Enke, der war es jedenfalls nicht, der der Heimtücke seiner Schwester wiederstehen oder sie zu durchschauen mochte und ist so ihr tödliches Opfer geworden. Oder glaubte Enke wirklich, dass er, wenn er den von seiner Schwester gekochten Pilzsud trinkt und sie von den mitgebrachten Speisen zusammen essen, sie wieder ein vernünftiger Mensch werden würde? So einem Menschen kann man nur mit vollkommenen Misstrauen begegnen, denn man weiß nie was da für schlechte Gedanken hinter ihrer oder Vaters falschen Fassade stecken und hinter meinem Rücken von ihnen inszeniert wird! Aber das konnte ich Frieda jetzt noch nicht sagen, denn dann wüsste sie sofort, dass ihr Bruder Frieder gesungen und ihr Vertrauen missbraucht hat. Im Nachhinein, dann ist man immer wieder ein bisschen schlauer. In wie weit wir mitschuldig an seinem Tod sind? Ich bin mir da ziemlich sicher, dass wir das später einmal erfahren werden, denn das Angebot ihn zu begleiten, war nicht nur von mir da, sondern von uns allen und auch sicher ganz ehrlich von allen, ohne irgendwelche Hintergedanken gemeint. Und wenn wir uns noch mehr ihm aufgedrängt hätten, umso mehr hätte er glauben können, dass wir ihn in erster Linie begleiten, weil wir in ihm immer noch den Leibeigenen sehen, den man noch nicht verlieren will, dem man noch nicht über den Weg trauen kann und das Gefühl wollte ich ihm wiederum nicht geben, denn er war mittlerweile auf dem besten Weg, ein weiterer Sohn von uns zu werden, anständig vom Scheitel bis zur Sohle. Er sollte das Gefühl, dass er auch hier bei uns in der Struth zur Familie gehört, den wir durch nichts verlieren wollen, auch nicht durch mangelndes Vertrauen oder gar durch einen Fehltritt. Und dann konnte ich einfach nicht glauben, wenn er jetzt heimkommt, was sein Vater doch immer wollte, sie ihn ins Jenseits befördern. Ihre ganze Hoffnung auf ein Überleben müsste doch auch in ihren Augen auf und in Enke liegen, egal was er auch gemacht hätte! Tja Frieda, ich fürchte, dass du dieses Ei wirst alleine ausbrüten müssen, das da gelegt worden ist, nur wie, das kann ich dir beim besten Willen selbst nicht sagen, denn egal was und wer dir dazu etwas sagen will, du akzeptierst von niemandem nichts. Und übrigens, wer die Liebe kennt, weiß auch um ihre Wehwehchen, die oftmals sehr schmerzhaft sein können, besonders dann, wenn es gar nicht so laufen will, wie man es selbst gerne hätte!
Jedenfalls heute Morgen haben wir nach dem Frühstück die drei Pferde gesattelt und zwei Vollblüter an die Droschke, in der hinten im Fond Mutter Erna Platz nahm und Frieda hat vorn, den Bogen und Köcher griffbereit über die Brust gehängt, die Kutscherin spielte, was schon mal gar nicht so schlecht für alle querdenkenden Gangster aussah. Didilind, Frieder und ich spielten hoch zu Ross, die begleitende Eskorte. Wir waren vielleicht schon gute fünf Minuten unterwegs, da ist mein Pferd leicht erschrocken zur Seite gesprungen, denn alle drei Wölfe kamen mit weit heraushängender Zunge und laut schnaufend heran gelaufen und alle drei jaulten vor Freude, dass sie uns so schnell gefunden haben, obwohl wir uns alle sehr viel Mühe gaben möglichst unauffällig aus der Struth zu verschwinden, denn daheim in der Struth sollten sie, die drei Wölfe, die jetzt hier auftauchten zusätzlich die Wächter und Beschützer der Daheimgebliebenen spielen und sie alle schon im Voraus zu warnen, wenn wieder eine Gefahr, von wem auch immer hervorgerufen im Anmarsch ist.
Pünktlich wie immer kamen wir an die Pforte, die auch diesmal unbesetzt und unverschlossen war, fuhren durch die Pforte in die Feste, direkt vor die schwere Haustür, die auch heute wohl zu aber wieder auch nicht verschlossen war. Zuerst ließ ich die drei Wölfe in das Haus, dass sie die allgemeine Lage orten und wir zwei eilten, Frieder und ich dann hinterher und kontrollierten alle Zimmer, ob sich da jemand aufhält; ob sich da jemand versteckt oder eingenistet hat. Das besorgten unsere drei Vierbeiner mit ihren feinen Nasen. Weder im Erdgeschoss noch im Obergeschoss und im Dachgeschoss war irgendein menschliches Wesen zu finden und Mutter Erna steuerte schnurstracks ihr Zimmer an und fand ihren nicht sehr auffälligen Kleiderschrank, der sicher nicht zum Plündern sehr einladend aussah und wohl deshalb noch nicht geplündert war. Sicher deshalb war noch alles, was Mutter Erna besaß und ihr Eigen nennen durfte, in ihm und sie nichts zu ihrer Freude vermisste. Auch ihren Reise- oder Wäschesack hat sie alsbald in der untersten Schublade gefunden, den sie schon jahrelang nicht mehr benutzt hat, denn wohin ist sie schon in den letzten Jahren verreist, außer zu uns zum Duell ihres Sohnes und dahin hat sie keinen Reisesack benötigt? Zu ihrer großen Freude fand sie sogar ihr volles Schmuckkästchen, das noch unter der ältesten Wäsche im Schrank, gerade nicht sehr einladend und in ihrem Schmuckkästchen war auch alles noch drinnen, was sich da im Laufe der vielen Ehejahre angesammelt hat, überwiegend wertloser und bemalter Schmuck, an dem für sie so manche kleine Erinnerung noch haftet. Wenn auch sicher keine teuren Raritäten unter ihnen waren, denn sonst hätten die beiden Daheimgebliebenen ihn schon lange verscherbelt oder verprasst. Sicher haben die beiden schon ihren kleinen Kleiderschrank xmal durchsucht, ob sie da etwas finden, das man auch noch verscherbeln könnte. Aber sicher haben sie auch nicht den Wert des Hochzeitsschmuckes ihrer Mutter oder seiner Frau erkannt, denn den hätten sie erstmals wieder putzen und auf Hochglanz bringen müssen, dass er wieder nach bisschen mehr ausschauen könnte was natürlich wieder mit bisschen Arbeit verbunden wäre, was beide absolut nicht kennen wollten. Trotzdem freute sie sich besonders, dass auch der für sie persönlich wertvollste Schmuck noch da war, nämlich ein uraltes Familienstück, eine goldene Brosche, nicht zu klein aber auch nicht auffallend zu groß, besetzt mit echten grünen Perlen, die in Muscheln, die im heimischen Bach wuchsen und sich da tummelten. In manchen Jahren waren sie sehr massenhaft im Bach vertreten, besonders dann, wenn es kein Hochwasser gab und die Muscheln nicht fortgeschwemmt und dann da in den Spätherbstmonaten gefangen wurden. Und wie Mutter Erna weiter erzählte, haben die Untertanen sogar das Gold, das grob, fein wie Sand war, aus dem Bach herausgewaschen und das dann vom Hofgoldschmied eingeschmolzen wurde. „Diese Brosche“, sagte sie, „soll schon ihre Ururgroßmutter zu ihrer Hochzeit getragen haben und sollte jeweils bei der Hochzeit der ältesten Tochter an sie vererbt werden, die sie dann auch erstmals an ihrem Hochzeitskleid tragen durfte, quasi als Zeichen und Würde ihrer Herkunft.“ Ich ließ die drei Frauen mit den zwei Wölfinnen alleine zurück und wir drei, Frieder, Dennis und ich besichtigten die Ställe, die Scheunen, die Heu- und Strohböden, die Bansen in den Scheunen aber auch den kühlen Geheimkeller in der Scheune unter dem Bansen. Aber nirgends konnte ich und auch Dennis eine Spur von Enkes Vater und seiner Tochter Wenke entdecken. Es sah gerade so aus, als ob sie sich, die beiden vor uns, scheinbar aus Furcht, in Luft aufgelöst haben oder irgendwo irgendwelche Besorgungen machen, für die sie aber sicher keine Mittel mehr haben, denn zum Verscherbeln war wahrlich nichts mehr zu finden und zum Dreschen des restlichen Getreides, um es dann zu verkaufen, da waren sie sich sicher zu fein oder haben die beiden sich endgültig aus dieser Gegend verzogen, aber wohin sollten diese zwei Habenichtse sich denn hinverziehen, denn ohne die Pienondse, wie Dienstag immer sagte ist nirgends etwas zu holen? Ohne Goldflocken können sie, die beiden zweibeinigen, steifen und faulen Böcke keine Sprünge mehr machen. Auch Mutters Wäscheschrank war ihnen zu einfach, zu primitiv, als dass sie noch hoffen konnten, da etwas Brauchbares zu finden, was sie noch verschachern könnten. Da sagte mir wieder meine innere Stimme, geh doch einmal zum Verlies, ob sie sich nicht da wo aus Angst vor der Rache der von ihnen Betrogenen und der Götter versteckt haben, denn ihr böses Treiben stinkt ja zum Ärger ihrer Vorfahren bis in die Walhalla hinauf und verdirbt den dort Kämpfenden den Spaß am Kämpfen und fordert von ihren Nachkommen die Wiedergutmachung, die sie nur noch mit ihrem eigenen Leben einlösen können. Und als wir vor dem Verlies standen, da sahen wir, dass der Einlassdeckel ins Verlies nicht richtig geschlossen war. Er lag wohl auf dem Einstiegsloch, aber es sah gerade so aus, als ob die letzten, die den Deckel bedienten es sehr eilig hatten, um möglichst schnell wieder zu verduften, bevor sie entdeckt werden. Mit Frieders Hilfe habe ich den Deckel bei Seite geschafft und da die Sonne momentan sehr günstig stand und direkt in das Verlies schien mussten wir sehen, dass Wenke und ihr Vater auch da unten verkrümmt lagen und keinen Japser mehr von sich gaben. Sicher sind sie gleich bei ihrem Aufschlag unten ums Leben gekommen. Dass sie nicht alleine da eingestiegen sind, beweist der Deckel, der wieder, wenn auch nicht ganz dicht, über dem Einstiegsloch lag. Wer waren nun ihre Mörder, die auch mit ihnen beiden kurz und bündig handelten? Waren es die drei überlebenden Wachposten von damals, die uns nicht in die Feste lassen wollten und glaubten da sei noch etwas Verwertbares zu finden als sie hier kurzfristig auftauchten. Wenn sie es waren, dann taten sie es aus Rache, dass die beiden ihr Goldflockenversteck nicht verraten konnten, da es so etwas schon lange nicht mehr auf der Feste hier gab. Und die Angst, ich könnte, wie ich es ihnen angedroht habe, hier bald wieder auf tauchen, ließ sie alsbald wieder verschwinden. Oder bleibt das auch ein Geheimnis, nein ihr Geheimnis, das sie noch mit ins tiefe Verlies nahmen, damit es da unten mit ihnen für immer vermodert. Hier an dieser Familie können wir wieder sehen, dass der Himmel keinen Baum, mag er auch scheinbar noch so mächtig hier auf Erden sein, in den Himmel wachsen lässt! Dennis scheint bald die Spur der drei Wachposten aufgenommen zu haben aber draußen vor der Haustür bald wieder verloren zu haben; wahrscheinlich weil sie fortgeritten sind.
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