließlich weißt du auch nichts über ihn, außer dass du ihn sexy findest. Aber wer weiß, vielleicht ist er ja in Wirklichkeit ein engagierter Umweltschützer oder ein anständiger Millionärssohn, der kranke Kinder in Entwicklungsländern finanziell unterstützt. Dummerweise hast du ihm keine Chance gegeben, dir sein wahres Gesicht zu zeigen.«
»Hmm..., meinst du?« Ach was. Jetzt hat sie mich völlig aus dem Konzept gebracht.
Ist ja auch egal. Wie ich bereits mehrmals erwähnte, brauche ich gegenwärtig sowieso keinen Mann. Ich konzentriere mich derzeit lieber auf das Wesentliche in meinem Leben, nämlich darauf meine Mission als Engel z u erfüllen. Warum eben nicht als Nanny, bei einer Millionärsfamilie? Wenn ich den Kindern damit was Gutes tun kann.
Am nächsten Morgen wache ich viel früher auf als sonst. Heute steht mir das Vorstellungsgespräch bei dieser Familie von und zu Dingsbumshausen bevor. Ich bin so was von aufgeregt. Vorstellungsgespräche lösen von jeher Panik in mir aus und gehören deswegen nicht unbedingt zu den Dingen, die mir besonders leicht fallen. Im Gegenteil, ich habe ständig Angst, kein Wort herauszubekommen und völlig idiotisch vor meinem potentiellen Arbeitgeber zu stehen.
Im Vorfeld habe ich neugierigerweise ein paar Recherchen im Web getätigt und besagte Familie samt Nobeladresse gegoogelt. Man will ja schließlich wissen, mit wem man es zu tun hat. Mir fiel fast die Kinnlade herunter, als mir die sagenhafte Familienchronik ins Auge stach. Bei der unwirschen Dame, neulich am Telefon, handelt es sich nämlich um eine waschechte Millionenerbin mit adeligen Vorfahren. Claudia Freifrau von Degenhausen. Ihr Ehemann Arndt von Degenhausen geborener Vorschulze (er hat den Familiennamen seiner Frau angenommen) ist ein Geschäftsmann mit Harvard - Abschluss (wie es in der Firmen - Homepage geschrieben steht) und seit dem Tod seines Schwiegervaters, Heinrich Freiherr von Degenhausen, Chef eines bekannten Schmuckkonzerns, der von Degenhausener Gold & Silber GmbH . Ein Familienunternehmen, das seinen Anfang (seinerzeit als kaiserliche Goldschmiede) im späten Mittelalter nahm und heute einen Umsatz von mehreren Millionen Euro im Jahr verzeichnet.
Ganz nebenbei betreibt die gute Freifrau von Degenhausen eine Wellness - Oase der Luxusklasse mit allem Pipapo. Beispielsweise die isländische Schlammpackung, die exquisite Schokoladendusche oder das fürstliche Cleopatrabad, wobei sich die Preise auch ordentlich gewaschen haben. Laut Homepage. Und logischerweise gehören Prominente und Millionärsgattinnen zur bevorzugten Kundschaft.
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