Warum die Frauenleiche auf anderem Wege entsorgt worden waren, blieb zunächst rätselhaft.
Die eine Silikonprothese war nicht vernichtet, war wohl übersehen worden.
Eine Identifizierung hatte wohl verhindert werden sollen. Deshalb fehlten wohl auch Kopf, Hände und Füße. Oder sollten sie etwa gesondert konserviert werden?
Helen schüttelte sich und musste sich Mühe geben, den Fall weiter zu bearbeiten. Sie holt sich erst einmal einen Kaffee und gönnte sich eine Denkpause.
Jetzt kommt das Neue am alten Fall, sagte sich Helen und las das „neue“ Aktenbündel beim Sortieren ebenfalls schnell quer.
Polizeiakten zu 2010:
Unfallbericht Piste bei Papa vom 16.7.10. mit den Leichen eines Dr. Maric Hödeny und einer Mandy.
Kopien der Fotos vom Unfallort, der Leiche des vermutlichen Fahrers. Ein Kopf ohne Gesicht. Nur ein halbes Ohr.
Der hat nicht mehr viel gespürt und zum Identifizieren kann man kaum biometrische Daten erheben, dachte Helen.
Spurensicherung Szeged, den Unfall auf der Piste betreffend vom 16.7.10,
Bericht des Fahrers des Langholzers, unter dem der Geländewagen zerschellte.
Kopie des Ausweises des Fahrers - ein ungarischer Pass - der demnach 46 Jahre alt war,
Kopie des Schweizer Passes, Typ 85, einer Mandy, die demnach zum Zeitpunkt des Unfalles 29 Jahre alt war.
Ihr stockte fast das Blut, als sie die weiteren Bilder sah. Fotos aus einer Schneiderei mit weiblichen Kleiderpuppen aus gegerbter, menschlicher Haut und dicken Piercingringen durch die Brustwarzen. Sie las weiter. Hier stand, dass Mandy schon lange vor dem Unfall tot gewesen und ihre Leiche aller Organe beraubt worden war. Sie war ähnlich wie die Leiche im Schleusengitter ausgenommen, aber nicht gehäutet worden, und wohl auf dem Wege nach Szeged gewesen, wo die gehäuteten Frauen in der Schneiderei ihren Platz gefunden hatten. Auch Mandy trug die gleichen Ringe durch Brustwarzen und Klitoris. Ihre Leiche war vom Kinn bis zum Schambein geöffnet. Herz, Lungen, Leber und Nieren fehlten ebenso wie alle Eingeweide, Teile des Uterus und Eierstöcke.
Fotos der von schwarzem Blut besudelten Leiche von Mandy im blauen Plastiksack und dann wohl gewaschen auf dem Seziertisch der Pathologen:
Offener Torso und Bauch bis zum Schambein, komplett ohne innere Organe. Große verchromte Ringe in den Mamillen, Bauchnabel und der Klitoris, am Steißbein und Hinterkopf. Bildhübsches, sehr junges Gesicht, entspannter Gesichtsausdruck. Weißblonde Haare, die zum Zopf geflochten und mit einer Binde wie zu einem Griff gewickelt waren. Eine Aufnahme zeigte ihr offen gehaltenes Auge, das dunkelblau war.
Helen dachte: Diese junge Frau sieht mir total ähnlich und war sicher erst knapp über zwanzig. Unglaublich schöne Brüste, Größe D, vielleicht auch mehr. Da steckte sicher Silikon dahinter.
Sieht auch auf dem Passbild eigentlich deutlich jünger aus, fast kindlich, dachte Helen weiter. Wenn denn die Angaben alle stimmten. Das wusste man selbst bei einem Schweizer Ausweis nicht, vor allem nicht bei dem Typ 85.
Liste, der im Unfallwagen gefundenen Gegenstände und Papiere mit
Garderobe und Akten der Mandy.
Überlassungsdokumente des Wagens an Dr. v. Eynim, ausgestellt von Uschi Steinmeier, als Besitzerin des Wagens.
Versicherungsschein für den Wagen, mit dem Einschluss einer Versicherung für mehrere Fahrer.
Tagebuch der Mandy.
Kopie von Briefen von Mandy an Dr. von Eynim.
Ein dicker DIN-A3-Umschlag mit Kopien von Briefen einer Manuela an Dr. v. Eynim, 350 DIN-A-4 Bögen, zum Teil doppelseitig handschriftlich beschrieben.
Aha, überlegte Helen, was hat uns das zu sagen?
Wieder eine Bemerkung von Borhagen: „Bitte lesen, wenn es auch schwerfällt. Die ganze Pornographie ist nicht leicht zu ertragen.“
Hier hatte Borhagen Recht. Die eigenen pornographischen Fantasien waren leichter zu ertragen. Man brauchte sie sogar.
Spurensicherung Vesprem betr. eines Container-LKW mit DNA-Analysen, 27.07.10:
Kopie von Fotos der Container LKWs vom Typ Ural, Fotos der
Inneneinrichtung.
DNA-Analysen aus den Containern, insbesondere der Matratzen, Bar, Personalumkleide, der Tanzstange (Polstange) und der diversen Foltergeräte, bzw. BDSM- Geräte.
Spurensicherung Szeged, 11.08.10:
Schneiderwerkstatt - Fotos mit Detailaufnahmen der gefundenen Schneiderpuppen. Ausnahmslos Frauentorsi, teilweise mit Piercingringen durch die Brustwarzen und Klitoris, Tattoos.
Diese Fotos sah sie sich genauer an und stellte fest, dass sie sich das Video mit Samy, das ihr Annegret vor Wochen gegeben hatte, nochmals genauer vornehmen musste. Auch Samys Brustwarzen wurden in diesem Video mit ähnlichen großen, verchromten Ringen gepierct. Hierbei wurden die Ringe tief, horizontal durch den Warzenhof geführt, nicht durch die Nippel.
Ob Mandys Leiche noch gehäutet werden sollte, fragte sich Helen, in Szeged vielleicht?
Helen überlegte weiter. Normalerweise wurde nur der Nippel gepierct. Es sah aus, als ob diese Ringe nicht nur als Schmuck dienen sollten. Eine besondere Form des Piercings, das sie bisher noch nicht gesehen hatte. Nur im Video mit Samy. Device piercing , für BDSM-Manipulationen, das könnte es sein. Sie würde Annegret dazu befragen, vielleicht wusste sie ja mehr über diese Art des Piercings. Annegret wollte sich heute ohnehin bei ihr noch melden.
Es ging ja auch noch um den Saunaabend nach dem Training. Sie würde heute keine Zeit dafür haben, leider. Sie las weiter.
Zeugenaussagen Szeged:
Befragung der Arbeiterinnen der Schneiderwerkstatt-11.08.10
Pathologiebericht Szeged mit diversen DNA-Analysen
Bericht Schneiderwerkstatt Szeged - 18.08.10
Bericht Obduktion Unfall (16.07.10) bei Szeged - 27.07.10
Pathologiebericht Semmelweiss Univ. 02.09.10
Zweitbericht zum Vorgang Schneiderwerkstatt Szeged
Zweitbericht zur Obduktion des Unfalls bei Szeged aus dem
gerichtsmedizinischen Institutes der Semmelweiss Universität Budapest
vom 09.08.10
Kopie von Fotos der Leiche der Mandy aus dem Unfallwagen, DNA-Analysen der Leiche und des Verpackungsmaterials.
Die trockenen Berichte waren total ermüdend. Sie brauchte erneut einen Becher Kaffee. Aber dann wurde sie aufnahmefähiger.
Es gab eine Zusammenfassung der DNA-Funde. Eine Würdigung der DNA-Analysen kam zu dem Ergebnis:
Die DNA der Leiche im Fanggitter war identisch mit einer der Häute in Szeged. Und zwar der, mit dem besonderen Schlangen-Tattoo an den Brüsten und mit diversen DNA-Spuren im Wald von Vesprem.
Das heißt, die Haut der Frau im Schleusengitter landete in der Schneiderwerkstatt in Szeged und die Frau war vorher im Wald von Vesprem ermordet worden, war BHs Kommentar auf einem Post-it.
DNA-Spuren der Leiche von Mandy fanden sich auch im Bordell-Container von Vesprem und an ihrem Schweizer Ausweis.
Was war das jetzt wieder? Hatte sie etwas überlesen? Sie musste zurückblättern.
Im Rachenabstrich sowie im Vagina- und Rektum-Abstrich fanden sich diverse Spuren männlicher DNA. 21verschiedene konnten nachgewiesen werden. Darunter auch zwei DNA-Spuren, die sich sowohl an ihrem Ausweis, der Cohiba in Szeged und der Cohiba im Bordell-Container in Vesprem und an einer der beiden Cohibas am Tatort im Wald bei Vesprem fanden!
Jetzt wurde Helen wieder wach. Das bedeutete, Mandy hatte vor ihrem Tod spannenden Verkehr mit diversen Männern gehabt, darunter auch mit zwei Männern, die auch schon in Szeged und Vesprem und beim Mord im Wald dabei gewesen waren. Eine dieser Spuren war auch an dem Ausweis von Dr. Maric Hödeny zu finden und an Mandys Schweizer Ausweis, der in einer Plastikhülle steckte. Neben diesen DNA-Spuren, die sowohl im oralen, vaginalen und analen Abstrich nachzuweisen waren, gab es auch noch zwei verschiedene DNA-Spuren von zwei Männern sowie verschiedene Fingerabdrücke, die nicht mit den bei Mandy gefundenen identisch waren. Einer dieser Fingerabdrücke und eine DNA-Spur fanden sich auch im Bordell-Container von Vesprem und an einem Zigarrenrest der Marke Cohiba in der Schneiderwerkstatt in Szeged (Aschenbecher) und einem Zigarrenrest der Marke Cohiba im Aschenbecher des Bordell-Containers.
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