Doch beide baten bis morgen um Bedenkzeit, denn das, worum Enke sie bat, kommt ja einer Kapitulation vor dem eigenen Ego gleich; vom herrschen in den dienenden Stand. Und Enke beiden sagte, dass dieser dienende Stand nur so lange anhält, wie wir es nötig haben, denn wenn wir uns gar zu dämlich im Kuhstall anstellen, dass sich sogar die Kühe über uns lustig machen, wird dieses dienende Sein bei uns recht lange anhalten. Bei Rainhard hat es ein knappes Jahr gedauert, bis er wieder in die, in seine alte, herrschende Klasse aufgestiegen ist und sich heute für seine Schule in der Struther Feste nicht schämen muss, denn da hat er all das gelernt was ihr nicht könnt und ich nicht gekonnt habe und er immer wieder dankbar in diese harte Lehrzeit zurückdenkt. Enke hat sich heute Abend seinen Mund bald wund geredet und morgen nach dem Frühstück sehen wir weiter und die beiden wollten immer noch bis morgen ihre Bedenkzeit haben, denn heute Abend werden wir bestimmt nicht in die Struth zurückreisen. Vater war fast so weit, dass er alle seine vornehmen, hochgräflichen Vorsätze vergisst und mit Enke in die Stuth mit zieht, wo seine Frau Erna da als Mutter Erna recht gut zurecht komm, und er in der letzten Zeit doch immer öfters an sie denken muss; ob es auch seine Schwester Wenke kann, den Wechsel in eine neue Zukunft nachzuvollziehen? Ich glaube eher, dass sie die ganze Struth am liebsten ausräuchern oder wenn sie es könnte, würde sie die komplette Struther Feste mit allen Einwohnern, ohne Rückkehrmöglichkeit auf den Mond schießen, um da, weit weg von ihnen ihr Struther Leben dahinvegetieren könnten, ehe sie in den Kuh- oder Schweinestall gehen würde, es sei denn dass man sie gewaltsam da hineinbringen würde und sie zu Mitarbeit brutal zwingt, notfalls auch mit brutalen Schlägen und Essensentzug. Doch was die beiden heute Nacht geplant haben, das werden wir wohl erst in einigen Tagen oder gar Wochen erfahren. Auf alle Fälle hat Enke heute Nacht schon mal vorsichtshalber sein Nachtquartier im Herrenhaus mehr mals gewechselt, denn er hatte ja keinen Dennis bei sich, der ihn bei Gefahr im Verzug schon mal geweckt hätte, um nicht von ihr, der Gefahr überrascht zu werden. Dieser nächtliche, mehrmalige Umzug im kühlen Haus ist vermutlich nicht ganz ohne kleine Erkältungsspuren geblieben, was auch Wenke am Morgen bemerkt hat und glaubte jetzt Enke endlich so weit zu haben, wer hier die Herren sind. Zunächst wollte sie Enke den berühmten Pilzsud kochen, den Enke immer wieder früher bei allen möglichen Erkrankungen, besonders bei den üblichen Erkältungen gekocht bekam, den Enke so gern immer getrunken hat, weil er nicht nur immer so gut geschmeckt hat, sondern auch immer wieder geholfen hat schnell wieder gesund zu werden, was Enke sicher auch heute bestimmt nur gewollt hat. Doch noch vor dem gemeinsamen Frühstück wollte Enke wissen, wozu sich Vater und Schwester entschieden haben und beide sagten mit freudiger Miene, dass sie mit ihm in die Struth mitfahren werden, um da ein neues Leben wieder zu beginnen. Vater schien dieses Ja leichter zu fallen als Wenke, doch Wenke bestand darauf, dass sie vorher erst noch gemeinsam hier frühstücken und dann die Stutzer Feste verlassen. Ahnungslos hat Enke den immer so guten Pilzsud getrunken, der heute so einen komischen Nachgeschmack hatte, was Wenke darauf schob und sagte, dass die Pilze sicher schon über ein Jahr alt sind. Doch bald nach dem Frühstück, als Enke aufgestanden ist, stöhnte er über starke Leibschmerzen, stürzte zu Boden und verlor auch bald sein Bewusstsein. Das war der Moment, auf den Wenke schon fast ungeduldig und sicher wochenlang gewartet hat, Enke endlich zeigen zu können, wer hier der Herr in der Stutzer Feste ist und wer hier eigentlich zu kuscheln hat.
Die Tage vergingen und heute haben wir schon den dritten Tag. Beim Abendessen sagte Frieder so beiläufig, dass Enke glaubte heute wieder zurückzukommen, was bis jetzt nicht passiert ist. Es wird doch da nichts passiert sein was ihn veranlasste da länger zu bleiben. Keiner der Anwesenden Abendbrotesser wollte ihm antworten oder sich zu seinem unguten Gefühl laut äußern, aber jeder, so glaube ich hier am Tisch, hat so ein ungutes Gefühl im Bauch, dass da etwas passiert sein muss, nur was, daran, an das Schlimmste, was da passieren kann, daran wollte lieber keiner der hier Anwesenden Abendbrotesser denken und schon lange nicht glauben oder es wahrhaben, dass da etwas passiert sein könnte, was man bestimmt nicht wieder gut oder rückgängig machen kann. Nach einer Weile des Schweigens habe ich dann gesagt: „Wenn Enke bis morgen Früh nicht zurück ist, dann reite ich nach dem Frühstück in die Stutzer Feste und schau da nach dem Rechten, was da bloß passiert sein mag und wo Enke nur abgekommen sein mag. Sofort waren Frieder und Frieda auf dem Plan und sagten fast gleichzeitig, dass sie dann aber ganz bestimmt mit reiten werden; es langt schon, dass Enke da allein hingeritten ist und du es bestimmt nicht auch machen wirst, vielleicht auch sein Schicksal gar zu teilen. Zu ihrem Ansinnen habe ich weiter nichts gesagt, denn dazu ist morgen sicher auch noch Zeit, denn ein Besuch da in der Stutzer Feste ist sicher kein ungefährlicher Spaziergang, denn wer kennt da schon alle Ecken, Geheimgänge und, geheimen Fallen oder die eine oder die andere Klapptür, die alle keinen Rückweg in die Redlichkeit mehr haben.
Der neue Morgen kam, der vierte Tag begann und wer war noch nicht da? Dass Enke eventuell das Weite gesucht hat und vielleicht wieder bei den Römern untergetaucht ist, um da sein Glück aufs Neue zu versuchen, daran wollte und konnte ich nicht glauben, das konnte ich ihm einfach nicht zutrauen, dass er uns alle so hinters Licht geführt haben könnte und auch mein in ihn gesetztes Vertrauen derart missbraucht hat. Wir waren uns schnell einig, dass Frieda und Frieder mich begleiten und wir spätestens am Abend wieder mit einem kleinen Wissen wieder zurück sind. Und es kann der nächste Morgen und von Enke und seinen Leuten war nichts zu sehen.
Als ob Frieder etwas geahnt hat, denn er sagte, ob wir etwas dagegen haben, wenn er mit der Droschke vorne weg fährt, denn eine Droschke im Gefolge sieht schon immer besser aus, als nur drei Reiter. Ich hatte nichts gegen seine galgenhumoristische Einlage und nach dem Didilind auch uns, sicher in weiser Vorahnung ein Esspaket mit gegeben hat und wir uns verabschiedet haben, was bei Didilind und mir heute auch ein bisschen länger gedauert hat als sonst, unsere üblichen, anderweitigen Verabschiedungen, verschwanden auch wir bald hinter der nächsten Kurve im weiten Wald. Zu meinem Staunen musste ich sehen dass von hinten mein treuer und vierbeiniger Kumpel Dennis angelaufen kam, der als junger Wolf bei uns Menschen seine neue Heimat fand, der es sicher zu spät bemerkt hat, dass wir wieder heimlich verschwinden wollten und sicher wieder in seinem Tierinstinkt glaubte, dass er uns da nicht alleine ziehen lassen kann. Unterwegs haben wir nicht viel miteinander gesprochen jeder hing so seinen Gedanken nach, die sicher nicht die besten waren. Was machen wir, wenn das und das in der Stutzer Feste passiert ist? Bei mir kam sogar der Gedanke auf, was nun Eberhard, wenn Enke nicht mehr lebt und sie ihn sogar irgendwie beräubt lebend ins Verlies geworfen haben, um an seinen Lederbeutel, den er von Didilind mit auf den Weg bekam und an sein Essbarkeit und seine Goldflocken zu kommen, er da im Verlies erbärmlich umkommt und wir zu spät kommen? Und da fuhren und ritten wir auch schon in den Hof der Feste hinein. In der Pförtnerloge waren keine Wachposten, die uns kontrollieren wollten. Vor der Haustür stiegen wir ab, nahmen unsere Waffen und gingen ins Haus, Dennis immer vorne weg. Hinten in der Küche, da saßen die beiden, Vater Heinzen und Tochter Wenke von deren einstiger Schönheit war nichts mehr zu sehen, denn was da am Tisch saß, war die Bosheit pur in Person, etwas menschliches war da an ihr nicht mehr zu sehen und jeder hätte meinen können, dass Wenke sicher keine Tochter von Mutter Erna ist, sondern eine Ausgeburt der finstersten Unterwelt, in der das Böse zuhause ist.
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