O Lockung, die aus fremden Augen droht,
o Lächeln, das die feuchten Lippen teilt,
viel wissend um die Liebe und den Tod
und dass der Tod allein von Liebe heilt.
Josef Leitgeb
(Catulls Ode)
Kaum glaub ich’s noch! Catull, du bist daheim!
Daheim auf deinem lieben Sirmio!
Oh Sirmio, Sirmio, Kronjuwel Neptuns!
In allen Meeren, Strömen, Seen sucht
Deingleichen man umsonst: Kein Vorgebirg,
kein Halbeiland, kein Eiland kommt dir gleich!
Wie gern bin ich zu dir zurück geeilt!
Wie schön, die Sorg und all den fremden Kram,
der mir nichts ist, im Rücken weit, weit, weit,
am eignen Tisch, im eignen Bett zu ruhn!
Das ist doch noch ein Lohn nach so viel Plag!
Mein Zauber-Sirmio, freust du dich denn auch?
Und du, mein See, brandest du mir Willkomm?
Ja, alles lacht und ruft: Catull ist da!
Christian Morgenstern
Und so entlässt dich, wie sie dich empfangen,
Italiens schöne Tochter an der Schwelle,
Auf dass nach ihrer Mutter Sonnenhelle
Du sehnlich immer müssest heimverlangen.
All ihre Lieblichkeit und stolzes Prangen
Grüßt dich noch einmal aus des Stromes Welle;
Was dir der Süden bot, an dieser Stelle
Ist’s wie im Auszug dir vorbeigegangen.
Amphitheater, Dom, Arkaden, Plätze
Voll Marktgewühls und ausgelassner Schreier,
Ja ein Triumphtor selbst ward nicht vergessen;
Der Mal- und Bildkunst unerschöpfte Schätze,
Glutaugen, leuchtend unter schwarzem Schleier,
Und jenes Giusti-Gartens Prachtzypressen.
Paul Heyse
Wundervolles Prachtgebäu,
Das in herrlicher Vollendung,
Edlen Ebenmaßes, leichter Schönheit
Groß und würdig den Zeitläuften trotzt.
Als wärst du ewig,
So fest, gediegen, dir selbst genug.
Wie die Harmonie des Werkes
Mich erhebt und froh befriedigt,
Muss ich still doch in Verwundrung
Jene alte Zeit bedenken,
Da es Sitte und Bedürfnis war,
Wilde Tiere, Gladiatoren,
Sich im wilden Kampf zerfleischen
Und ihr Blut vermischt zu sehn,
In so edlem Gefäße fließen.
Und wir!
Sind bei uns nicht auch die Bühnen
Schon von Fürst und Staat geschützt,
Aufgetürmt und kostbar reich?
Zwar nur Schatten dieser Pracht,
Aber wie viel Leinwand, reich bemalt,
Seidenzeug und Gold und Flitter, –
Um die Armut
Unsers Lebens
Abgespiegelt dort zu sehn.
Ist der Römer uns zu grausam,
Sind wir ihm gewiss zu kindisch,
Wenn er Blut in Freuden fließen sah,
Rinnt uns schwächlich Trän’ auf Träne,
Über wenig, über gar nichts,
Und wir nennen uns gebildet.
Ludwig Tieck
XIX
Dies Labyrinth von Brücken und von Gassen,
Die tausendfach sich ineinander schlingen,
Wie wird hindurchzugehn mir je gelingen?
Wie werd’ ich je dies große Rätsel fassen?
Ersteigend erst des Markusturms Terrassen,
Vermag ich vorwärts mit dem Blick zu dringen,
Und aus den Wundern, welche mich umringen,
Entsteht ein Bild, es teilen sich die Massen.
Ich grüße dort den Ozean, den blauen,
Und hier die Alpen, die im weiten Bogen
Auf die Laguneninseln niederschauen.
Und sieh! da kam ein mut’ges Volk gezogen,
Paläste sich und Tempel sich zu bauen
Auf Eichenpfähle mitten in die Wogen.
August von Platen
XX
Wie lieblich ist’s, wenn sich der Tag verkühlet,
Hinaus zu sehn, wo Schiff und Gondel schweben,
Wenn die Lagune, ruhig, spiegeleben,
In sich verfließt, Venedig sanft umspület!
In’s Innre wieder dann gezogen fühlet
Das Auge sich, wo nach den Wolken streben
Palast und Kirche, wo ein lautes Leben
Auf allen Stufen des Rialto wühlet.
Ein frohes Völkchen lieber Müßiggänger,
Es schwärmt umher, es lässt durch nichts sich stören,
Und stört auch niemals einen Grillenfänger.
Des Abends sammelt sich’s zu ganzen Chören,
Denn auf dem Markusplatze will’s den Sänger
Und den Erzähler auf der Riva hören.
August von Platen
Wie ein verwirklichter Traum begrüßt dich das bunte Venedig,
Wenn du es flüchtig durchschiffst: nicht die versunkene Stadt
Glaubst du vor dir zu sehen, von welcher die Dichter erzählen,
Diese dünkt dir im Meer gleich von Tritonen erbaut,
Und du taumelst dahin, wie unter Korallen und Muscheln,
Und verwunderst dich nur, dass dich die Flut nicht ereilt.
Alles Übrige passt hinein in den Rahmen: der Doge,
Der sich den Wellen vermählt, und das vermummte Gericht,
Ja die Brücke der Seufzer, erscheinen dir hier so natürlich,
Wie in des Ozeans Nacht Fische mit Sägen im Haupt.
Lass dir aber vom Führer berichten, wie Alles entstanden,
Und das phantastische Bild lös’t in Vernunft sich dir auf!
Friedrich Hebbel
Auf dem Canal grande betten
Tief sich ein die Abendschatten,
Hundert dunkle Gondeln gleiten
Als ein flüsterndes Geheimnis.
Aber zwischen zwei Palästen
Glüht herein die Abendsonne,
Flammend wirft sie einen grellen
Breiten Streifen auf die Gondeln.
In dem purpurroten Lichte
Laute Stimmen, hell Gelächter,
Überredende Gebärden
Und das frevle Spiel der Augen.
Eine kurze, kleine Strecke
Treibt das Leben leidenschaftlich
Und erlischt im Schatten drüben
Als ein unverständlich Murmeln.
Conrad Ferdinand Meyer
An der Brücke stand
jüngst ich in brauner Nacht.
Fernher kam Gesang;
goldener Tropfen quolls
über die zitternde Fläche weg.
Gondeln, Lichter, Musik –
Trunken schwamms in die Dämmrung hinaus . . .
Meine Seele, ein Saitenspiel,
sang sich, unsichtbar berührt,
heimlich ein Gondellied dazu,
zitternd vor bunter Seligkeit.
– Hörte jemand ihr zu?
Friedrich Nietzsche
Venedig
In diesem Innern, das wie ausgehöhlt
sich wölbt und wendet in den goldnen Smalten,
rundkantig, glatt, mit Köstlichkeit geölt,
ward dieses Staates Dunkelheit gehalten
und heimlich aufgehäuft, als Gleichgewicht
des Lichtes, das in allen seinen Dingen
sich so vermehrte, dass sie fast vergingen – .
Und plötzlich zweifelst du: vergehn sie nicht?
und drängst zurück die harte Galerie,
die, wie ein Gang im Bergwerk, nah am Glanz
der Wölbung hängt; und du erkennst die heile
Helle des Ausblicks: aber irgendwie
wehmütig messend ihre müde Weile
am nahen Überstehn des Viergespanns.
Rainer Maria Rilke
Nun treibt die Stadt schon nicht mehr wie ein Köder,
der alle aufgetauchten Tage fängt.
Die gläsernen Paläste klingen spröder
an deinen Blick. Und aus den Gärten hängt
der Sommer wie ein Haufen Marionetten
kopfüber, müde, umgebracht.
Aber vom Grund aus alten Waldskeletten
steigt Willen auf: als sollte über Nacht
der General des Meeres die Galeeren
verdoppeln in dem wachen Arsenal,
um schon die nächste Morgenluft zu teeren
mit einer Flotte, welche ruderschlagend
sich drängt und jäh, mit allen Flaggen tagend,
den großen Wind hat, strahlend und fatal.
Rainer Maria Rilke
Siehst du die Stadt, wie sie da drüben ruht,
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