Nun ist dies ein krasses Beispiel, weil der streitgegenständliche Umfang der Lieferung so hoch ist, doch gilt dies im Zweifel auch im Kleinen. Kauft jemand bei euch einen Rucksack, den ihr nicht liefern könnt, weil er ausverkauft ist und euer Großhändler vergessen hat, den aus dem Sortiment zu nehmen und kauft sich euer Kunde daraufhin den Rucksack im Einzelhandel für zehn Euro mehr, so seid ihr dem Kunden gegenüber grundsätzlich zur Zahlung des entstandenen Schadens verpflichtet.
Gleiches gilt im Übrigen, wenn ihr nicht fristgerecht liefert, was natürlich gemein ist, weil nicht fristgerechte Lieferungen zumeist vom Transportunternehmen verursacht werden. Ihr haftet als Vertragspartner eures Kunden aber für die Einhaltung eurer kaufvertraglichen Verpflichtungen und dazu zählt neben der Lieferung des bestellten Artikels auch die fristgemäße Lieferung.
Wer sich von meinen skeptischen Anmerkungen nicht beeindrucken lassen will, sollte zumindest auf folgendes achten:
Zahlt keine Gebühren auf irgendwelchen Plattformen oder womöglich sogar bei einem einzelnen Händler dafür, dass ihr deren Produkte verkaufen dürft
Reduziert die Zahl der Großhändler, mit denen ihr zusammenarbeiten wollt, auf nicht mehr als drei bis fünf
Regelt mit dem Großhändler oder Hersteller VORHER, wie mit Retouren umgegangen wird. Arbeitet niemals mit Großhändlern zusammen, die Retouren kategorisch ausschließen
Klärt ebenfalls vorab, wer Probleme mit dem Versandunternehmen löst
Vereinbart einen Prozess für die Abwicklung von Gewährleistungsansprüchen
Wenn ihr die Artikel eures Großhändlers nicht per API- Anbindung in eurem Shop einstellt sondern händisch, macht eine kritische Marktanalyse und identifiziert vorher die Artikel, die Aussichten auf Marge haben. Es ist Zeitverschwendung, 500 Artikel einzustellen, bei denen die Preise doppelt so hoch sind wie auf Amazon oder Ebay
Wenn ein Artikel gut läuft, fangt an, euch in China nach einem Hersteller umzuschauen
Das ist die Bezugsquelle Nummer 1 für die allermeisten Neulinge im Online- Handel. Es gibt Großhändler en masse für No- Name- Produkte aus allen Bereichen des Lebens. Für jede Branche gibt es zudem Messen, auf denen man sich informieren und vor allem Kontakte knüpfen kann.
An dieser Stelle muss man auch eine Grundsatzentscheidung treffen, ob man als Postenhändler einen Gemischtwarenladen im Internet betreiben oder ob man sich in eine Richtung spezialisieren möchte.
Für beide Formen mag es gute Argumente geben. Der Trust- Faktor, den man im Internet nicht unterschätzen darf, ist sicherlich höher, wenn man sich das Image eines Fachhändlers mit einem stimmigen Sortiment aufbaut. Auch ist die Optimierung für Suchmaschinen vermutlich leichter, wenn die verkauften Produkte aus demselben thematischen Umfeld kommen.
Für den Gemischtwarenladen spricht die nackte Rendite. Wenn ich eine Palette Bratpfannen aus einem Versicherungsschaden zu einem Schnäppchenpreis bekomme, kann ich da zuschlagen und sie im Internet neben dem Posten Kinder- Jogginghosen und den Damen- Handtaschen mit Hello Kitty- Motiv verkaufen. Erlaubt ist, was Marge bringt.
Wenn ein Kunde nachfragt, ob die Bratpfannen auch für Induktionsherde geeignet sind, ignoriere ich die Mail einfach, weil ich von Bratpfannen keine Ahnung habe und warte darauf, dass sich die Dinger schon von allein verkaufen- Schnäppchenjäger gibt es schließlich genug.
Ja, das kann man machen und ein bisschen Variationsbreite ist sicherlich auch gar nicht verkehrt, um nicht zu sehr von irgendwelchen Trends abhängig zu sein.
Ich persönlich halte es aber für nachhaltiger, sich am Anfang der Geschäftstätigkeit zu fragen, wovon man etwas versteht, was man selbst so in seiner Freizeit gerne macht, dann in einem Brainstorming eine kleine Liste mit möglichen Produkten aus diesem Bereich zusammenstellt, sie auf die o.g. „Amazon- Kompatibilität“ abklopft und mit dieser Liste gezielt die Online- Großhandelsplätze abklappert, um zu schauen, ob man diese Sachen in vernünftiger Qualität auch zu einem Preis bekommt, bei dem noch Luft für Gewinn bleibt.
Wer in seiner Freizeit gerne angelt, versteht vermutlich auch etwas vom Angeln, weiß welche Haken etwas taugen und kann potentiellen Kunden bei Fragen auch vernünftige sachkundige Antworten anbieten.
Würde ich mir eine Angel kaufen wollen, würde ich vermutlich mehr Vertrauen in einen Händler haben, der sein Sortiment rund um dieses Thema aufgebaut hat als in einen Postenhändler, der neben Angeln auch Bratpfannen und Kinder- Jogginghosen verkauft.
Diese Spezialisierung ist langfristig auch viel versprechend, denn Leute, die meinen, billige Jogginghosen bei Ebay verramschen zu können, gibt es deutlich mehr als Händler, die etwas vom Angeln verstehen.
Es geht gar nicht darum, sich im hochpreisigen Premium- Segment einnisten zu wollen. Vielleicht sind Angler grundsätzlich Markenfetischisten, die sich nur mit Angelruten von Nobelhersteller XY an den Fluss setzen, aber ich bin mir sicher, dass es auch Menschen gibt, die nicht so viel Geld haben und trotzdem gerne angeln gehen wollen. Dieses Segment mit qualitativ vernünftiger Ware aus dem Preiseinstiegssegment zu versorgen, kann möglicherweise eine Nische sein, in der man sich als Händler platzieren kann.
Um ehrlich zu sein: Ich habe vom Angeln keine Ahnung, aber ich reise gerne um die Welt. Ich habe dabei viele Backpacker kennen gelernt, die sündhaft teure Marken- Rucksäcke auf dem Rücken hatten, die für mehrstündige Wandertouren im Amazonas- Becken bestens geeignet waren. Die meisten von diesen Backpackern haben mir glaubhaft versichert, dass sie nie am Amazonas waren und- schlimmer noch- auch gar keine Wandertouren unternehmen sondern den Rucksack nur einem Koffer- Trolley vorziehen, damit sie unterwegs die Hände frei haben.
Also habe ich überlegt, welche Mindestanforderungen an einen Trekking- Rucksack zu stellen sind und habe im Großhandel nach günstigen Modellen geschaut, die knapp ein Zehntel von dem gekostet haben, was Deuter, Tatonka & Co so nehmen.
Natürlich weiß ich, dass Deuter- Rucksäcke versiegelte Nähte haben, mit denen man eine Stunde durch den Monsun- Regen wandern kann, ohne dass die Funktionswäsche im Rucksack feucht wird, aber mal im Ernst: Wenn es regnet, stelle ich mich unter und warte, bis der Regen vorbei ist, aber ich wandere nicht stundenlang durch den Regen, nur um die Qualität meines Markenrucksacks auf die Probe zu stellen.
Was ich damit sagen will: Marken- Rucksäcke haben natürlich Qualitätsvorteile gegenüber No- Name- Rucksäcken und wer tatsächlich stundenlang mit Rucksack auf dem Rücken unterwegs ist, für den zahlt sich die Investition auch aus, aber wer den Rucksack nur zum Flughafen und vom Flughafen zum Hotel trägt, der ist mit einem No- Name- Rucksack zu einem Viertel des Preises auch gut bedient.
Inzwischen habe ich mir übrigens eine eigene Marke beim Markenamt gesichert und lasse die Rucksäcke nach meinen Vorstellungen direkt in China produzieren. Dazu in einem späteren Kapitel mehr.
Für einen ersten Blick empfehlen sich die Großhandelsplattformen Zentrada und auch Restposten.de, bei denen man über Treuhandkonten- Systeme auch abgesichert ist.
Zentrada ist vermutlich die größte Plattform für Händler mit Zigtausenden Angeboten aus allen denkbaren Branchen- überwiegend im No- Name- Bereich, aber in letzter Zeit verstärkt auch mit Lizenz- und Markenartikeln.
Die Basis- Mitgliedschaft ist kostenlos; man kann dann aber nur einen Teil der Angebote sehen, weil einige Großhändler nur an Premium- Mitglieder verkaufen. Die Premium- Mitgliedschaft kostet ca. 120 Euro netto im Jahr.
Auf Restposten.de gibt es keine kostenlose Mitgliedschaft, dafür ist die Jahresgebühr ab 69,99 Euro deutlich niedriger als bei Zentrada. Mit ein paar Extras ist man da aber auch schnell bei 100 Euro.
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