Mir wird die Tür geöffnet: „Vor einer Woche wurden seine Möbel abgeholt. Er ist nach Seattle gezogen.“
„Haben sie eine neue Adresse von ihm?“, bohre ich nach.
„Nein. Gar nichts. Tut mir leid.“ – Der Nachbar schließt wieder die Tür.
Ich bin verwirrt. Ich rufe nochmals Peters Mobiltelefon an. Keine Reaktion. Niemand geht ran. Die Spur verliert sich an dieser Stelle. Vielleicht hat er von einer anderen Firma ein Angebot bekommen, das er nicht ausschlagen konnte? Aber er hätte sich schon von mir und Laura verabschieden können. – Ich fahre zurück nach Sausalito.
Laura empfängt mich zuhause mit einem richtigen Menü: es gibt Antipasti, dann Pasta mit Sauce Bolognese, dazu einen ganz vorzüglichen Barolo. Laura trinkt allerdings nur Mineralwasser. Sie hat Kerzen angezündet. Wir setzen uns an den vorbereiteten Esstisch in der Küche. Ich kann es einfach nicht für mich behalten: „Peter ist weg. Seine Wohnung ist aufgelöst. Er ist nach Seattle gezogen. Ich habe mit Peters Nachbarn gesprochen. Ich bin richtig sauer auf Peter. Er hat mir gesagt, er gehe in Urlaub. Doch in Wirklichkeit hat er gekündigt.“ – Ich fühle mich gekränkt.
Laura spürt das sofort, das merke ich. – „Manchmal lernt man Menschen ganz neu kennen. Vielleicht ist er zu einem anderen Technologiekonzern gegangen und bringt dort sein Wissen ein, das er bei Biophysical Implants erworben hat.“
„Irgendwie passt das gar nicht zu ihm. Peter stand immer fest zu unserem Team. Peter war immer ein Musterbeispiel für Loyalität.“ – Ich schüttele den Kopf.
„Ja, dann weiß ich auch nicht weiter, John.“
„Ab Mittwoch nächster Woche nehme ich Urlaub. Michael hat gesagt, dass Freitag nächste Woche die Operation ansteht. Dr. Stephen Mueller vom New York University Medical Center wird mich operieren. Er ist der beste Neurochirurg, den das Land zu bieten hat. Wir wollen den Eingriff vertraulich behandeln. Wir wollen das Team gemeinsam mit der Öffentlichkeit gleich nach der Implantation des XEQ-Chips informieren. Das wird ein Fest, sage ich dir.“
Laura schweigt. Dann fragt sie nach: „Warum solche Heimlichkeiten?“
„Nun, es soll ein Paukenschlag bei Biophysical Implants und in der Öffentlichkeit werden, wenn die Sache durch ist. Unser Aktienwert wird durch die Decke steigen. Biophysical Implants wird das meistbegehrte Label der Welt werden.“ – Stolz lehne ich mich in meinem Stuhl zurück und lege meine Hände auf den Esstisch.
„Ich verstehe das trotzdem nicht“, sagt Laura sehr leise zu mir. Sie schenkt mir Wein nach. Dann schaut sie mich an: „Liebster, willst du noch etwas Pasta?“
„Nein. Es war sehr gut. Danke.“ Ich lege die Serviette neben dem Teller auf den Tisch.
Laura schaut besorgt. Ich habe sie offensichtlich immer noch nicht von dem Projekt überzeugt. Etwas begeisterter dürfte sie schon sein.
Rücksprache mit Pastor Tim
Es ist Samstagvormittag. Ich bitte meinen Pastor noch einmal um ein Gespräch. Meine Gefühle gehen heute Morgen ganz durcheinander. Genauso durcheinander berichte ich ihm auch. Wieder sitze ich in seinem Arbeitszimmer: „Peter ist verschwunden. Und nächste Woche steht wohl schon die Operation von John an.“ – Ja, natürlich weiß ich von Tim, dass ich von Gott getragen bin. Und doch tut es mir gut, mir jetzt noch einmal alles, was mich bewegt, von der Seele zu sprechen.
„Welche Vorbereitungen sind schon getroffen, Laura?“, fragt mich Pastor Tim.
„Nun, alle Voruntersuchungen sind bereits gelaufen. Und der XEQ-Chip muss wohl auch schon fertig produziert sein. Ab nächstem Mittwoch soll John offiziell zwei Wochen Urlaub nehmen, damit der Eingriff geheim gehalten werden kann. Sie wollen erst nach erfolgreicher Implantation alles offenlegen. Der Chirurg, der den Eingriff vornehmen wird, ist auch schon für Freitag nächste Woche gebucht: Dr. Stephen Mueller vom New York University Medical Center.“
Pastor Tim legt die Stirn in Falten und kombiniert: „Peter nahm auch zwei Wochen Urlaub?“
„Ja. So sagte es mir John. Aber Peter hat dann in Wirklichkeit gekündigt und ist nach Seattle gezogen.“
„In Wirklichkeit? Die Fakten sind, dass sowohl Peter als auch John zwei Wochen Urlaub genommen haben. Und dass Peter seitdem spurlos verschwunden ist. Die Personalabteilung sagt, er habe gekündigt. Und sein Nachbar sagt, er sei nach Seattle gezogen.“ – Tim verschränkt die Arme hinter seinem Kopf.
„Was denkst du?“, ich beuge mich in meinem Sessel nach vorn zu Pastor Tim.
„Ich weiß es nicht so genau. Aber was wäre, wenn die Operation schon einmal durchgeführt worden wäre? An Peter?“ – Tim legt seine rechte Hand ans Kinn.
„Das würde John wissen“, schüttele ich den Kopf.
„Wer aus seinem Team weiß von der anstehenden Operation bei John?“
„Niemand.“
„Siehst du?“, entgegnet Tim und zeigt mit der flachen Hand auf mich.
„Ja, aber warum ist dann Biophysical Implants noch nicht an die Presse getreten?“, frage ich ungläubig und lege meine Stirn in Falten.
„Das weiß ich nicht. Ich mache einen Vorschlag.“ – Tim legt wieder seine rechte Hand ans Kinn.
„Ja…?“
„Ich recherchiere zu Peter. Ich fahre sofort nach San Francisco und befrage den Nachbarn, wann er Peter zuletzt gesehen hat.“
„Ja, wahrscheinlich beim Abtransport der Möbel“, gebe ich zurück.
„Vielleicht. Vielleicht auch nicht.“
„Ich verstehe dich jetzt nicht.“
„Warte ab.“ – Während Tim mich verabschiedet, höre ich ihn leise grummeln: „Dann muss die Predigtvorbereitung für morgen jetzt wohl wieder erstmal liegen bleiben…“
Laura war heute Morgen schon wieder bei diesem Pastor Tim. Sie hat mir eine kurze Notiz auf dem Küchentisch hinterlassen. Passt mir gar nicht. Ich höre ihren Schlüssel in der Haustür. Sie kommt. – „Hast du ihm jetzt auch noch den Operationstermin genannt?“, fahre ich sie an.
„Ja. Das habe ich“, antwortet Laura ganz still, zieht ihre Augenbrauen nach oben und nickt mir zu.
„Du bringst mich in größte Schwierigkeiten. Immer diese Kirchenleute. Keine Vertraulichkeit. Keine Redlichkeit. Und mir gegenüber bist du auch nicht loyal. Was denkst du dir dabei?“
– Laura versucht, mich zu umarmen. Ich will nicht. Ich bin ganz aufgewühlt. Ich will das Projekt nicht gefährden. Laura redet und redet und redet. Immer mit dieser Sarah. Und mit diesem Tim.
Pastor Tim sucht im Internet die Termine der Privatsprechstunde von Dr. Stephen Mueller in New York heraus. Da. Er hat auch samstags Sprechzeiten. Das ist sehr bequem für viele Patienten, die unter der Woche arbeiten müssen. Viele Kliniken haben diesen Service inzwischen eingeführt. Auch das New York University Medical Center. – Pastor Tim sucht die Telefonnummer des Sekretariats von Dr. Stephen Mueller heraus. Dann greift er zum Telefonhörer. Das, was er jetzt tut, wird er möglicherweise nicht morgen von der Kanzel predigen. – Tim eröffnet das Telefonat: „Guten Morgen. Hier ist der Empfang von Biophysical Implants. Sollen wir für Dr. Mueller in der nächsten Woche wieder dasselbe Zimmer bereitstellen wie vor drei Wochen? … Ja? Das geht in Ordnung? … OK. Danke.“ – Pastor Tim legt auf. Also war der Neurochirurg vor drei Wochen schon einmal auf Biophysical Island. Anschließend ruft Tim Laura an: „Ich muss sofort mit dir sprechen. Kommst du vorbei?“
Tim berichtet mir: „Laura, ich war heute Morgen an Peters Haus. Sein Nachbar sagt, er habe Peter seit drei Wochen nicht mehr gesehen. Er sei beim Abtransport der Möbel nicht gesehen worden. Und ich weiß jetzt, dass Dr. Mueller vor drei Wochen auf Biophysical Island war.“
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