Lea wollte mir partout nicht verraten, was sie vorhat. „Vertrau mir“, hat sie gesagt. Ich liege also auf dem Rücken und soll die Augen geschlossen halten. Das fällt mir ganz schön schwer. Wir sind im Wohnzimmer vom Altenteil. Mien seuten Deern hat sich gleich bereiterklärt, als Lea sie um einen Raum gebeten hat, wo wir Ruhe haben. Es ist ein Geschenk, sagt Lea und dass ich nicht so rumzappeln soll. Ich bemühe mich. Kurze Zeit später höre ich ein Rasseln, das sich um meinen ganzen Körper bewegt, zusammen mit dem Duft von Lea. Dann ändert sich die Musik im Hintergrund. Ich höre das Plätschern eines Bachs, Vogelstimmen, Blätter in einem großen alten Baum. Ich spüre den Boden unter mir und sitze auf einem Stein mitten im Wald, als ein Luftzug meine Wange streift. Erst an der einen Seite, dann an der anderen Seite, dann an vielen Stellen meines Körpers. Ich fühle die Luft unter meinen Flügeln und sehe die Sonne, die sich in meinem Bauch ausbreitet, wo Leas Hände sind. Die Stimme eines alten Indianers erfüllt den Raum, während die Jüngeren um das Lagerfeuer tanzen. Unbekannte Worte strömen in mich hinein. Der Indianer kommt auf mich zu und sieht mir ins Gesicht. An den Wangen spüre ich kleine Bäche und Sehnsucht bewegt mein Herz. Wieder ändert sich die Musik und die tiefen Töne der Nacht umgeben mich. Dem Felsen, auf dem ich sitze, fehlt ein gewaltiges Stück und die Bilder in meinem Kopf werden schneller, so dass ich ihnen nicht mehr folgen kann. Ich konzentriere mich wieder auf die Musik, die mir eine Flöte schenkt und den Indianer, der sie spielt. Dann spüre ich die feinen Hände des alten Mannes direkt über meinem schweren Herzen. Wind setzt erneut ein und ein kräftiger Luftzug weht durch mich hindurch. Als die Trommeln zu schlagen beginnen, stimmt mein Herz in den Rhythmus ein. Es schlägt laut und gleichmäßig, bis die Töne immer leiser werden und alles in eins fließt.
„Komm langsam wieder zu dir“, höre ich Leas Stimme nach einer Weile. „Wenn du so weit bist, dann öffne die Augen.“
Ich will am liebsten gar nicht aufwachen und auch die Augen nicht öffnen.
„Nimm dein Wohlgefühl mit“, sagt Lea. Das klingt schon besser.
„Heiße das Neue willkommen und nimm es an“, sagt sie.
Ich verspreche es, obwohl ich nicht weiß, was sie meint. Ich fühle mich so gut wie schon lange nicht mehr und bin ganz stolz auf meine Tochter.
Mein Name tut nichts zur Sache. Ich gehöre zu einer anderen Zeit. Einer Zeit, in der die Menschen noch an die Kraft von Visionen und Träumen geglaubt haben. Für uns gibt es keine klare Trennung zwischen Traum und Wirklichkeit. Deshalb bringen wir unseren Träumen auch Ehrfurcht, Gehorsam und Disziplin entgegen. Mutige Träumer können die Realität verändern. Mutter Erde ist uns heilig und alles, was auf ihr lebt. Wir wollten das Gleichgewicht der Kräfte bewahren. Der weiße Mann hat die meisten von uns ausgerottet oder vertrieben. Seht selbst, wohin das geführt hat. Und doch ist nicht alles verloren. Wir leben fort in allen, die es wollen. Ich selbst bin Schamane und gebe mein Wissen weiter an diejenigen, die dazu berufen sind. Die moderne Medizin kann viel, aber den einzelnen Menschen vergisst sie zu oft. Ich bin weder Priester noch Zauberer. Ich heile, weil ich den ganzen Menschen sehen kann.
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