Ein dumpfer realer Schmerz bohrt sich in mein Hirn hinein. Ich strecke meine erschlaffene schmerzende Beine aus, knicke sie aber gleich erbarmungslos wieder, um nicht aufzufallen. Auch wenn ich am liebsten sofort rausginge, strenge ich mich an und traue mich nicht, aufzuhören. Es hätte im Endeffekt bedeutet, ganz allein mit mir selbst zu sein.
Yoga beeinflusst die Zeit, die sich ungemein zieht und nicht vergehen will. Ich zähle die zähen Sekunden und bete, dass ich diese Folter überstehe. Die Muskeln und Knochen, auch die, über die ich nicht mal wusste, dass ich sie besitze, bemerke ich auf einmal deutlich; sie drohen zu zerreißen, zu zersplittern. Der physische Schmerz übertönt nach und nach jede andere Empfindung, er breitet sich in mir wie ein Feuer im trockenen Wald aus und wütet in meinem Schädel.
Mein geschundener Körper versetzt mich in die früheren Epochen und in das Schicksal der Gefolterten. Ich verstehe im Nu die Bereitschaft der Malträtierten, alles zu gestehen, um die Qual zu beenden. Hätte mir jemand jetzt eine Frage gestellt, würde ich alles aussagen, was er hören will. Der allmächtige Schmerz erfüllt mich von Kopf zu Fuß und besiegt mein Leib und meine Seele. Er vernichtet schließlich die Zeit und den Raum und übernimmt die Alleinherrschaft über mich und die Welt.
Dennoch gibt es einen gewaltigen Unterschied zwischen den Folteropfern und mir: Niemand zwingt mich dazu! Ich quäle mich aus freien Stücken. Weder Frau Müller noch sonst jemand hat mir befohlen hierher zu kommen. Außerdem hätte ich aufstehen und durch die Tür ruhig herausgehen dürfen. Stattdessen bleibe ich wie zugenagelt sitzen im Ring der Verzweifelten und Fürchtenden, die immer noch hoffen. Weswegen sonst hätten sie sich das hier angetan?
Dennoch irrt gewaltig derjenige, der meint, ich sei eine wehleidige Mimose, die mehr zeigt, als sie tatsächlich leidet. Im Zusammenbeißen der Zähne hätte ich ziemlich große Chancen auf einen prämierten Platz. Eine der wenigen Disziplinen, in der ich vorne läge. Ich musste einiges einstecken, was weit über das durchschnittliche Maß hinausreichte; das Leben ging nicht besonders zimperlich mit mir um.
Die Stunde läuft scheinbar besonnen ab; rein äußerlich präsentiert sie sich friedvoll: eine stumme Gruppe von Frauen, die sich beugen und strecken zur bizarren Musik. Die Qual spielt sich sowohl unter der Haut auf der physischen wie auch auf psychischen Ebene und tastet sich an meine existenziellen Grenzen heran. Soll mich das Yoga schaffen? Ich schaue mich flüchtig um und forsche erfolglos nach Zeichen einer ähnlichen Verzweiflung. Später erfahre ich von Beata, dass sie genauso litt und in sich flüsterte in Richtung Frau Müller: „Ich bringe dich um“.
Es liegt nicht am Schweregrad der Übungen, sie sind in sich erträglich. Die Folter wird erst durch das unendliche Wiederholen oder das ewige Ausharren in einer Position erzeugt. Das ist die wirkliche Tortur. Ich werde zu einer Yoga-Fackel!
An der Schwelle zum Losbrüllen vor Schmerzen, kommt das erlösende Ende. Ich bleibe noch eine Weile sitzen, übermannt von einem beinahe Glücksgefühl, dass es endlich vorbei ist. Die Welt erscheint mir ein wenig erträglicher. Wenn ich diese Stimmung festhalten könnte! Sie fließt ins Herz und besänftigt seinen chaotischen Rhythmus. Ich stütze mich zittrig mit beiden Händen und hieve mich schwankend zum aufrechten Gang.
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